Hofmeister: „Impfkampagne darf keine Achterbahnfahrt sein“
Dass die Arztpraxen in der Corona-Pandemie nicht erst durch das Impfen zum Gamechanger geworden sind, hat der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Stephan Hofmeister, verdeutlicht: „Vielmehr haben sie von Anfang an und im wahrsten Sinne des Wortes an vorderster Stelle dazu beigetragen, dass Deutschland der Pandemie bislang vergleichsweise gut die Stirn bieten konnte“, sagte er heute bei der digitalen KBV-Vertreterversammlung.
Berlin, 3. Mai 2021 – Als Beleg führte Hofmeister verschiedene Kennzahlen an: So seien bis heute 93 Prozent der Covid-19-Infizierten ambulant behandelt worden und hätten nicht ins Krankenhaus gemusst. Auch etwa 90 Prozent aller PCR-Tests seien in vertragsärztlichen Praxen durchgeführt worden. Von Februar bis Ende Dezember 2020 habe es insgesamt knapp 20 Millionen ambulante Behandlungen im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion gegeben. „Und nun folgen die Impfungen gegen Covid-19, bislang schon fünf Millionen allein in den Praxen“, so der KBV-Vize.
Mit Blick auf erste Ergebnisse der diesjährigen KBV-Versichertenbefragung speziell zur Corona-Thematik, verwies Hofmeister auf das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Haus- und Fachärztinnen und -ärzte in der Pandemie. Drei Viertel der befragten Bürgerinnen und Bürger hätten sich dafür ausgesprochen, dass die Niedergelassenen früher in das Impfgeschehen hätten einbezogen werden sollen. „Ganz offensichtlich wissen die Menschen hierzulande, was sie an ihren Ärztinnen und Ärzten haben“, konstatierte Hofmeister. Nur die Politik, oder zumindest bestimmte Teile, zeigten sich hiervon unbeeindruckt.
Hofmeister: „Dabei müsste spätestens in der Pandemie eigentlich auch dem Letzten klargeworden sein, welch tragende Säule unserer Gesellschaft die ambulante Versorgung in Deutschland darstellt. Diese dezentralen Strukturen aus inhabergeführten Praxen, die uns im Vergleich mit vielen anderen, auch europäischen Staaten so deutliche Vorteile verschafft haben, diese Strukturen sind nicht naturgegeben.“
Aktuell beteiligten sich rund 65.000 Praxen in ganz Deutschland an der Immunisierung der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2, führte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende aus. Hofmeister forderte die Einhaltung von Lieferzusagen der Impfstoffe an die Praxen, damit diese Planbarkeit für ihr Terminmanagement hätten: „Wenn die Zahl der verfügbaren Impfdosen allerdings nicht reicht, um die anstehenden Zweitimpfungen und weitere Erstimpfungen in den Praxen zugleich anzubieten, wonach es aktuell zumindest für einige Zeit aussieht, dann bringt das die Impfkampagne ins Stocken.“
Hofmeister warnte zudem vor der politisch geforderten Ausdehnung der Zweitimpfungsintervalle auf den letztmöglichen Termin: „Auch hier wird medizinisch und organisatorisch Sinnhaftes durch politisch Vordergründiges übersteuert.“ Die zugrundeliegende Ursache für diese Regelung sei am Anfang der Impfkampagne zu suchen, als nicht sichergestellt worden sei, dass ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehe. „Die Impfkampagne darf keine Achterbahnfahrt zu Lasten von Patienten und Praxen sein!“, appellierte Hofmeister. „Hier bedarf es Verlässlichkeit und der vollen Unterstützung der Praxen seitens der Politik, damit Deutschland beim Impfen nicht aus der Kurve fliegt.“
Dass auf politischer Ebene viel zu wenig über die Auswirkungen der Maßnahmen in der Corona-Pandemie gesprochen werde, kritisierte Hofmeister: „Vom Preis, den wir als Gesellschaft für all das zahlen, sehen wir bisher bestenfalls die Spitze des Eisbergs.“ Was allerdings feststehe, sei, dass Kinder und Jugendliche einen besonders hohen Preis zahlen. Darauf machten nicht nur Kinder- und Jugendärzte sowie -psychotherapeuten schon seit Monaten immer wieder aufmerksam.
Wenn es jetzt endlich Hoffnung auf ein absehbares Ende des Ausnahmezustandes und einen Ausweg aus der Pandemie gebe, so liege das maßgeblich an der andauernden Bereitschaft, maximalen Flexibilität und enormen Leistungsfähigkeit der vertragsärztlichen Praxen und ihrer großartigen Praxisteams, so Hofmeister: „Die Politik sollte das endlich anerkennen und danach handeln. Wann, wenn nicht jetzt?“