Logo-KBV

KBV Hauptnavigationen:

Sie befinden sich:

 

Modellprojekt RESIST

Logo des Modellprojekts Resist - Antibiotika bewusst anwenden, Resistenzen vermeiden

RESISTenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen

Antibiotika sind wirksame Medikamente zur Behandlung von schwerwiegenden Krankheiten, die durch Bakterien verursacht werden. Gegen Viren sind sie jedoch wirkungslos. Werden Antibiotika unnötigerweise eingenommen, kann das zur Bildung von Resistenzen beitragen. Das bedeutet: Antibiotika können dann nicht mehr wirken, weil die Bakterien gegen sie widerstandsfähig geworden sind.

Für eine sichere Versorgung mit Antibiotika in der Zukunft

Antibiotika werden in Deutschland überwiegend verantwortungsvoll verordnet, auch im EU-Vergleich schneidet die Bundesrepublik bereits gut ab. Doch Erfahrungen zum Beispiel aus den Niederlanden und der Schweiz zeigen, dass noch erhebliche Verbesserungen möglich sind, ohne dass es zu Einbußen bei der Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung kommt. RESIST möchte dazu beitragen, eine verlässliche und sichere Versorgung mit Antibiotika dauerhaft zu erhalten und zugleich vermeidbare Neben- und Wechselwirkungen zu verhindern. Konkret geht es um die Förderung des gezielten Einsatzes von Antibiotika bei Erkältungen der Atemwege.

Modellvorhaben in acht Regionen

Das Modellvorhaben „RESISTenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen“ wurde getragen vom Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), seinen sechs Mitgliedkassen sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und acht Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Es wurde finanziert durch den Innovationsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in den KV-Bezirken Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Saarland und Westfalen-Lippe umgesetzt.

Online-Fortbildung zur Förderung der Arzt-Patienten-Kommunikation

Das Versorgungskonzept von RESIST richtete sich an Ärzte, welche für gewöhnlich bei akuten Atemwegsinfekten von Versicherten direkt aufgesucht werden: Hausärzte, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Kinder- und Jugendärzte. Voraussetzung für eine Projektteilnahme war die Absolvierung einer vorbereitenden Online-Fortbildung. Diese fokussierte eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation sowie Grundlagen der rationalen und leitliniengerechten Antibiotikatherapie bei Atemwegserkrankungen. Vom 1. Juli 2017 an konnten die 2460 am Projekt teilnehmenden Ärzte dann die neue Versorgungsform für einen Zeitraum von zwei Jahren umsetzen. Für den Einsatz im Praxisalltag haben teilnehmende Ärzte Praxisposter, Patienteninformationen und Entscheidungshilfen erhalten, die die intensivierte Beratung der Patienten sowie die gemeinsame Entscheidungsfindung unterstützen sollten.

Nach Abschluss des Interventionszeitraumes von RESIST stehen die wichtigsten Praxismaterialien nun allen interessierten Ärzten zur Verfügung.

Ziel: Geringere Antibiotikaverordnungsrate

Ziel des versorgungsnah konzipierten Projektes RESIST war es, sowohl eine Verringerung der allgemeinen Antibiotikaverordnungsrate bei ARTI als auch einen leitliniengerechteren Einsatz von Breitbandantibiotika zu erreichen. Die für jedes durch den Innovationsfonds geförderte Projekt verpflichtende wissenschaftliche Evaluation wurde durch das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock durchgeführt. Die Federführung hatte Prof. Dr. Attila Altiner gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Der Evaluationsbericht kann hier heruntergeladen werden:

Pressemitteilungen

Häufige Fragen und Antworten

1. Einleitung

In Deutschlands Arztpraxen werden pro Jahr schätzungsweise zwischen 38 und 40 Millionen Antibiotika-Verordnungen ausgestellt. Es stehen zahlreiche wirksame Antibiotika zur Behandlung von unterschiedlichen bakteriellen Infektionen zur Verfügung. Allerdings sind immer mehr Bakterien gegen die vorhandenen Antibiotika resistent. Die Folge ist, dass manche bakterielle Infektionen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt behandelt werden können oder neue Antibiotika gefunden werden müssen, um sie zu bekämpfen.

