Hofmeister: „Schluss mit Gruselrhetorik und Panikpolitik!“
Die Aufhebung aller staatlich veranlassten Restriktionen der Corona-Pandemie hat Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), auf der heutigen Vertreterversammlung in Berlin gefordert.
Berlin, 17. September 2021 – „Wenn eine Impfpflicht nicht gewollt ist – und auch ich will sie nicht – dann gibt es politisch nur diese Alternative“, sagte der KBV-Vize. Jeder, der sich mit einer Impfung schützen möchte, könne das tun. Die Möglichkeiten dazu seien reichlich vorhanden. Hofmeister: „Jetzt liegt es nicht mehr in der Verantwortung des Staates, sondern in der individuellen Verantwortung jedes und jeder Einzelnen.“
Hofmeister appellierte an die Politik zu kommunizieren, dass die Impfung vor allem eine Entscheidung für die eigene Gesundheit sei. Umfragen würden zeigen, dass sich manche Menschen aus Protest gegen politischen Druck nicht impfen lassen. Hier fände eine „ungute Vermischung“ statt, so Hofmeister. Leider werde immer noch versucht, mit Angst Politik zu machen. Hofmeister forderte: „Es muss endlich Schluss sein mit Gruselrhetorik und Panikpolitik!“
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende kritisierte außerdem das Vorpreschen der Politik bei Booster-Impfungen: „Die geringere Nachfrage nach Erstimpfungen soll nun mit Auffrischimpfungen für die bereits Immunisierten kompensiert werden.“ Die Politik schaffe mit einer neuen Impfverordnung Tatsachen, bevor die medizinischen Fakten auf dem Tisch lägen. Diesbezüglich setze er auf eine baldige Empfehlung der Ständigen Impfkommission. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen könnten sich viele Diskussionen ersparen, wenn es nicht nur ein ministeriell ,gefühltesʻ Mehr an Sicherheit gäbe, sondern eine echte, evidenzbasierte medizinische Empfehlung für die Booster-Impfungen.“
Hofmeister erinnerte daran, dass die Vertragsärztinnen und -ärzte mit ihren Teams bisher über 42 Millionen Impfstoffdosen gegen Covid-19 verimpft haben - rund 41 Prozent aller hierzulande verabreichten Impfungen. „Der Spitzenwert in den Praxen lag bei 3,4 Millionen Impfungen pro Woche – deutlich mehr, als die Impfzentren je erreicht haben“, so der KBV-Vize. „Fast zwei Drittel aller Vertragsärztinnen und -ärzte haben sich an der Impfkampagne beteiligt, bei den Hausärztinnen und -ärzten waren es knapp 95 Prozent.“
Hofmeister befasste sich in seiner Rede außerdem mit der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (sQS). Er unterstrich die KBV-Forderung nach einer Neuausrichtung der sQS: „Aus einer grundsätzlich guten Idee ist ein Ungetüm erwachsen, dass mehr Drangsal schafft, als dass es Hilfe bietet. Es ist ein hyperkomplexes System voller bürokratischer Regularien entstanden, das für alle Beteiligten mit enormem Aufwand verbunden ist.“ Ärztinnen und Ärzte seien teilweise länger mit zusätzlicher Dokumentation beschäftigt als mit der eigentlichen Behandlung. „Diese Art der Qualitätssicherung hilft niemandem!“, betonte Hofmeister. Die sQS müsse zielgerichteter, differenzierter, schlanker und weniger komplex werden.
Mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen bedauerte Hofmeister, dass sich keine der größeren potenziellen Regierungsparteien in ihrem Programm klar und eindeutig zur ambulanten Versorgung und zum KV-System bekenne: „Teilweise werden die Vertragsärzte und Psychotherapeuten nicht einmal erwähnt!“
Er warnte vor möglichen politischen Konstellationen, die einen kompletten Systemwechsel herbeiführen wollten. Nie zuvor habe eine Legislaturperiode wie die zu Ende gehende den Wert der ambulanten Versorgung derart unter Beweis gestellt. „Auch in diesem Jahr – das in vielem so anders war als alle vorherigen – hat unsere Versichertenbefragung gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger ihren Ärzten vertrauen und die ambulante Versorgung in hohem Maße wertschätzen“, verdeutlichte Hofmeister. Der Politik bot er für künftige Herausforderungen Know-how und Unterstützung an und verwies dabei auf das KBV-Positionspapier: „Die Punkte dort sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass die wohnortnahe, hochwertige und persönliche Versorgung der Menschen hierzulande erhalten und zukunftsfähig bleibt.“