Holetschek: Lauterbach muss GKV-Gesetz rasch korrigieren - Gipfeltreffen des bayerischen Gesundheitsministers mit hochrangigen Vertretern des deutschen Gesundheitswesens in München
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek pocht gemeinsam mit hochrangigen Vertretern des deutschen Gesundheitswesens auf Korrekturen am geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz der Bundesregierung.
München, 26. September 2022 - Der Minister traf sich am Montag in München mit dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, dem Präsidenten der Bayerischen Landeszahnärztekammer und Vorstand der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns, Christian Berger, dem Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, dem Vorsitzenden des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, Dr. Hans-Georg Feldmeier, dem Vorsitzenden des Bayerischen Apothekerverbands, Dr. Hans-Peter Hubmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Dr. Wolfgang Krombholz, sowie der Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer und des Verbands Freier Berufe Bayern, Franziska Scharpf.
Holetschek betonte nach dem Gipfeltreffen im bayerischen Gesundheitsministerium: „Wir sind uns einig: Der bisherige Entwurf von Karl Lauterbach ist nicht tragbar. Der Bundesgesundheitsminister muss die Kritik und Vorschläge aus den Reihen der Verbände und der Länder ernst nehmen. Wir müssen jetzt gemeinsam nach einer langfristigen Lösung suchen.“
Holetschek ergänzte: „Die Pandemie hat uns deutlich gezeigt, wie wichtig ein stabiles Gesundheitssystem für eine funktionierende Gesellschaft ist. Und die gesetzliche Krankenversicherung ist die Basis unseres Gesundheitssystems. Eine stabile Finanzierung ist das A und O! Das Gebot der Stunde muss Stabilisierung sein – nicht Destabilisierung.“
Holetschek unterstrich: „Der Bundesgesundheitsminister hat versprochen, dass die Versicherten keine Leistungskürzungen zu befürchten haben. Deshalb muss an der Neupatientenregelung festgehalten werden, bei der Ärzte die Behandlung neuer Patientinnen und Patienten außerhalb der Gesamtvergütung – also ohne Budgetierung – abrechnen können. Die geplante Streichung der Neupatientenregelung wird die Wartezeiten in den Arztpraxen eher noch erhöhen.“
Holetschek fügte hinzu: „Im zahnärztlichen Bereich müssen die geplanten Regelungen zur Rationierung der gerade erst aufgenommenen Parodontitistherapie gestrichen werden. Sonst ist eine Verschlechterung der zahnärztlichen Versorgung zu besorgen.“
Holetschek kritisierte: „Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, dass nur noch bestimmte Berufsgruppen in der Pflege in Krankenhäusern durch die Kostenträger vollständig refinanziert werden. Dies wird aber die große Belastung der Pflegekräfte nicht lindern, sondern sogar weiter verschärfen.“
Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, ergänzte: „Es ist gut, dass wir heute mit einem breiten Bündnis von Landespolitik und Verbänden auftreten und gemeinsam betonen: Die Neupatientenregelung muss bleiben. Entgegen der Ankündigung des Bundesgesundheitsministers wäre eine Streichung leider unausweichlich verbunden mit Leistungskürzungen für die Patientinnen und Patienten. Die Neupatientenregelung wurde erst 2019 unter großem Zuspruch des MdB Lauterbach eingeführt und soll nun wieder auf Drängen des Bundesgesundheitsministers Lauterbach gestrichen werden. Die Folge wäre ein enormer Vertrauensverlust bei den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen sichere und verlässliche politische Rahmenbedingungen, keine willkürlich anmutenden Schnellschüsse.“
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagte: „Durch die jetzt geplante Rücknahme der Neupatientenregelung werden der Patientenversorgung rund 400 Millionen Euro fehlen. Diese Honorarkürzungen für Ärztinnen und Ärzte sind nichts anderes als Leistungskürzungen für Patientinnen und Patienten durch die Hintertür. Statt undurchdachter Rotstiftpolitik zur kurzfristigen Stabilisierung der Kassenfinanzen brauchen wir nachhaltige, strukturelle Reformen bei der Krankenkassenfinanzierung. Dazu gehört eine dauerhafte Anhebung und Dynamisierung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds zum Ausgleich der versicherungsfremden Leistungen. Denkbar ist, Teile der Einnahmen aus der Alkohol- und Tabaksteuer als zweckgebundene Abgabe für die GKV-Finanzierung heranzuziehen. Zur Entlastung der Kassen muss der Bund endlich seiner Verantwortung gerecht werden und die Gesundheitsversorgung von ALG-II-Empfängerinnen und -Empfängern kostendeckend refinanzieren. Außerdem sollte der Gesetzgeber den Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel von jetzt 19 Prozent auf sieben Prozent reduzieren, so wie schon jetzt bei Grundnahrungsmitteln und Tierarzneimitteln. Allein das würde die Krankenkassen um rund sechs Milliarden Euro im Jahr entlasten und das gesamte System nachhaltig stabilisieren.“
Christian Berger, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns, betonte: „Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist ein Frontalangriff auf die zahnärztliche Patientenversorgung in Bayern. Für begrenzte Mittel kann es auch nur begrenzte Leistungen geben.“
Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, betonte: „Der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen ist jetzt schon enorm. Die vom Bundesgesundheitsminister geplante Kürzung von 20.000 Stellen im Krankenhaus für unterstützende Tätigkeiten für die Pflege am Patientenbett würde ausgerechnet dort den Fachkräftemangel nochmals dramatisch verschärfen. Auch die geplante, massive Kürzung der GKV-Rücklagen würde die Probleme weiter zuspitzen, weil die Krankenkassen den Druck an das Gesundheitswesen weitergegeben würden. Dies muss verhindert werden.“
Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, sagte: „Explodierende Energie- und Rohstoffpreise sowie fragile Lieferketten belasten die deutsche Pharmaindustrie außerordentlich stark. Wir sind der einzige Industriezweig, der Kostensteigerungen nicht an anderer Stelle refinanzieren kann. Dazu kommen weitere Sparpläne aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Damit gefährdet der Bundesgesundheitsminister den Pharmastandort Deutschland und ein sichere Arzneimittelversorgung. Das Gesetz muss daher dringend angepasst werden!"