Damit die Wirksamkeit von Antibiotika bestehen bleibt, ist es wichtig, sie nur dann anzuwenden, wenn dies auch notwendig ist. Akute Atemwegserkrankungen werden in 90 Prozent der Fälle durch Viren ausgelöst, gegenüber denen Antibiotika wirkungslos sind.

Um den Einsatz von Antibiotika bei akuten Atemwegsinfekten weiter zu reduzieren, haben der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) und seine Mitgliedskassen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und acht Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) das Projekt RESIST ins Leben gerufen. Ziel von RESIST ist es, Resistenzbildungen sowie vermeidbare Neben- und Wechselwirkungen von Antibiotika zu reduzieren. Dazu sollen Patienten und Ärzte zu einem noch bewussteren Umgang mit Antibiotika bei akuten Atemwegsinfekten motiviert werden.

 

2. Antibiotika

2.1. Was sind Antibiotika?

Antibiotika sind Medikamente, mit denen bakterielle Infektionen behandelt werden können. Zunächst wurden Antibiotika aus Stoffwechselprodukten von Bakterien oder Pilzen gewonnen, wie beispielsweise das Penicillin. Heutzutage gibt es auch synthetisch oder gentechnisch hergestellte Antibiotika.

2.2. Gegen welche Infekte helfen Antibiotika?

Antibiotika sind nur bei Infektionen wirksam, die durch Bakterien verursacht werden. Gegen Erkrankungen, die durch Viren oder Pilze hervorgerufen werden, helfen sie nicht. Wann ein Antibiotikum sinnvoll eingesetzt wird, entscheidet der behandelnde Arzt.

2.3. Gegen welche Infekte helfen Antibiotika nicht?

Erkältungen mit Symptomen wie Halsschmerzen, Schnupfen, Husten und Bronchitis werden fast immer durch Virusinfektionen ausgelöst. Eine Behandlung mit Antibiotika bringt daher in diesen Fällen, aber auch bei einer Virusgrippe (Influenza, „echte Grippe“), nichts. Denn Antibiotika sind gegen Viren – sowie Pilze – wirkungslos.

Mit akuten Atemwegsinfektionen kann die körpereigene Abwehr (Immunsystem) jedoch in den allermeisten Fällen alleine fertig werden – sie braucht dafür nur etwas Zeit. Die Behandlung beschränkt sich daher auch auf die Linderung der Symptome, etwa durch schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente. Bestehen die Symptome fort oder kommt es zu einer Verschlechterung des Befindens, sollten Patienten ihren Arzt erneut aufsuchen.

2.4. Wie wirken Antibiotika?

Antibiotika können im Körper auf zweierlei Weise wirken: Entweder töten sie die krank machenden Bakterien ab (bakterizide Wirkung) oder sie hemmen die Erreger in ihrem Wachstum, sodass diese sich nicht mehr vermehren können und die körpereigene Abwehr sie beherrschen kann (bakteriostatische Wirkung).

2.5. Wieso sind Antibiotika verschreibungspflichtig?

Antibiotika sind verschreibungspflichtige Medikamente und dürfen in der Apotheke nur bei Vorliegen einer ärztlichen – beziehungsweise zahnärztlichen – Verschreibung abgegeben werden. Der Grund ist, dass ihre Anwendung einer medizinischen Überwachung bedarf und sie starke Nebenwirkungen haben können. Dazu zählen etwa allergische Reaktionen, Pilzinfektionen und Magen-Darm-Beschwerden. Bei der Verschreibung ist es daher besonders wichtig, dass der behandelnde Arzt Vor- und mögliche Nachteile einer Einnahme sorgsam abwägt.

2.6. Wie häufig werden Antibiotika in Deutschland verordnet?

In Deutschlands Arztpraxen werden pro Jahr schätzungsweise zwischen 38 und 40 Millionen Antibiotika-Verordnungen ausgestellt. Die bei Erwachsenen verordnete Menge ist in den letzten Jahren stabil. Bei Kindern ging die verordnete Menge hingegen zuletzt leicht zurück. (Siehe auch Frage 2.10.)

2.7. Werden in Deutschland mehr Antibiotika verordnet als in anderen europäischen Ländern?

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bzgl. der verordnete Menge von Antibiotika lag Deutschland in den letzten Jahren mit unter 16 Tagesdosen (DDD – „defined daily doses“) pro 1.000 Einwohner und Tag im unteren Drittel – zusammen u. a. mit Österreich, den skandinavischen und den baltischen Ländern.

Die Niederlande wiederum sind ein Beispiel dafür, dass ein noch geringerer Antibiotikaeinsatz bei einer gleichzeitig exzellenten Gesundheitsversorgung möglich ist. Dagegen gehörten Griechenland, Rumänien, Frankreich, Italien, Belgien und Luxemburg 2011 bis 2015 zur europäischen Spitzengruppe.

Dort verordneten die Ärzte teilweise mehr als doppelt so viele Antibiotika wie in Deutschland. Allerdings werden in Deutschlands Arztpraxen häufiger sogenannte Reserve- bzw. Breitspektrum-Antibiotika verordnet als in anderen europäischen Ländern. (Siehe auch Frage 2.9. und 2.10.)

2.8. Welche Antibiotika gibt es?

Die heutzutage eingesetzten Antibiotika lassen sich in verschiedene Wirkstoffgruppen unterteilen. Unter anderem gibt es sogenannte Penicilline, Cephalosporine und Fluorchinolone. Die Wirkstoffgruppen unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur, der Wirksamkeit und dem Wirkmechanismus. Welches Antibiotikum bei einer Erkrankung geeignet ist, hängt von den Symptomen und der Art der krank machenden Bakterien ab. Einige Infektionen können mit mehreren verschiedenen, andere nur mit einer bestimmten Sorte von Antibiotika behandelt werden.

2.9. Was sind Schmalspur-, Breitspektrum- und Breitband-Antibiotika und wann benötige ich sie?

Breitspektrum- oder Breitband-Antibiotika nennt man Antibiotika, die gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Bakterien wirksam sind. Oft kommen sie zum Einsatz, wenn der Patient an einer schweren Infektion leidet und die auslösenden Bakterien noch nicht identifiziert wurden. Mit der Behandlung sollen dann die wahrscheinlichsten Bakterien möglichst schnell abgetötet werden.

Bei Infektionen mit bekannten einzelnen Erregern sollten bevorzugt sogenannte Schmalspektrum-Antibiotika eingenommen werden. Diese sind gezielt gegen das krankheitsauslösende Bakterium gerichtet. Durch die Verwendung von Schmalspektrum-Antibiotika kann die Zahl von Resistenzbildungen reduziert werden.

2.10. Was sind Reserve-Antibiotika?

Reserve-Antibiotika sind spezielle Antibiotika, die nur angewendet werden sollten, wenn der Patient an einer ernstzunehmenden bzw. lebensbedrohlichen Krankheit leidet und sich andere Antibiotika als unwirksam erwiesen haben.

Der Grund ist, dass jeder Einsatz von Reserve-Antibiotika das Risiko für Resistenzbildungen erhöht und damit die Einsatzmöglichkeit dieser Reservemittel deutlich einschränkt. Zudem sollten die Medikamente hauptsächlich im stationären Bereich (Krankenhäuser und Pflegeheime) eingesetzt werden. Hier ist die medizinische Überwachung der schwerkranken Patienten am besten gewährleistet.

Reserve-Antibiotika enthalten Wirkstoffe, gegen die – aufgrund der bisher zurückhaltenden Anwendung – kaum Resistenzen bestehen. Es gibt aber auch Bakterienstämme, die auf Reserve-Antibiotika nicht ansprechen. Es ist deswegen besonders wichtig, sie zurückhaltend einzusetzen. Dennoch ist ihr Anteil an den Antibiotika-Verordnungen, vor allem auch in Deutschland, in den letzten Jahren größer geworden.

2.11. Wie nehme ich Antibiotika richtig ein?

Antibiotika sollten unbedingt wie vom Arzt verordnet eingenommen werden. Dazu gehört es insbesondere, die vorgeschriebene Dosis und die Einnahmezeiten einzuhalten. Das heißt, auch wenn die Beschwerden abgeklungen sind, muss das Antibiotikum bis zum Ende eingenommen werden. (Die Behandlung kann abhängig von der Infektion mehrere Tage bis Wochen dauern.)

Treten während der Behandlung Nebenwirkungen auf, sollte der Patient jedoch unbedingt seinen Arzt informieren.

Bei der Einnahme ist es zudem wichtig, auf mögliche Wechselwirkung zu achten. Einige Lebensmittel (z. B. Milchprodukte) und andere Stoffe (z. B. Eisen aus Eisenpräparaten) aber auch bestimmte Arzneimittel können die Aufnahme von Antibiotika in den Körper beeinflussen oder ihre Wirkung verändern.

Manche Antibiotika gehen zum Teil gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneien ein.
Die Medikamente sollten am besten mit Wasser eingenommen werden.

2.12. Warum ist es oft die bessere Alternative, kein Antibiotikum einzunehmen?

Das Immunsystem des Körpers wird oftmals mit Bakterien alleine fertig und es bedarf keiner Behandlung mit Antibiotika. Damit entfallen auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung.
Dazu kommt: Der unsachgemäße, breite Gebrauch von Antibiotika unterstützt die Resistenzentwicklung von krankheitserregenden Bakterien und schwächt damit die Wirksamkeit der Medikamente. Es besteht die Gefahr, dass bei schweren Erkrankungen keine wirksamen Medikamente zur Verfügung stehen.

2.13. Was kann ich bei Atemwegsinfekten selbst tun, um die Beschwerden zu lindern?

Um die Symptomen einer Erkältung zu lindern, kann man viel selbst tun. Die Patienten sollten insgesamt kürzer treten. Denn Stress und körperliche Anstrengung belasten den Körper zusätzlich. Wichtig ist ausreichend zu trinken, denn viel Flüssigkeit hilft, den Schleim zu lösen. Zudem wird der Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen ausgeglichen.

Empfehlenswerte Getränke sind ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees sowie (Mineral-)Wasser. Regelmäßig Lüften ist empfehlenswert, da trockene Heizungsluft der Nasenschleimhaut die Feuchtigkeit entzieht. Das hemmt die Abwehrfunktion. Für Raucher gilt, besser auf Tabakprodukte zu verzichten. Tabakrauch schadet dem Immunsystem und belastet die Atemwege zusätzlich.

Ob andere Maßnahmen wie Inhalationen, Schmerzmittel, abschwellende Nasensprays oder bewährte Hausmittel die Beschwerden lindern, sollte man mit seinem Arzt besprechen.

2.14. Wie lange dauert ein Atemwegsinfekt?

Eine unkomplizierte Erkältung mit Husten, Schnupfen und Halsschmerzen heilt in der Regel von alleine aus und kann innerhalb einer Woche überstanden sein. Allerdings kann es auch schon einmal länger dauern bis alle Symptome verschwunden sind.

Studien zur Erkrankungsdauer an Kindern haben gezeigt, dass nach 10 Tagen etwa die Hälfte der Kinder und nach 15 fast alle Kinder symptomfrei waren. Insbesondere der Husten kann deutlich länger dauern.

Wichtig ist es an dieser Stelle zu erwähnen, dass Patienten mit einem Atemwegsinfekt vor allem in den ersten Tagen ansteckend sind. Wobei diese Ansteckungszeit individuell sehr unterschiedlich lang sein kann und daher während der gesamten Erkältung besondere Hygienemaßnahmen wie häufiges Händewaschen gelten.

3. Antibiotika-Resistenzen

3.1. Was versteht man unter einer Antibiotika-Resistenz?

Antibiotika-Resistenz bedeutet, dass krank machende Bakterien widerstandsfähig gegen Antibiotika geworden sind. Das heißt, die Behandlung mit einem bestimmten oder mehreren verschiedenen Antibiotika führt nicht zum Absterben bzw. zur Wachstumshemmung der Bakterien, sodass sich die Krankheitserreger ungehindert vermehren können.

Bedrohlich ist das vor allem für ältere Menschen mit Vorerkrankungen, insbesondere für chronisch und schwer kranke Patienten oder Bewohner von Langzeitpflegeeinrichtungen. Diese können im schlimmsten Fall an der Infektion versterben.

3.2. Wie und warum entstehen Resistenzen?

Die Ursache für die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen ist die genetische Anpassungsfähigkeit von Bakterien. Durch kleine Veränderungen in ihrem Erbgut können sie sich mitunter so verändern (mutieren), dass ein Antibiotikum, das bislang erfolgreich gegen sie eingesetzt wurde, nicht mehr wirken kann.

