Erstverordnung von Cannabis: Kein Genehmigungsvorbehalt mehr für bestimmte Fachgruppen
17.10.2024 - Hausärzte und bestimmte Fachärzte müssen vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis ab sofort keine Genehmigung der Krankenkasse mehr einholen. Auf freiwilliger Basis ist dies aber weiterhin möglich. Der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses ist jetzt in Kraft getreten.
Der Wegfall des verpflichtenden Genehmigungsvorbehalts ist nicht an bestimmte Zusatzqualifikationen gebunden. „Wenn überhaupt Cannabis verordnet werden soll, dann muss dies natürlich auch für Hausärztinnen und Hausärzten ohne Genehmigungsvorbehalt möglich sein. Diese Forderung der KBV wurde erfüllt“, sagte KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister den PraxisNachrichten.
Hofmeister: Bei Unklarheiten vorab prüfen lassen
„Wichtig war uns außerdem, dass Ärztinnen und Ärzte weiterhin die Möglichkeit haben, eine Cannabistherapie vorab von der Krankenkasse prüfen zu lassen, wenn sie dies wünschen“, fuhr Hofmeister fort.
Mit Blick auf mögliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen rät er dazu, unbedingt die Verordnungsvoraussetzungen zu beachten und in unklaren Fällen freiwillig eine Genehmigung einzuholen. Dies gilt auch für das Ausstellen von Folgeverordnungen durch weiterbehandelnde Ärzte, wenn die Erstverordnung ohne Genehmigung erfolgt ist. Denn die Verordnungsvoraussetzungen für Cannabis gelten unverändert (siehe Infokasten) und werden von Krankenkassen in gewissem Umfang auch weiterhin geprüft.
Diese Ärzte benötigen keine Genehmigung mehr
Zu den Ärzten, für die der Genehmigungsvorbehalt entfällt, gehören neben Allgemeinmedizinern auch Anästhesisten, Internisten unabhängig von der Schwerpunktbezeichnung, Neurologen, Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Gynäkologen mit der Schwerpunktbezeichnung Gynäkologische Onkologie. Andere Ärzte, die eine bestimmte Zusatzbezeichnung wie Geriatrie oder Palliativmedizin vorweisen, dürfen ebenfalls ohne Genehmigung der Krankenkasse eine Erstverordnung von Cannabisarzneimitteln ausstellen (siehe Infokasten).
Für alle anderen Fachgruppen gilt weiterhin: Vor der ersten Verordnung von Cannabis muss die Krankenkasse grünes Licht geben.
G-BA erfüllt gesetzlichen Auftrag
Mit dem Beschluss hat der G-BA eine gesetzliche Vorgabe umgesetzt. Er sollte festlegen, bei welcher ärztlichen Qualifikation der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse für eine Cannabisverordnung gänzlich entfallen kann. Bislang war nur die spezialisierte ambulante Palliativversorgung von der Genehmigungspflicht befreit.
Verordnungshinweis zu Cannabisarzneimitteln
Cannabishaltige Fertigarzneimittel haben nach den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie Vorrang vor Blüten und Extrakten. Ärzte sollen deshalb vor der Verordnung von getrockneten Cannabisblüten oder -extrakten prüfen, ob zur Behandlung des jeweiligen Patienten geeignete Cannabisarzneimittel verfügbar sind. Eine Verordnung von Cannabisblüten müssen sie begründen.
Grundsätzlich ist – wie bei anderen Verordnungen auch – das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Für Cannabisblüten bedeutet das: Der Preis wird nach der sogenannten Hilfstaxe berechnet. Diese Vereinbarung zwischen Apothekern und Krankenkassen unterscheidet zwischen Medizinal-Cannabisblüten, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in den Markt gebracht hat, von sonstigen verfügbaren Cannabisblüten. Laut Hilfstaxe sind BfArM-Cannabisblüten preisgünstiger.
Cannabis verordnen: Diese Ärzte brauchen keine Genehmigung
Der verpflichtende Genehmigungsvorbehalt vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis entfällt bei diesen Fachgruppen:
- Allgemeinmedizin
- Anästhesiologie
- Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
- Innere Medizin
- Innere Medizin und Angiologie
- Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
- Innere Medizin und Gastroenterologie
- Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
- Innere Medizin und Infektiologie
- Innere Medizin und Kardiologie
- Innere Medizin und Nephrologie
- Innere Medizin und Pneumologie
- Innere Medizin und Rheumatologie
- Neurologie
- Physikalische und Rehabilitative Medizin
- Psychiatrie und Psychotherapie
Auch andere Ärztinnen und Ärzte, die eine der folgenden Zusatzbezeichnungen vorweisen, dürfen ohne Genehmigung der Krankenkasse eine Erstverordnung von Cannabisarzneimitteln ausstellen:
- Geriatrie
- Medikamentöse Tumortherapie
- Palliativmedizin
- Schlafmedizin
- Spezielle Schmerztherapie
Für alle gilt grundsätzlich: Sie können freiwillig weiterhin eine Genehmigung bei der Krankenkasse einholen, wenn sie dies zur Absicherung möchten.
Verordnungsvoraussetzungen für Cannabis
Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis bei einer Erkrankung, die lebensbedrohlich ist, oder die aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt.
Des Weiteren müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung ist nicht verfügbar oder kann im Einzelfall nach ärztlicher Einschätzung unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes nicht angewendet werden.
- Es besteht eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome.