BMG will Preistransparenz bei neuen Arzneimitteln abschaffen – Steiner: „Preisbezogene Arzneimittelsteuerung ist damit obsolet.“
22.02.2024 - Die Pharmaindustrie soll Erstattungsbeträge für neu auf den Markt kommende Arzneimittel nicht mehr veröffentlichen müssen. Ärzte erfahren dann nicht mehr, was diese Medikamente kosten. „Steuerungsinstrumente, die auf Arzneimittelpreisen basieren, sind dann endgültig obsolet und müssen abgeschafft werden“, forderte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner.
Nach dem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegten Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz könnten pharmazeutische Unternehmen künftig verlangen, dass die Erstattungsbeträge für Medikamente mit neuen Wirkstoffen nicht mehr bekanntgegeben werden. Die Erstattungsbeträge handeln die Firmen mit dem GKV-Spitzenverband aus, sobald ein neues Medikament die frühe Nutzungsbewertung beim Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgreich durchlaufen hat.
Ärzte tappen im Dunkeln
Bislang werden die Erstattungsbeträge veröffentlicht, sodass auch die Kassenärztlichen Vereinigungen und vor allem die Ärzte wissen, wie teuer ein neues Medikament ist. „Ohne diese Transparenz tappen Ärztinnen und Ärzte im Dunkeln. Sie können ihre Auswahlentscheidung nicht unter Berücksichtigung der Kosten vornehmen“, betonte Steiner und fügte hinzu: „Die Vereinbarung eines Ausgabevolumens in Unkenntnis der Preise ist unsinnig. Preisbezogene Steuerungsinstrumente einer wirtschaftlichen Verordnungsweise laufen damit ins Leere und müssen konsequenterweise aus dem SGB V gestrichen werden.“
Mehrheit der Preise jetzt schon nicht bekannt
Mit den geplanten Regelungen wird nach Einschätzung der KBV „ein nächster und entscheidender Schritt getan, mit dem Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit einer kostenorientierten Verordnungsweise gänzlich genommen wird. Die Preisverantwortung obliegt damit allein der gesetzlichen Krankenversicherung“. In ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Medizinforschungsgesetz weist sie darauf hin, dass jetzt schon die tatsächlichen Verordnungskosten für die Mehrheit der verordneten Arzneimittel aufgrund von Rabattverträgen nicht bekannt seien.
Wenn die Ärzte zukünftig auch die Erstattungsbeträge und damit die tatsächlich für die gesetzliche Krankenversicherung anfallenden Kosten von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nicht kennen würden, können die Arzneimittelvereinbarungen ihre steuernde Wirkung nicht mehr erfüllen. So könnten Ursachen für etwaige Überschreitungen nur noch bedingt festgestellt werden, merkt die KBV an. Eine Prüfung, ob Ärzte preisbezogene Wirtschaftlichkeitsziele eingehalten hätten, sei nicht mehr möglich.
In den Rahmenvorgaben nach Paragraf 84 SGB V legen KBV und GKV-Spitzenverband jedes Jahr die Grundlage für das regional zu vereinbarende Ausgabevolumen. Zugleich sind die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Wirtschaftlichkeitsziele zu vereinbaren.
KBV fordert Abschaffung der Regresse
Die KBV fordert, dass der Paragraf 84 SGB V folglich komplett gestrichen wird. Damit würden auch die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Verordnungen, die ausschließlich auf Basis der Kosten durchgeführt werden, entfallen. Steiner: „Wir nehmen Bundesgesundheitsminister Lauterbach beim Wort, der wiederholt angekündigt hat, dass die Regresse abgeschafft werden sollen. Dies muss jetzt auch passieren.“
Erst bei der Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages zur Rettung der Praxen am Montag hatte der Minister angekündigt, dass er die Regresse abschaffen wolle. Es sei ein Fehler gewesen, dass dies nicht längst geschehen sei, sagte er.