Durch die Übertragung von Mensch zu Mensch oder Tier zu Mensch (etwa durch den Verzehr von infiziertem, nicht durchgegartem Fleisch) kommt es zur Verbreitung der Bakterien. Werden die Keime weiteren Antibiotika ausgesetzt, kann es passieren, dass sie auch gegen diese Resistenzen ausbilden.

So können sich im Laufe der Zeit multiresistente Erreger (MRE) bilden, die mit den zur Verfügung stehenden Antibiotika nicht mehr oder nur noch eingeschränkt behandelt werden können. Die meisten bakteriellen Infektionskrankheiten lassen sich allerdings gut mit Antibiotika behandeln.

Meist kommt es dann zur Bildung von Resistenzen, wenn Antibiotika nicht richtig angewendet werden. Das ist zum einen der Fall, wenn Antibiotika zu häufig, zu kurz oder zu niedrig dosiert eingenommen werden. Zum anderen, wenn Antibiotika bei Erkrankungen eingesetzt werden, gehen die sie nicht wirken können, z. B. bei Infektionen mit Viren. Deshalb ist es wichtig, Antibiotika so sparsam wie möglich und nur gezielt einzusetzen.

3.3. Wo und wie häufig treten antibiotikaresistente Erreger in Deutschland auf?

Infektionen mit resistenten und multiresistenten Bakterien sind vor allem in Krankenhäusern ein Problem. Umgangssprachlich sind daher auch die Begriffe „Krankenhausinfektionen“ und „Krankenhauskeime“ gebräuchlich. Die Erreger lösen unter anderem Lungenentzündungen, Sepsen (Blutvergiftungen), Harnwegs- und Wundinfektionen sowie Durchfallerkrankungen aus.

Über die Anzahl der Infektionen mit multiresistenten Bakterien in Deutschland gibt es nur Schätzungen. Multiresistente Erreger führten demnach jährlich zu 30.000 bis 35.000 Infektionen. Die Zahl der Todesfälle dürfte in Deutschland bei 1.000 –bis 4.000 Fällen pro Jahr liegen. Betroffen sind vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankungen. (Siehe auch Frage 3.4.)

3.4. Wie gefährlich sind antibiotikaresistente Bakterien?

Antibiotikaresistente Bakterien sind nicht grundsätzlich gefährlicher als andere Bakterien. Zum Beispiel finden sich auf unserer Haut Bakterienstämme, von denen manche resistent gegenüber bestimmten Antibiotika sind.

Zum Problem werde diese Keime oft erst, wenn sie (Operations-)Wunden oder die Atemwege geschwächter Patienten besiedeln. Bedrohlich kann eine solche Infektion vor allem für ältere Menschen mit Vorerkrankungen werden, insbesondere für chronisch und schwer kranke Patienten oder Bewohner von Langzeitpflegeeinrichtungen. Diese können im schlimmsten Fall an der Infektion versterben.

3.5. Wie werden (multiresistente und resistente) Bakterien übertragen?

Krankheiten auslösende Bakterien können von Mensch zu Mensch und von Tier zu Mensch übertragen werden.

Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt über die Luft (Tröpfcheninfektion), die Haut oder die Schleimhäute aber auch über geteilte Nahrungsmittel und Getränke oder gemeinsam benutzte Gegenstände („Schmierinfektion“). Eine Übertragung von Tier zu Mensch ist ebenfalls möglich. In der Regel geschieht dies über durch den Verzehr von infiziertem, nicht durchgegartem Fleisch und mangelnde Küchenhygiene. Infektionen über das Trinkwasser sind in Deutschland nicht bekannt.

Bei Auslandsreisen gilt: In einigen Ländern, etwa Südeuropas sowie Indien, sind multiresistente Keime relativ weit verbreitet. Reisende in diesen Ländern sollten besonders auf allgemeine Hygienemaßnahmen, sauberes Trinkwasser und ebensolche Lebensmittel achten. Der Grundsatz "peel it, cook it, boil it or leave it" (schäl es, koch es, oder lass es) hat sich als allgemeine Schutzmaßname bewährt. (Siehe Frage 3.6.)

