Zweitmeinung auch beim Prostatakarzinom möglich
27.03.2025 - Ab 1. April ist die ärztliche Zweitmeinung auch beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ohne Metastasen möglich. Vertragsärzte, die als Zweitmeiner tätig werden wollen, können eine Genehmigung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte im September 2024 beschlossen, dass Patienten sich eine unabhängige zweite Meinung einholen können, wenn ihnen einer von drei möglichen Eingriffen zur Behandlung eines lokal begrenzten Prostatakarzinoms ohne Metastasen empfohlen wurde.
Konkret sind das die chirurgische Entfernung der Prostata (Prostatektomie), die perkutane Strahlentherapie oder die interstitielle Brachytherapie.
Entscheidung: Eingriff oder aktive Überwachung
Allerdings sind die verfügbaren kurativen Therapieoptionen mit einem Risiko für eingriffsbedingte Nebenwirkungen mit Einschränkungen der Lebensqualität behaftet. Anstelle der drei genannten Eingriffe kann zunächst auch die aktive Überwachung des Tumors mit regelmäßigen Kontrollen empfohlen werden.
Damit lassen sich gegebenenfalls negative Auswirkungen von einem der genannten drei operativen Eingriffe vermeiden. Deshalb soll der Patient bei der Zweitmeinung zum empfohlenen Eingriff und zu möglichen Therapiealternativen so informiert und beraten werden, dass er selbst eine Entscheidung treffen kann, ob ein operativer Eingriff oder die aktive Überwachung erfolgen soll.
Berechtigte Fachgruppen
Zur Zweitmeinung beim lokal begrenzten Prostatakarzinom ohne Metastasen sind Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtungen Urologie oder Strahlentherapie berechtigt. Sie können ab April eine entsprechende Genehmigung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beantragen und die Leistung nach Erhalt der Genehmigung durchführen und abrechnen.
Patienten werden die Zweitmeiner über die Website www.116117.de/zweitmeinung finden. Zweitmeiner beraten in Bezug auf den empfohlenen Eingriff und mögliche Therapie- oder Handlungsalternativen, um Betroffenen eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.
Außerdem: Weitere Fachgruppe bei Aortenaneurysmen
Bereits seit Oktober 2024 besteht vor Eingriffen an Aortenaneurysmen Anspruch auf ärztliche Zweitmeinung. Hier hatte der G-BA im Dezember beschlossen, dass auch interventionelle Radiologen zu einer Zweitmeinung berechtigt sind. Dieser Beschluss ist im März in Kraft getreten.
Auch hier müssen Fachärztinnen und Fachärzte zunächst eine Genehmigung bei der KV beantragen. Neben den Radiologen sind bereits die Fachgruppen Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Innere Medizin und Angiologie und Innere Medizin und Kardiologie zur Zweitmeinung bei Eingriffen an Aortenaneurysmen berechtigt.
Information und Abrechnung
Ärztinnen und Ärzte („Erstmeiner“) sind bei den genannten planbaren Eingriffen verpflichtet, ihre Patienten über den Rechtsanspruch auf eine Zweitmeinung zu informieren. Alles Wichtige zum Thema Zweitmeinung stellt die KBV auf einer Themenseite bereit (siehe „Mehr zum Thema“).
Details zum Zweitmeinungsverfahren Prostatakarzinom
Ärztinnen und Ärzte der Fachrichtungen Urologie oder Strahlentherapie können ab 1. April 2025 eine Genehmigung zur Zweitmeinung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen. Sie müssen alle Leistungen des Zweitmeinungsverfahrens bei der Abrechnung nach bundeseinheitlichen Vorgaben eingriffsspezifisch kennzeichnen.
Für die Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit dem Zweitmeinungsverfahren bei Eingriffen beim Prostatakarzinom durch den „Erstmeiner“ ist die bundeseinheitliche GOP 01645L vorgesehen. Der „Zweitmeiner“ muss eine indikationsspezifische Kennzeichnung aller im Zweitmeinungsverfahren durchgeführten und abgerechneten Leistungen als Freitext im Feld freier Begründungstext (KVDT‐Feldkennung 5009) mit Code 88200L vornehmen.
Regelungen zur Vergütung beim Zweitmeinungsverfahren Prostatakarzinom
Die für die Vergütung notwendigen Gebührenordnungspositionen (GOP), die „Erstmeiner“ und „Zweitmeiner“ abrechnen können, sind bereits im EBM enthalten. Nach Erteilung der KV-Genehmigung können Ärztinnen und Ärzte diese abrechnen.
„Erstmeiner“: Der Arzt, der die Indikation stellt, kann für die Aufklärung und Beratung im Zusammenhang mit dem ärztlichen Zweitmeinungsverfahren die GOP 01645 einmal im Krankheitsfall (vier Quartale) abrechnen. Diese ist mit 75 Punkten bewertet. Die Leistung beinhaltet auch die Zusammenstellung aller erforderlichen Unterlagen für den Patienten.
„Zweitmeiner“: Die Abrechnung der Zweitmeinung ist im Abschnitt 4.3.9 „Ärztliche Zweitmeinung“ im Allgemeinen Teil des EBM geregelt. Danach rechnet der Arzt, der die Zweitmeinung abgibt, für den Patienten seine jeweilige arztgruppenspezifische Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale ab. Sind für seine Beurteilung ergänzende Untersuchungen notwendig, kann er diese ebenfalls durchführen, muss sie aber medizinisch begründen.
Hinweis: Die Vergütung der Leistungen erfolgt ab Inkrafttreten des jeweiligen Zweitmeinungsverfahrens für drei Jahre extrabudgetär.
Planbare Eingriffe mit Anspruch auf Zweitmeinung
Vor diesen Eingriffen, sofern sie planbar sind, können Versicherte eine zweite Meinung einholen:
- Mandeloperationen (Tonsillektomie, Tonsillotomie)
- Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien)
- Arthroskopische Eingriffe an der Schulter
- Amputationen beim diabetischen Fußsyndrom
- Implantationen einer Knieendoprothese
- Eingriffe an der Wirbelsäule
- Kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen und Ablationen am Herzen
- Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren
- Entfernung der Gallenblase
- Hüftgelenkersatz
- Aortenaneurysmen
- Prostatakarzinom
Gesetzlicher Anspruch auf ärztliche Zweitmeinung
Der Anspruch auf Zweitmeinung ist in Paragraf 27b SGB V geregelt. Demnach haben gesetzlich Versicherte einen Rechtsanspruch auf Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung bei bestimmten planbaren Eingriffen. Im Gesetz ist auch festgelegt, dass die Krankenkassen die Kosten tragen, die Ärztinnen und Ärzten durch die Bereitstellung von Befundunterlagen zur Zweitmeinung entstehen. Die Verfahrensregeln für die Zweitmeinung hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegt.