Erwartungen an eine neue Bundesregierung
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Gassen: Grenzen der Belastbarkeit schon lange erreicht
13.03.2025 - Forderungen nach einem Ausgabenmoratorium bei den Gesundheitskosten hat der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, eine klare Absage erteilt. Ein Einfrieren der Ausgaben wäre ein fatales Signal an die Praxen und würde die ambulante Versorgung weiter schwächen, warnte er in einem Video-Interview. Vielmehr sei es notwendig, nach den Hausärzten endlich auch die Fachärzte zu entbudgetieren.
Gassen bezog sich auf eine Forderung des GKV-Spitzenverbands, der vor wenigen Tagen von der Politik eine Deckelung der Ausgaben im Gesundheitswesen verlangt hatte. Als Begründung hatte GKV-Chefin Doris Pfeiffer das milliardenschwere Defizit der Krankenkassen angeführt. Der AOK-Bundesverband hatte kurz zuvor ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Finanzen vorgelegt und unter anderem die Beibehaltung beziehungsweise Wiedereinführung der Honorarbudgets für Haus- und Kinderärzte gefordert. Gassen wies dies in dem Interview als „unverschämt“ zurück.
Kosten in den Praxen steigen
„Vieles funktioniert wirklich nur, weil die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen eigentlich das Prinzip der Selbstausbeutung praktizieren“, sagte Gassen weiter. Die Mehrheit der Praxen habe die Grenzen der Belastbarkeit schon seit Langem erreicht. Bis die Entbudgetierung der Hausärzte nun tatsächlich umgesetzt sei, werde auch noch einmal Zeit vergehen.
„Das heißt, wir haben es mit einer Struktur zu tun, die eigentlich einen Dauerrabatt von zehn Prozent einräumt“, fuhr Gassen fort. Es sei völlig klar, dass dieser Zustand keine Perspektive habe. Denn: „Die Kosten steigen natürlich auch in den Praxen. Personal- und sämtliche andere Kosten kennen ja nur einen Weg – nach oben. Und insofern ist ein Ausgabenmoratorium natürlich, als wenn man Feuer mit Benzin löschen wollte, das ist sicherlich dann das Totenglöckchen für die ambulante Versorgung, weil es natürlich das klare Signal senden würde, die Praxen sind der Politik und der Gesellschaft egal.“
Fatales Signal an die junge Generation
Wer diesen Weg ernsthaft beschreiten wolle, nehme dabei nicht nur in Kauf, dass ältere Ärztinnen und Ärzte sich früher aus der Versorgung verabschiedeten als geplant. Viel fataler wäre das Signal an die junge Generation, die in Hinsicht auf eine Niederlassung vollends abgeschreckt würde. Am Ende „würde es die Versorgungssicherheit Deutschlands innerhalb kürzester Zeit zur Disposition stellen“.
Gesundheitsversorgung aktuell nicht im Fokus der Politik
Der KBV-Vorstandsvorsitzende warnte davor, die Gesundheitsversorgung gering zu schätzen. Das Thema habe für einen großen Teil der Bevölkerung eine extrem wichtige Bedeutung. Für die meisten Menschen bedeute Gesundheitsversorgung nämlich Versorgung durch Praxen. „Und meines Erachtens ist es auch keine Überraschung, dass die SPD so desaströs abgeschnitten hat, weil die SPD natürlich diese Gesundheitspolitik der letzten drei Jahre zu verantworten hat.“
Wenn das Thema Gesundheit nun bei den Sondierungen von Union und SPD bislang nur sehr knapp behandelt worden sei und auch in einem möglichen Koalitionsvertrag eher kurz gehalten würde, müsse das allerdings auch kein Nachteil sein. Schließlich sei es nachvollziehbar, dass die Gesundheitspolitik angesichts der Weltlage nicht im Fokus der aktuellen Tagespolitik stehe.
Bürokratieabbau muss endlich kommen
Gleichwohl erwarte er deutliche Verbesserungen von einer neuen Regierung. Dazu gehörten aber nicht nur ein massiver Bürokratieabbau, sondern auch Investitionen in die digitale Infrastruktur, die eine Ersteinschätzung der Patienten bei Notfällen erleichtere, damit bestimmte Fälle nicht mehr in den Notaufnahmen landeten, die dort nicht hingehörten.
Persönlich gehe er davon aus, dass eine neue Bundesregierung als erstes das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz deutlich überarbeiten werde. „Das ist notwendig. Und eigentlich muss sich dann daran sofort eine Notfallreform anschließen, das eine ohne das andere macht wenig Sinn“, sagte Gassen.
Er habe insbesondere beim Thema Steuerung im Not- und Akutfall eine große Geschlossenheit bei der jüngsten Vertreterversammlung wahrgenommen, sagte der KBV-Chef. Aber auch bei anderen Themen im Bereich der Regelversorgung herrsche große Einigkeit, weiter gemeinsam an Vorschlägen und Lösungen zu arbeiten.
Die Bereitschaft an Lösungen zu arbeiten, gelte selbstverständlich nach wie vor auch beim Thema elektronische Patientenakte (ePA). Hier gelte aber auch, dass diese vor einem bundesweiten Start sicher und funktional sein müsse. Die bisherigen Tests hätten vor allem gezeigt, dass die ePA „lange noch nicht serienreif ist“.