3.6 Was kann ich selbst tun, um Antibiotika-Resistenzen zu verhindern?

Wer Antibiotika nur einnimmt, wenn sie wirklich erforderlich sind, trägt dazu bei, Resistenzen zu vermeiden. Zudem vermeidet er etwaige Neben- und Wechselwirkungen. (Siehe auch 2.2., 2.8. und 2.12.)
Einen Beitrag gegen Resistenzbildung leistet auch, wer Infektionen allgemein vermeidet. Denn dadurch werden weniger Antibiotika benötigt – Resistenzen treten seltener auf. Einen wirkungsvollen Schutz gegen Infektionen bieten allgemeine Hygienemaßnahmen, insbesondere regelmäßiges Händewaschen und das Waschen roher Lebensmittel.

4. Projekt RESIST

4.1. Was ist das Projekt RESIST?

RESIST („Resistenzvermeidung durch adäquaten Antibiotikaeinsatz bei akuten Atemwegsinfektionen“) war ein Projekt des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) und seiner Mitgliedskassen (BARMER, Techniker Krankenkasse (TK), DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse und HEK – Hanseatische Krankenkasse) mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), acht Kassenärztlichen Vereinigungen (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Saarland und Westfalen-Lippe), dem Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock und dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi).

Das Projekt hatte zum Ziel, den Antibiotikaeinsatz bei Atemwegsinfekten in Arztpraxen (ambulante Versorgung) zu optimieren. Insgesamt nahmen 2.460 Hausärzte, Kinderärzte, HNO-Fachärzte und Fachärzte für Innere Medizin an RESIST teil.

RESIST wurde vom Innovationsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefördert. (Siehe auch Frage 5.1.)

4.2. Was geschieht im Rahmen von RESIST?

Das Projekt RESIST setzte an verschiedenen Punkten an. Ein zentraler Ansatzpunkt war die Arzt-Patienten-Kommunikation. Im Rahmen einer eigens entwickelten „Antibiotikaberatung“ wurde der Patient in die Entscheidung eingebunden, ob in seinem Fall ein Antibiotikum das Mittel der Wahl ist.

Um die teilnehmenden Ärzte hierbei zu unterstützen wurde eine Online-Fortbildung entwickelt, die überdies für einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika sensibilisiert. Ferner informiert die Online-Fortbildung über die Empfehlungen der ärztlichen Behandlungsleitlinien bei akuten Atemwegsinfekten. Diese Fortbildung absolvieren alle an RESIST teilnehmenden Ärzte.

Auch im Projekt RESIST galt: Letztlich obliegt die Entscheidung, ob ein Antibiotikum eingesetzt werden muss, immer dem Arzt. Nur er kennt und sieht den Patienten und kann seinen Gesundheitszustand einschätzen.

Mittels Informationsflyern und Postern wurden Patienten in Arztpraxen darüber hinaus verstärkt u. a. über Atemwegsinfekte und ihre Ursachen, Antibiotika, ihre korrekte Einnahme und Antibiotika-Resistenzen aufgeklärt. Ferner erfuhren sie, wie Beschwerden bei Atemwegsinfekten gelindert werden können.

4.3. Wie trägt RESIST zur Vermeidung von Resistenzen bei?

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Zahl unnötiger Antibiotika-Verschreibungen reduziert werden kann, wenn Ärzte und Patienten für die Themen Antibiotika und Resistenzen sensibilisiert werden.

Bei einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2007 etwa sank die Zahl der Antibiotika-Verordnungen um 40 Prozent relativ. Wie hoch eine Reduktion im „Echtbetrieb“ ist, wurde in RESIST erstmalig evaluiert. Dabei ist jede Reduktion ein Erfolg, da mit ihr das Risiko sinkt, dass neue Resistenzen entstehen.

Eine besonders wichtige Rolle spielt laut den Forschungsergebnissen vor allem eine Veränderung der Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Wenn Patienten in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden, wirkt sich dies positiv aus. RESIST setzte deshalb auf die Stärkung der Arzt-Patienten-Kommunikation.

Hierzu wurden spezifische Instrumente entwickelt, darunter eine Online-Fortbildung für Mediziner und adressatengerechte Informationsmaterialein für Patienten.

4.4. Warum waren nur Arztpraxen aber keine Krankenhäuser an RESIST beteiligt?

Der Fokus des Projektes liegt auf der rationalen Antibiotikatherapie bei akuten Atemwegsinfekten, welche ganz überwiegend im ambulanten Bereich behandelt werden. Außerdem werden ca. 85 % der Antibiotika in Deutschland in Arztpraxen (ambulanter Bereich) verschrieben.

