Ab Januar: Anspruch auf Zweitmeinung vor Gallenblasentfernung
15.12.2022 - Vor einer geplanten Entfernung der Gallenblase haben gesetzlich Versicherte ab 1. Januar Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses ist jetzt in Kraft getreten.
Ärztinnen und Ärzte, die als „Zweitmeiner“ tätig sein möchten, können nunmehr eine Genehmigung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen. Diese Möglichkeit besteht für Internisten und Gastroenterologen, Kinder-Gastroenterologen sowie für Allgemein-, Viszeral-, Kinder- und Jugendchirurgen.
Information über den Anspruch
Ärztinnen und Ärzte („Erstmeiner“), die die Indikation für eine planbare Gallenblasenentfernung stellen, sind künftig verpflichtet, ihre Patienten über den Rechtsanspruch auf eine Zweitmeinung zu informieren.
Die für die Vergütung notwendigen Gebührenordnungspositionen, die „Erstmeiner“ und „Zweitmeiner“ abrechnen können, sind bereits im EBM enthalten. Auch die Kinder-Gastroenterologen können ab 1. Januar 2023 auf die Gebührenordnungsposition 01645 zugreifen.
Zweitmeinung nunmehr bei neun Eingriffen möglich
Damit besteht nun bei neun Eingriffen, soweit diese planbar sind, Anspruch auf eine Zweitmeinung. Neben dem neuen Verfahren sind dies beispielsweise Hysterektomien sowie kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen und Ablationen am Herzen.
Kein Rechtsanspruch auf Zweitmeinung besteht bei solchen Eingriffen, die aufgrund von akuten traumatischen Ereignissen oder aufgrund von akut auftretenden neurologischen Komplikationen notwendig sind. Gleiches gilt bei Eingriffen aufgrund von Tumorerkrankungen, da in beiden Fällen die vorgegebene Mindestwartezeit vor der Zweitmeinung nicht adäquat ist.
Details zum Zweitmeinungsverfahren Entfernung der Gallenblase
Vor der Entfernung der Gallenblase haben gesetzlich Versicherte nunmehr Anspruch auf eine zweite ärztliche Meinung. Die Zweitmeiner prüfen, ob die empfohlene Operation auch aus ihrer Sicht medizinisch wirklich notwendig ist. Zudem beraten sie die Versicherten zu möglichen Behandlungsalternativen.
Facharztgruppen „Zweitmeiner“
Für die Beratung über die Notwendigkeit eines empfohlenen Eingriffs können folgende Facharztgruppen eine Genehmigung erhalten:
- Innere Medizin und Gastroenterologie,
- Allgemeinchirurgie,
- Viszeralchirurgie,
- Kinder- und Jugendchirurgie oder
- Kinder- und Jugendmedizin mit Zusatzweiterbildung Kinder- und Jugend-Gastroenterologie.
Leistungsinhalt
Die Zweitmeinung umfasst die Durchsicht vorliegender Befunde der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes und ein Beratungsgespräch. Hinzu kommen ärztliche Untersuchungen, sofern sie zur Befunderhebung und Überprüfung der Indikationsstellung zwingend erforderlich sind.
Regelungen zur Vergütung
„Erstmeiner“: Der Arzt, der die Indikation stellt, kann für die Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit dem ärztlichen Zweitmeinungsverfahren die Gebührenordnungsposition (GOP) 01645 einmal im Krankheitsfall (vier Quartale) abrechnen. Sie ist mit 75 Punkten bewertet. Die Leistung beinhaltet auch die Zusammenstellung aller erforderlichen Unterlagen für die Patientin oder den Patienten.
„Zweitmeiner“: Die Abrechnung der Zweitmeinung ist im Abschnitt 4.3.9 „Ärztliche Zweitmeinung“ im Allgemeinen Teil des EBM geregelt. Danach rechnet der Arzt, der die Zweitmeinung abgibt, für die Patientin oder den Patienten seine jeweilige arztgruppenspezifische Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale ab. Sind für seine Beurteilung ergänzende Untersuchungen notwendig, kann er diese ebenfalls durchführen, muss sie aber medizinisch begründen.
Hinweis: Die Vergütung der Leistungen erfolgt ab dem Inkrafttreten des jeweiligen Zweitmeinungsverfahrens befristet für drei Jahre extrabudgetär.
Kennzeichnung der Leistungen
Ärztinnen und Ärzte müssen alle Leistungen des Zweitmeinungsverfahrens bei der Abrechnung nach bundeseinheitlichen Vorgaben eingriffsspezifisch kennzeichnen.
Für die Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit dem Zweitmeinungsverfahren bei Eingriffen zur Entfernung der Gallenblase durch den „Erstmeiner“ ist die bundeseinheitliche GOP 01645I vorgesehen.
Durch den „Zweitmeiner“ hat eine indikationsspezifische Kennzeichnung aller im Zweitmeinungsverfahren durchgeführten und abgerechneten Leistungen als Freitext im Feld freier Begründungstext (KVDT‐Feldkennung 5009) mit dem Code 88200I zu erfolgen.
Planbare Eingriffe mit Anspruch auf Zweitmeinung
Vor diesen Eingriffen, sofern sie planbar sind, können Versicherte eine zweite Meinung einholen:
- Mandeloperationen (Tonsillektomie, Tonsillotomie)
- Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien)
- Arthroskopische Eingriffe an der Schulter
- Amputationen beim diabetischen Fußsyndrom
- Implantationen einer Knieendoprothese
- Eingriffe an der Wirbelsäule
- Kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen und Ablationen am Herzen
- Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren
- Entfernung der Gallenblase
- Hüftgelenkersatz
- Ab 1. Oktober 2024: Aortenaneurysmen
- Voraussichtlich ab 1. April 2025: Prostatakarzinom ohne Metastasen
Gesetzlicher Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung
Der Anspruch auf Zweitmeinung ist im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 verankert (§ 27b SGB V). Damit haben gesetzlich versicherte Patienten einen Rechtsanspruch auf Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Eingriffen. Im Gesetz ist auch festgelegt, dass die Krankenkassen die Kosten tragen, die Ärzten durch die Bereitstellung von Befundunterlagen zur Zweitmeinung entstehen. Die Verfahrensregeln für die Zweitmeinung hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegt.