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PraxisNachrichten: Hinterher ist man immer schlauer

Genehmigungsvorbehalt bei Cannabisverordnung entfällt für bestimmte Arztgruppen

18.07.2024 - Die Verpflichtung, vor einer Erstverordnung von medizinischem Cannabis eine Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse einzuholen, entfällt künftig für verschiedene Arztgruppen. Die Details dieser gesetzlichen Regelung hat der Gemeinsame Bundesausschuss heute beschlossen.

Danach entfällt für viele Fachärztinnen und Fachärzte die Genehmigungspflicht, ohne dass sie eine Zusatzqualifikation nachweisen müssen. Dafür hatte sich die KBV eingesetzt, um insbesondere Hausärzten und Anästhesisten, die einen hohen Anteil an den Gesamtverordnungen haben, die Verordnung ohne Genehmigung zu ermöglichen.

Davon unberührt ist das Recht, vor Beginn einer Cannabistherapie die Genehmigung der Krankenkasse freiwillig zu beantragen – insbesondere bei Unklarheit über die Verordnungsvoraussetzungen. Auch hierfür hat sich die KBV erfolgreich eingesetzt. Dies gilt ebenso für das Ausstellen von Folgeverordnungen durch weiterbehandelnde Ärztinnen und Ärzte, wenn die Erstverordnung ohne Genehmigung vorgenommen wurde.

Steiner: Vorabgenehmigung gegebenenfalls einholen

„Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte auch weiterhin die Möglichkeit haben, die Vorabgenehmigung der Krankenkasse einzuholen, wenn sie dies wünschen“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Angesichts möglicher Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollten Ärztinnen und Ärzte unbedingt die Verordnungsvoraussetzungen beachten und insbesondere in unklaren Fällen von der Möglichkeit der freiwilligen Vorabgenehmigung Gebrauch machen. Hierdurch lasse sich mehr Verordnungssicherheit erreichen.

Diese Ärzte benötigen keine Genehmigung mehr

Neben den Allgemeinmedizinern und Anästhesisten benötigen künftig Internisten unabhängig von der Schwerpunktbezeichnung, Neurologen, Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin, für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Gynäkologen mit der Schwerpunktbezeichnung Gynäkologische Onkologie keine Vorabgenehmigung der Krankenkassen mehr. Ärztinnen und Ärzte anderer Fachgruppen können ebenfalls ohne Vorabgenehmigung Cannabis verordnen, wenn sie eine bestimmte Zusatzbezeichnung wie Geriatrie oder Palliativmedizin erworben haben (siehe Infobox).

Alle anderen Fachärztinnen und Fachärzte dürfen Cannabisarzneimittel weiterhin nur verordnen, wenn die Krankenkasse dies vorab genehmigt hat.

Verordnungsvoraussetzungen für Cannabis

Gesetzlich Krankenversicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben seit März 2017 Anspruch auf Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder -extrakten sowie Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (siehe Infobox).

Das Nähere ist in der Arzneimittel-Richtlinie geregelt – beispielsweise, dass Cannabisarzneimittel vorrangig zu verordnen sind, verglichen mit getrockneten Cannabisblüten oder -extrakten. Grundsätzlich ist – wie bei anderen Verordnungen auch – das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten.

G-BA erfüllt gesetzlichen Auftrag

Mit der nun erfolgten Änderung der Arzneimittel-Richtlinie wurde eine gesetzliche Vorgabe umgesetzt. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz von Juli 2023 sah vor, dass der G-BA die Facharztgruppen und die ärztlichen Qualifikationen bestimmt, bei denen der Genehmigungsvorbehalt der jeweiligen Krankenkasse bei einer erstmaligen Cannabisverordnung entfällt. Bislang war nur die spezialisierte ambulante Palliativversorgung von der Genehmigungspflicht befreit.

Das Bundesgesundheitsministerium muss den Beschluss noch prüfen. Wird er nicht beanstandet, tritt er am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft (die PraxisNachrichten werden berichten).

Cannabis verordnen: Diese Ärzte brauchen keine Genehmigung

Der verpflichtende Genehmigungsvorbehalt vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis entfällt bei diesen Fachgruppen:

  • Allgemeinmedizin
  • Anästhesiologie
  • Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
  • Innere Medizin
  • Innere Medizin und Angiologie
  • Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Innere Medizin und Gastroenterologie
  • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
  • Innere Medizin und Infektiologie
  • Innere Medizin und Kardiologie
  • Innere Medizin und Nephrologie
  • Innere Medizin und Pneumologie
  • Innere Medizin und Rheumatologie
  • Neurologie
  • Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Psychiatrie und Psychotherapie

Auch andere Ärztinnen und Ärzte, die eine der folgenden Zusatzbezeichnungen vorweisen, dürfen ohne Genehmigung der Krankenkasse eine Erstverordnung von Cannabisarzneimitteln ausstellen:

  • Geriatrie
  • Medikamentöse Tumortherapie
  • Palliativmedizin
  • Schlafmedizin
  • Spezielle Schmerztherapie

Für alle gilt grundsätzlich: Sie können freiwillig weiterhin eine Genehmigung bei der Krankenkasse einholen, wenn sie dies zur Absicherung möchten.

Verordnungsvoraussetzungen für Cannabis

Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis bei einer Erkrankung, die lebensbedrohlich ist, oder die aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt.

Des Weiteren müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung ist nicht verfügbar oder kann im Einzelfall nach ärztlicher Einschätzung unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes nicht angewendet werden.
  • Es besteht eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.

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