4.5. Warum zielte RESIST nur auf Atemwegsinfektionen?

Die meisten Antibiotika werden bei akuten Atemwegsinfektionen verordnet. Rund 30 Prozent dieser Verordnungen ist unnötig bzw. erfolgt nicht entsprechend den ärztlichen Behandlungsleitlinien – v. a. da es sich mit Sicherheit oder sehr großer Wahrscheinlichkeit um Virusinfekte handelt. Viren sprechen auf Antibiotika grundsätzlich nicht an. (Siehe auch Fragen 2.2. und 2.3.)

4.6. Welche Patienten nahmen an RESIST teil?

Von dem Projekt konnten alle Ersatzkassenversicherten mit Verdacht auf einen Atemwegsinfekt profitieren, die einen der teilnehmenden Ärzte aufsuchen.

4.7. Wie lang war die Projektlaufzeit?

Die gesamte Projektlaufzeit inklusive Vorbereitung und wissenschaftlicher Auswertung durch das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) betrug drei Jahre. Das Projekt begann am 15. Dezember 2016 und endete am 14. April 2020. Die Behandlung der Patienten im Rahmen von RESIST erfolgte in der Zeit vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2019.

4.8. Was geschieht nach Projektende?

Erreicht das Projekt die erhofften Ziele und führt zu einer Senkung der Antibiotikaverordnungen, kann es grundsätzlich bundesweit in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. In diesem Fall würde diese oder eine ähnliche Versorgungsform eine Leistung aller gesetzlichen Krankenkassen. Patientenflyer, Infozept und konkrete Verordnungsempfehlungen für Ärzte, die im Rahmen des Innovationsprojektes entstanden sind, stehen bereits heute allen interessierten Ärzten und Patienten zur Verfügung. Auf www.vdek.com/resist und www.kbv.de/resist können die Materialien kostenlos als Download abgerufen werden. Des Weiteren ist die drei CME-zertifizierte Online-Fortbildung zur Arzt-Patienten-Kommunikation sowie zur rationalen Antibiotikatherapie bei Infekten der oberen und unteren Atemwege im KBV-Fortbildungsportal veröffentlicht. Der Ergebnisbericht zum Projekt RESIST wird im Herbst 2020 veröffentlicht und kann dann auf den genannten Seiten oder der Seite des Innovationsfonds heruntergeladen werden. 

5. Innovationsfonds

5.1. Was ist der Innovationsfonds?

Mit dem Innovationsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden seit 2016 in Deutschland innovative Formen der Gesundheitsversorgung sowie Projekte zur Erforschung der bestehenden Gesundheitsversorgung gefördert. (Förderung sektorenübergreifender „neuer Versorgungsformen“ und der „Versorgungsforschung“). Das Ziel des Fonds ist damit eine qualitative Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung in der GKV. Die gesetzliche Grundlage des Innovationsfonds hat der Gesetzgeber 2015 mit dem Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) geschaffen.

5.2. Wie wird der Innovationsfonds finanziert?

Für die Förderung stehen im Innovationsfonds für die Jahre 2016 bis 2019 jeweils 300 Millionen Euro, sowie für die Jahr 2020 bis 2024 jeweils 200 Millionen Euro zur Verfügung,. Die Kosten werden zur Hälfte von den gesetzlichen Krankenkassen getragen, die andere Hälfte wird aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Die Förderung entfällt seit 2020 zu 20 Prozent auf die Versorgungsforschung und zu 80 Prozent auf neue Versorgungsformen.

5.3. Wer entscheidet über die Verwendung der Fördermittel?

Die Mittel des Innovationsfonds werden vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verwaltet. Die Entscheidungen über Förderanträge und förderwürdige Projekte werden von einem Innovationsausschuss getroffen, der unter dem Dach des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eingerichtet wurde.

Dem Innovationsausschuss gehören Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Gemeinsamen Bundesausschusses, des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an. Vertreter der Patienten und der Selbsthilfe haben ein Mitberatungs- und Antragsrecht.

Die Kriterien für eine Förderwürdigkeit sind gesetzlich geregelt. Grundsätzlich werden Projekte gefördert, die laut Gesetz „eine Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung zum Ziel haben und hinreichendes Potential aufweisen, dauerhaft in die Versorgung aufgenommen zu werden" (VSG § 92a Abs. 1). Voraussetzung ist außerdem eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Projekte.