„Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten“
„Die Maske ist gefallen. Karl Lauterbach will die Versorgung der Bürger einschränken. Dieses Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten in Deutschland. Und das müssen wir den Menschen auch so sagen“, kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), in einer ersten Reaktion den heute im Kabinett verabschiedeten Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes.
27. Juli 2022 – Darin ist vorgesehen, dass die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführte Neupatientenregelung gekippt und die Leistungen der sogenannten offenen Sprechstunde einer unbefristeten Bereinigung unterliegen sollen.
„Der Minister behauptet, die Neupatientenregelung habe nichts gebracht. Das stimmt einfach nicht. Aktuell hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nachgewiesen, dass mehr als jeder vierte gesetzlich versicherte Patient von der Regelung begünstigt wurde. Im vierten Quartal 2021 wurden in den Praxen 20 Millionen Neupatienten behandelt“, stellte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, klar. Zudem hätten 99 Prozent aller Praxen Neupatienten behandelt. Er kritisierte zudem, dass nun auch die offene Sprechstunde damit eigentlich „tot“ sei.
„Mit diesem Gesetz konterkariert der Minister den Koalitionsvertrag, nachdem die ambulante Versorgung gestärkt werden sollte. Nun wird es so sein, dass die Kolleginnen und Kollegen gar nicht mehr anders können als das Terminangebot zurückzufahren“, sagte KBV-Chef Gassen. Er führte aus, dass die Neupatientenregelung den Praxen nicht mehr Geld eingebracht habe, sondern nur, dass der volle Betrag ohne Budgetierung bezahlt worden sei. Dabei sei es Lauterbach selbst gewesen, der sich für die Regelung stark gemacht habe.
So heißt es im Textarchiv des Deutschen Bundestags:
Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) wertete das TSVG als einen Schritt weg von der Zweiklassenmedizin. Gesetzlich versicherte Patienten müssten derzeit teilweise monatelang auf einen Arzttermin warten. Das sei unwürdig für ein so reiches Land wie Deutschland. Die außerbudgetären Vergütungen für Ärzte seien sinnvoll, da gerade neue Patienten viel Arbeit machten und mehr Zeit in Anspruch nähmen. Wenn eine unterbezahlte Leistung besser bezahlt werde, sei das richtig, zumal Patienten, wenn sie derzeit keine Ärzte fänden, zur Behandlung in die Kliniken auswichen. Quelle: Bundestag, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung.
Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG
Der KBV-Vorstand kündigte an, sich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Berufsverbänden zum weiteren Vorgehen zu beraten und abzustimmen. „Es ist ein fatales Signal, dass wir uns auf den politisch gesetzten Rahmen nicht mehr verlassen können. Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen haben unter größten Mühen ihren Praxisbetrieb umorganisiert und neue Termine geschaffen. Nun wird das mit einem Federstrich wieder zunichtegemacht. Dieser Vertrauensbruch seitens der Politik wird noch lange nachwirken“, erklärten Gassen und Hofmeister.
Zum Hintergrund:
Laut Zi wurden Kinder und Jugendliche sowie Patienten in den erwerbsfähigen Altersgruppen besonders häufig als Neupatienten behandelt. Am höchsten ist der Anteil der Neupatienten mit 29 Prozent in der Altersgruppe 20 bis 39 Jahre. Blickt man auf Behandlungsanlässe, ergibt sich ein heterogenes Bild. In allen Fachgruppen haben Behandlungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt den höchsten Anteil der Neupatientenfälle, Krankheiten des Ohres, Auges, Infektionskrankheiten sowie Krankheiten des Atmungssystems führen die Liste an.