Gassen: „Wir müssen impfen, impfen, impfen“
Nur durch schnelleres Impfen in den Haus- und Facharztpraxen sieht der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, die Chance, aus dem Pandemie-Modus zurück zur ersehnten Normalität zu kommen. Bei der digitalen KBV-Vertreterversammlung forderte er heute: „Wenn wir aus der Dauerspirale von Lockdowns, Rücknahme von Einschränkungen und deren erneuter Verschärfung rauskommen wollen, dann müssen wir impfen, impfen, impfen.“
Berlin, 26. März 2021 – Der KBV-Chef verwies auf erfolgreiche Beispiele: „Während andere Länder impfen, wo und wie es nur geht, doktert Deutschland an immer neuen Verordnungen und anderen bürokratischen Vorgaben – statt die Praxen einfach machen zu lassen.“ Nahezu alle Länder, die schneller impfen würden als Deutschland, bekämen die Pandemie in den Griff: In Israel, den USA und Großbritannien sänken die Infektions- und Sterbezahlen. „Israel macht Party – wir machen Lockdown.“
Gassen erinnerte an eine Aussage zu Beginn der Corona-Krise, als es hieß: Pandemie sei nichts für Amateure. „Es wäre dann eigentlich eine gute Idee, endlich mal die Profis, nämlich die niedergelassenen Haus- und Fachärzte, ihren Job machen zu lassen. Praxen und KVen stehen bereit und wollen endlich anfangen!“
Langfristig könne das Impfen ohnehin nur in Praxen stattfinden, erklärte Gassen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die COVID-19-Schutzimpfung regelmäßig an das sich verändernde Virus angepasst und Impfungen wiederholt werden müssten. „Dann wird es ähnlich wie bei der jährlichen Grippe-Schutzimpfung laufen müssen. Spätestens dann wird das Impfen auch gegen Corona zur Routine werden müssen.“ Das gehe nicht ohne die Praxen und deren ärztliches Knowhow und ohne die geübten Distributionswege. „Zum Impfen gehen die Menschen zum Arzt, das war immer so und wird auch immer so bleiben“, sagte Gassen.
Von einigen Politikern vermisst der KBV-Chef die Anerkennung der Leistung der Praxen in der Pandemie: „Seit Monaten werden der Öffentliche Gesundheitsdienst, Krankenhäuser und Pflege hofiert und mit Zuwendungen bedacht.“ Das sei in den meisten Fällen auch völlig berechtigt. „Die Praxen scheinen jedoch zu einer Randerscheinung der Versorgung degradiert zu werden.“
Fast auf den Tag genau ein Jahr sei es her, dass Minister Spahn betont hätte, dass die Niedergelassenen den „ersten Schutzwall“ im Kampf gegen das Virus bilden. „Seither werden sie kaum noch von der großen Politik erwähnt“, monierte Gassen. „Und das angesichts der Tatsache, dass seit Beginn der Pandemie bis heute die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte den Löwenanteil der COVID-19-Patienten versorgt haben und immer noch versorgen.“
Gassen kritisierte zudem die Ereignisse im Erweiterten Bewertungsausschuss (EBA), wo die Finanzierung der stark gestiegenen Hygienekosten in den Praxen geklärt werden sollte. Auf Basis einer Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zu Hygienekosten in Vertragsarztpraxen hätte die KBV 368 Millionen Euro gefordert. Von Seiten der Unparteiischen seien für diesen Zweck 90 Millionen Euro geboten worden.
„Doch damit nicht genug. Gekoppelt wurde dieses Angebot mit einer Absage für alle weiteren Finanzierungsschritte für Digitalisierungsmaßnahmen“, so Gassen weiter. Die Begründung hierfür laute, die Mehrkosten ließen sich im Gegenzug durch Einsparungen und geringere Bürokratiekosten ausgleichen. Gassen: „In einer Pandemie Kosten für Hygienemaßnahmen nicht gegenfinanzieren zu wollen ist ja schon ein Affront an sich.“ Dann aber auch noch zu behaupten, die Ärzte würden beim derzeitigen Stand der Dinge durch die Digitalisierung sparen, sei an Zynismus kaum noch zu überbieten. Gassen stellte klar: „Wir werden diesen ,Nichtbeschlussʻ des EBA nicht einfach hinnehmen. Das Maß an Missachtung der Niedergelassenen ist voll!“