Hofmeister: „Corona-Impfung nicht in Hauruck-Aktion in die Regelversorgung überführen!“
Vor einem Chaos bei einer Überführung der Corona-Schutzimpfungen in die Regelversorgung bereits zum 1. Januar 2023 hat Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die Politik auf der heutigen Vertreterversammlung in Berlin gewarnt.
Berlin, 2. Dezember 2022 - „Wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, mitten in der Hochphase für Atemwegserkrankungen das mittlerweile einigermaßen funktionierende Verfahren ändern zu wollen, ist mir schleierhaft“, kritisierte Hofmeister. „Die COVID-19-Schutzimpfung in die Regelversorgung zu überführen ist von der Sache her richtig, kann aber nicht in einer Hauruck-Aktion umgesetzt werden!“ Aus KBV-Sicht bedürfe es zunächst einmal einer Anpassung der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, denn die beziehe sich bislang nur auf die Sondersituation der Pandemie.
Auch sonst seien viele Rahmenbedingungen noch nicht geklärt. Hofmeister: „Angefangen bei den Lieferwegen bis hin zu der Notwendigkeit, dass Praxen aufgrund der geringen Nachfrage endlich Einzeldosen erhalten müssen, um den Verfall einer Unmenge von Impfstoff zu vermeiden und um die Ärztinnen und Ärzte vor Regressen zu schützen, wenn sie keine Abnehmer für die Impfungen finden.“ All das sei nicht ohne entsprechenden zeitlichen Vorlauf zu regeln, ansonsten ende das Ganze im Chaos. „Bis hin zu der Konsequenz, dass ab Januar gar keine Corona-Schutzimpfungen mehr erfolgen könnten, was ein völliges Unding wäre“, so Hofmeister.
Die im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gegen die Stimmen der KBV getroffene Entscheidung, die COVID-Impfung „prophylaktisch“ in eine Schutzimpfungsrichtlinie zu überführen, löse das Problem eben nicht, erklärte der KBV-Vize. „Sollte die aktuelle Corona-Impfverordnung nicht verlängert werden, gibt es kein realistisches Szenario, wie auf Basis einer Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA getroffener regionaler Impfvereinbarungen zum 1. Januar 2023 die Impfungen fortgesetzt werden könnten“, sagte Hofmeister.
Zudem beklagte Hofmeister die nach wie vor vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) verlangte und jetzt sogar noch kleinteiligere Impfdokumentation. „Die überbordenden Meldevorgaben sind nicht mehr zeitgemäß und müssen dringend an das Prozedere bei anderen Impfungen angepasst werden“, so der KBV-Vize. Angesichts mittlerweile 13 im Markt befindlicher Corona-Impfstoffe verursache das tagesaktuelle Impfmonitoring viel Aufwand in den Praxen, der in keinem Verhältnis zum Erkenntnisgewinn stehe.
Hofmeister begründete allgemein fehlendes Vertrauen der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft in die aktuelle Gesundheitspolitik mit deren mangelnder Verlässlichkeit. „Dass die Leistungen der Praxen – insbesondere nach der Erfahrung von Corona! – nicht nur nicht gesehen, sondern ihre Arbeit mittlerweile sogar aktiv behindert und erschwert wird, lässt eigentlich keinen anderen Schluss mehr zu, als Absicht zu unterstellen“, kritisierte er und monierte, dass die Ärzteschaft unter Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht in Reformvorhaben eingebunden werde. Wenn die Praxen in den zurückliegenden Jahren aber eines bewiesen hätten, dann, dass sie das Vertrauen, dass die Menschen hierzulande in sie setzten, auch wert seien.
Als eine der größten Herausforderungen nannte der KBV-Vize den Arztzeitmangel. „Während die Nachfrage nach Leistungen durch die demografische Entwicklung quasi automatisch steigt, gehen die zur Verfügung stehenden ärztlichen Ressourcen zurück“, erläuterte Hofmeister. Er kritisierte die von der Politik und insbesondere vom BMG proklamierte „Lösung“, neue Strukturen zu schaffen – beispielsweise mit Primärversorgungszentren oder Gesundheitskiosken. „Das klingt ja auch so bequem, nach dem Motto: Wer morgens die Zeitung kauft, kriegt noch ein bisschen Gesundheit mit dazu“, so Hofmeister.
Der KBV-Vize wies darauf hin, dass es ein völlig neues und anderes Gesundheitssystem wäre, wenn durch die Hintertüre der Arztzugang in Deutschland erschwert oder gar verunmöglicht würde. Hofmeister: „Wenn das der Plan ist, dann sollten die Wählerinnen und Wähler das wissen!“ Er wies ausdrücklich darauf hin, dass die nichtärztlichen Gesundheitsfachberufe ein wichtiger Pfeiler unserer Gesundheitsversorgung seien.
„Und ich bin absolut dafür, diese auch weiter zu qualifizieren und wo sinnvoll auch zu akademisieren. Aber nicht, um ärztliche Strukturen zu ersetzen und eine Parallelversorgung zu eröffnen, sondern um mit diesen zusammenzuarbeiten und zwar am besten direkt und vor Ort, unter einem Dach“, forderte Hofmeister und ergänzte, dass auch das KV-System solche kooperativen Konzepte künftig stärker mitdenken müsse.