Aus für Neupatientenregelung: „Beschluss macht Kürzung von Leistungen unvermeidlich und ist ein weiteres fatales Signal in Richtung Praxen“
Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) kritisiert mit deutlichen Worten die heutige Entscheidung des Bundestags, die Neupatientenregelung zu streichen.
Berlin, 20. Oktober 2022 - „Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen, die aktuell mit immensen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, sind frustriert und maßlos enttäuscht von diesem Beschluss. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu weiteren Protesten gegen die Streichung der Neupatientenregelung und die damit verbundenen Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten kommen wird“, kommentierte KBV Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen das Parlamentsvotum. „Das vermeintliche Zugeständnis der Ampelkoalition, durch die Terminservicestellen den Wegfall der Neupatientenregelung zu kompensieren, ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Die Abschaffung der Neupatientenregelung in Kombination mit der Beschränkung der Finanzierung der offenen Sprechstunde im Rahmen des GKV Finanzstabilisierungsgesetzes sorge dafür, die Lage der ohnehin chronisch unterfinanzierten ambulanten Versorgung weiter zu verschlechtern, und sende das Signal, dass Praxen zwar der Lastesel der Versorgung sind, aber im Gegensatz zu Krankenhäusern keine angemessene finanzielle Ausstattung bekommen.
„Dieser Beschluss ist Ausdruck fehlender Wertschätzung für die Arbeit der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten“, kritisierte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender. Die Bundesregierung und der Bundesgesundheitsminister müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, dass sie Patientinnen und Patienten hierzulande entgegen aller Versprechungen mit diesem Vorstoß massiv Leistungen kürzen. „Am Erhalt einer hochwertigen und wohnortnahen ambulanten Versorgung – mit fast 700 Millionen Behandlungsfällen pro Jahr sowie über einer Milliarde Arzt-Patientenkontakten – scheinen die politisch Verantwortlichen nicht interessiert zu sein“, so Hofmeister.
KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel bezweifelte nach diesem Votum, dass Politik die ambulante Struktur als schützenswert erachte: „Dabei sind die über 100.000 Praxen das Rückgrat der Versorgung in unserem Land.“ Dieser Bundestagsbeschluss sorge jedoch dafür, die ambulante Struktur insgesamt weiter auszuhöhlen. „Dabei wäre es wichtig, diese Struktur zu stärken und die Leistung der Niedergelassenen anzuerkennen.“
Die positive Wirkung der Neupatientenregelung ist unbestritten: Im ersten Quartal 2022 war die Zahl der Neupatientenfälle mit 27,1 Millionen so hoch wie noch nie seit Einführung der Regelung 2019, hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) kürzlich ermittelt.