Dr. Hans-Peter Hubmann, 1. Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes e. V., ergänzte: „Wir weisen die neuen Sparpläne der Bundesregierung an der lokalen Arzneimittelversorgung scharf zurück und fordern stattdessen Planungssicherheit und eine angemessene Vergütungsanpassung aufgrund drastisch gestiegener Kosten. Die Apotheken vor Ort haben bewiesen, dass sie für ein krisenfestes Gesundheitswesen unverzichtbar sind. Das muss politisch jetzt endlich honoriert werden.“
Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, ergänzte: „Die angedrohte Rücknahme der Neupatientenregelung hat das Fass für die bayerischen Praxen zum Überlaufen gebracht. Nicht nur dieser Wortbruch der Berliner Politik sorgt für Frust: Auch das unangemessen niedrige Honorarplus, das weder die Inflation noch die explodierenden Energie- und Personalkosten in den Praxen ausgleichen wird, ein EBM, der zur Zwangsjacke der vertragsärztlichen Versorgung geworden ist, sowie eine fehleranfällige Telematikinfrastruktur, die wertvolle Zeit für die Patientinnen und Patienten kostet, sind Motivationskiller für die Praxen und alle ihre Mitarbeitenden, denen weiterhin ein staatlicher Coronabonus vorenthalten wird. Dies gefährdet nachhaltig die ambulanten Versorgungsstrukturen in Bayern.“
Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, unterstrich: „Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist ein unprofessionell gestricktes Spargesetz. Die Streichung der Neupatientenregelung ist keine geeignete Maßnahme und muss rückgängig gemacht werden. Wir brauchen Gesetze, die nachhaltig die GKV stabilisieren und von versicherungsfremden Leistungen befreien.“
Franziska Scharpf, Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer, kritisierte: „Durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz werden die Anstrengungen der Apotheken, die seit Jahren einen enormen Beitrag in der Solidargemeinschaft und im Gesundheitswesen leisten, zunichtegemacht. Es verschärft die angespannte personelle und wirtschaftliche Situation der Apotheken, nachdem auch seit Jahren keinerlei Honoraranpassungen von Seiten der Politik erfolgten. Höhere Tariflöhne, steigende Energiekosten und die allgemeine Inflation bedeuten enorme finanzielle Belastungen für die Apotheken, die nicht einfach an Patientinnen und Patienten weitergegeben werden können. Dadurch werden voraussichtlich weitere Apotheken schließen müssen, wodurch sich die wohnortnahe Arzneimittelversorgung verschlechtern würde.“
Holetschek betonte: „Die Menschen müssen sich in diesen turbulenten Zeiten zumindest auf ein funktionierendes Gesundheitssystem verlassen können. Es kann nicht sein, dass sie in unserem Land noch weiter finanziell belastet werden und sich gleichzeitig ihre medizinische Versorgung in vielen Bereichen verschlechtert.“ Der Minister ergänzte: „Wenn im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz einerseits Reserven der Krankenkassen abgeschöpft werden und die Versorgung der Menschen verschlechtert wird, andererseits notwendige Reformen nicht angepackt werden, dann ist das falsch und absolut kontraproduktiv.“
Holetschek forderte zugleich mehr Tempo bei den von Lauterbach angekündigten neuen Vorschlägen. Er warnte: „Nicht nur die GKV-Finanzen sind kritisch. Wir brauchen auch einen Schutzschirm gegen die steigenden Energiekosten. Klar ist auch: Die Unterstützung muss schnell und unbürokratisch kommen.“
Holetschek fügte hinzu: „Bayern setzt sich bereits seit Wochen dafür ein, dass die Bundesregierung die immer stärkere finanzielle Belastung der Krankenhäuser, Reha- und ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen auffängt. Deswegen haben wir auch vergangene Woche eine entsprechende Bundesratsinitiative wegen der außerordentlichen Steigerungen bei Energie- und Sachkosten gemeinsam mit Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein eingebracht. Ich fordere Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf, bei der Ministerpräsidentenkonferenz endlich ein Entlastungspaket für diese Einrichtungen vorzulegen – sonst sehe ich einen Blackout der Versorgung auf uns zukommen.“