„Mehr Verlässlichkeit statt vager Versprechungen“
Klare Entscheidungen statt ständiger Ankündigungen, fordert der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. „Unsere Vorschläge zur Verbesserung der ambulanten Versorgung liegen schon lange auf dem Tisch. Politik muss endlich handeln. Für zielorientierte Gespräche stehen unsere Türen immer offen, aber eine reine Ankündigungspolitik tragen wir nicht länger mit“, betonten Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner im Rahmen der heutigen Vertreterversammlung in Berlin.
Berlin, 1. März 2024 – KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen stellte klar: „Um die ambulante Versorgung zu entlasten, braucht es zwingend längst versprochene erste Schritte: die hausärztliche Entbudgetierung, die Abschaffung von Regressen und die Abschaffung der unsäglichen Sanktionen gegen Praxen.“ An Minister Lauterbach gerichtet sagte er: „Eine reine Ankündigungspolitik hilft den Patientinnen und Patienten in der ambulanten Versorgung überhaupt nicht. Vielmehr muss jetzt schnell und entschlossen gehandelt werden.“
Der Mut zum großen Wurf, zur „Revolution“, die der Minister so gerne für die Krankenhausreform, für seine Digitalisierungsvorhaben, ja sogar für die Cannabisfreigabe reklamiere, der fehle an anderer Stelle umso schmerzhafter, etwa bei der Ambulantisierung, die bekanntermaßen ja auch als Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben sei, so der KBV-Chef. „Das Ergebnis ist bislang enttäuschend. Der Startkatalog ist deutlich zu klein, und von den berühmten gleich langen Spießen für Krankenhäuser und Niedergelassene kann längst nicht die Rede sein, etwa bei den Sachkosten, um nur ein Beispiel zu nennen.“
Der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister bedauerte, keinen neuen Stand der Dinge verkünden und endlich konkrete Gesetzesinhalte mit den Delegierten diskutieren zu können: „Wir haben nach wie vor nichts in der Hand.“ Bei der Entbudgetierung des hausärztlichen Versorgungsbereichs warf der KBV-Vize dem Gesundheitsminister „Augenwischerei“ und „Hinhaltetaktik“ vor. „Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, diese nicht endlich umzusetzen!“
Hofmeister mahnte an, dass die Reform der Akut- und Notfallversorgung als ein weiteres Vorhaben in der politischen Dauerschleife festhänge. „Eine Reform ist überfällig, auch, um die entsprechende Versorgung der Menschen vor Ort überhaupt aufrechtzuerhalten“, appellierte Hofmeister. Die neuesten Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gäben immerhin Anlass zur Hoffnung, dass den Belangen des KV-Systems und dem Kooperationserfordernis zwischen Krankenhäusern und vertragsärztlichen Strukturen stärker Rechnung getragen werde, als es bisher der Fall war. „Auch zu diesem Thema haben wir als KBV/KV-System schon lange ganz konkrete und umsetzbare Vorschläge gemacht“, so Hofmeister.
Auch KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner bemängelte die zahllosen Ankündigungen des Ministers ohne konkrete Umsetzungspläne: „Was wir brauchen, sind Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen statt vager Versprechungen und mangelnder Wertschätzung.“ Immerhin, so Steiner, seien diesbezüglich in den Ankündigungen erste positive Ansätze zu erkennen, beispielsweise beim Thema Regresse. Dazu hatte Prof. Lauterbach im Januar angekündigt, dass Wirtschaftlichkeitsprüfungen unterhalb einer Bagatellgrenze von 300 Euro entfallen sollen. Steiner bezeichnete dies als ersten Schritt für den Weg aus einer Misstrauenskultur. Aber: „Diesen Schritt gilt es jetzt zu konkretisieren, zu erweitern – und vor allem tatsächlich in ein Gesetz zu gießen.“
Angesichts der Pläne, mit dem Medizinforschungsgesetz Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel künftig vertraulich zu handhaben, forderte Steiner, Wirtschaftlichkeitsprüfungen gar in Gänze abzuschaffen: „Wer A sagt, muss auch B sagen: Preisbezogene Steuerungsinstrumente sind unter diesen Bedingungen obsolet. Ein aus unserer Sicht ohnehin längst überfälliger Schritt!“
Einen ebenfalls weiteren Fokus forderte Steiner auch in Sachen Digitalisierung. So hätten das BMG und die gematik zwar beispielsweise erkannt, welch zentrale Rolle die Praxisverwaltungssysteme (PVS) für die elektronische Patientenakte (ePA) spielen. Letztlich laute die Devise aber weiterhin ausschließlich, dass Praxen im Zweifel ihr PVS wechseln sollten. „Unterm Strich werden dadurch Aufwand, Kosten und Risiko auf die Ärzte und Psychotherapeuten abgeschoben. Und vor allem sind die im Digitalgesetz verankerten Sanktionen und Bußgelder, die sich gegen die Praxen richten, bislang nicht zurückgenommen“, monierte Steiner. Notwendig seien gesetzliche Garantien, dass Anwendungen erst dann in die Versorgung kommen, wenn sie ihre Funktionsfähigkeit und Praxistauglichkeit nachgewiesen hätten.