Patienten im Notfall besser steuern
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Gassen: Patientensteuerung entlastet Notdienst
20.04.2023 - Für eine bessere Patientensteuerung zur Entlastung des Notdienstes hat erneut KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen plädiert. Es sei immer wieder zu erleben, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst und die Notaufnahmen in den Krankenhäusern „nicht sachgerecht in Anspruch genommen werden“ und von Menschen aufgesucht würden, „die im medizinischen Sinne eigentlich keine Notfälle“ seien, sagte er in einem Video-Interview.
Die Steuerung der Patienten sei beispielsweise „sehr gut mit einer standardisierten medizinischen Ersteinschätzung zu machen, die telefonisch oder über webbasierte Applikationen erfolgen“ könne. Gegebenenfalls könnten Kolleginnen und Kollegen bei diffizileren Problemen zugeschaltet werden, um besonders gravierende oder gefährliche Krankheitsbilder herauszufiltern.
Das werde in der Schweiz seit vielen Jahren praktiziert, „und auch wir haben millionenfache Erfahrungen mit der Ersteinschätzungssoftware SmED“, betonte Gassen. Gemäß ihrer Ersteinschätzung könnten Patientinnen und Patienten dann eine Empfehlung bekommen – beispielsweise in den nächsten Tagen ihre hausärztliche Praxis aufzusuchen oder „dass der Rettungswagen losgeschickt und sofortige medizinische Hilfe angefordert“ werde.
Die Kapazitäten sind endlich
In diesem Zusammenhang erläuterte Gassen seine Forderung nach einer Notfallgebühr für Patienten, die ohne vorherige telefonische Ersteinschätzung die Notaufnahme aufsuchen oder diese Einschätzung ignorieren, was eine kontroverse Diskussion ausgelöst hatte.
Es gehe nicht darum, dass jeder eine Gebühr zahlen solle, der in die Notaufnahme komme, weil er nicht weiß, wohin er sich wenden solle. Die Notwendigkeit würde durch die medizinische Ersteinschätzung dokumentiert, und alle, „die diese ignorieren und trotzdem eben diesen Dienst in Anspruch nehmen, müssen eine Fehlinanspruchnahme-Gebühr entrichten“.
Zugleich stellte er klar, „es ist völlig unstrittig, dass die Menschen, die ärztliche Hilfe außerhalb der Sprechzeiten brauchen, für die gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst und die Notaufnahmen“.
Aber die Kapazitäten seien endlich. „Daher müssen wir eine Situation schaffen, dass Bürger, die unsicher sind in medizinischen Fragestellungen eine Anlaufstelle bekommen“, wo sie Informationen erhielten und der entsprechenden Versorgungsebene zugeordnet würden.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Die Struktur der Notfallversorgung einschließlich der besseren Information der Menschen ist aus Sicht von Gassen eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe, keine originäre Aufgabe der Vertragsärzte“. Da werde der Sicherstellungsauftrag sehr weit interpretiert. „Der ist in der Form, wie er mitunter politisch kommuniziert wird, nämlich, dass jeder alles zu jeder Zeit überall bekommen kann, schlicht nicht durchhaltbar.“ Da es sich bei diesen Aufgaben um eine Daseinsfürsorge handle, müsse diese durch Steuergelder finanziert werden.
Eine wichtige Rolle spielt Gassen zufolge die bundeseinheitliche Nummer 116117 für den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Diese sei „die richtige Anlaufstelle für Beschwerden, die nicht den klassischen medizinischen Notfall mit Lebensgefahr oder schwerer körperlicher Versehrtheit definieren“. Es gehe hier nicht um Unfälle, Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Das seien klassische Dinge, „wo der Krankenwagen raus muss oder der Notarzt“.