VV und Deutscher Ärztetag - ein Fazit
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Gassen: "Es ist fünf vor zwölf" – KBV-Chef fordert Lauterbach zum Handeln auf
25.05.2023 - KBV-Chef Dr. Andreas Gassen mahnt eine zügige Umsetzung von dringend notwendigen Reformen an. Wenn Deutschland sein leistungsfähiges Gesundheitswesen mit niederschwelligem Zugang für alle Versicherten erhalten wolle, dann sei es „allerhöchste Eisenbahn“, dass der Minister sich jetzt wirklich wichtigen Themen der Gesundheitspolitik widme, sagte Gassen in einem Video-Interview.
Noch befände sich das Gesundheitswesen „in einem Zustand relativ guter Leistungsfähigkeit, insbesondere was den ambulanten Sektor angeht“, auch wenn es den Praxen nicht besser als den Krankenhäusern gehe, konstatierte Gassen. Da viele Praxen inhabergeführt sind, sei „die Leidensschwelle“ höher.
Das „Ende der Fahnenstange“ ist Gassen zufolge absehbar. „Auch wir haben unter dem Fachkräftemangel zu leiden“, stellte er heraus. Auch gebe es keine adäquate Finanzierung für den hohen Inflationsdruck, der im Moment auf den Praxen laste. Insofern sei es tatsächlich „fünf vor zwölf“ im Gesundheitswesen.
Reform des Vergütungssystems
Der Vorstandsvorsitzende forderte den Minister auf, nach dem Ende der Corona-Pandemie seine Kraft komplett auf die dringend notwendigen Reformen zu lenken. Dazu gehöre auch eine Reform des SGB V bezüglich der jährlichen Anpassung der Vergütung ärztlicher und psychotherapeutischer Leistungen. Das derzeitige „Schönwetter-System“ könne bei Krisensituationen mit stark schwankenden Inflationsraten die Teuerungsraten nicht mehr zeitnah und adäquat abbilden. Doch dies sei dringend erforderlich, damit die Praxen am Netz blieben.
Zeitnahe Entscheidungen bei Krankenhaus- und Notfallreform
Dass viele wichtige Gesundheitsvorhaben derzeit in der Pipeline seien und zeitnaher Entscheidungen bedürfen, „weil wir ansonsten wirklich in eine Situation rutschen, die zunehmend unkontrollierbar wird“, habe auch die Vertreterversammlung der KBV in Essen deutlich gemacht, fuhr Gassen fort. Das sei zum einen die Krankenhausreform, bei der man nicht wirklich den Eindruck habe, dass die Strukturen reformiert und die verbleibenden Krankenhäuser finanziell vernünftig ausgestattet werden sollen.
Zum anderen brenne auch die Notfallreform „allen unter den Nägeln“. Gassen: „Hier sehen wir mit großem Befremden, dass Dinge, die schon als selbstverständlich galten, wie eine Ersteinschätzung analog zum SmED-Verfahren, gerade wieder hinterfragt werden.“ Dabei sei eine einheitliche Ersteinschätzung dringend nötig, um die knappen Ressourcen im Not- und Bereitschaftsdienst vernünftig einzusetzen.
Gassen vermisst zudem ein klares Bekenntnis der Politik zur Ambulantisierung. Mit dem Paragrafen 115f SGB V, der eine spezielle sektorengleiche Vergütung für ausgewählte ambulante Operationen vorsieht, könnte der Gesundheitsminister beweisen, dass er an einer „Ambulantisierung unter fairen Bedingungen für Niedergelassene und Krankenhäuser“ interessiert sei.
Zu all diesen Themen habe sich die Vertreterversammlung einstimmig positioniert, hob er hervor. Auch auf dem deutschen Ärztetag vorige Woche in Essen sei eine große Geschlossenheit der Ärzteschaft deutlich geworden, was die Themen betreffe.
Politik sollte Stärken der Selbstverwaltung nutzen
Gassen appellierte an Lauterbach, sich auf die Stärken der Selbstverwaltung zu besinnen. „Es gibt bisher nichts Besseres“, betonte er. Die Selbstverwaltung habe nicht zuletzt während der Corona-Pandemie bewiesen, dass „sie als Transmissionsriemen zu den Niedergelassenen eigentlich unverzichtbar ist“. Sie als „Lobbyverein“ zu apostrophieren, sei nicht angemessen und in der Sache auch nicht richtig.