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Arzneimittel-Verordnung

Cannabis - was Ärzte bei der Verordnung wissen müssen

Gesetzlich Krankenversicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Versorgung mit Cannabis. Haus- und Fachärzte dürfen Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon sowie getrocknete Cannabisblüten und -extrakte verordnen. Die Krankenkassen übernehmen im Regelfall die Kosten.

Der Anspruch auf medizinisches Cannabis gilt, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

  • nicht zur Verfügung steht oder
  • im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht angewendet werden kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Rechtsgrundlage: § 31 Absatz 6 SGB V

Genehmigungsvorbehalt

Genehmigungsvorbehalt mit Ausnahmen

Grundsätzlich müssen die Krankenkassen eine erstmalige Verordnung von Cannabis prüfen. Der Antrag auf Genehmigung muss begründet sein und nachvollziehbar machen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Krankenkasse darf ihn nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen.

Eine Ausnahme gilt in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sowie bei bestimmten Fachgruppen. Diese Ärzte sind nicht verpflichtet, können aber freiwillig vor Beginn einer Cannabistherapie die Genehmigung der jeweiligen Krankenkasse einholen. Zu empfehlen ist dies bei unklaren Verordnungsvoraussetzungen oder beim Ausstellen von Folgeverordnungen, wenn die Erstverordnung ohne Genehmigung erfolgt ist.

Cannabis verordnen: Diese Ärzte brauchen keine Genehmigung

Der verpflichtende Genehmigungsvorbehalt vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis entfällt bei diesen Fachgruppen:

  • Allgemeinmedizin
  • Anästhesiologie
  • Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
  • Innere Medizin
  • Innere Medizin und Angiologie
  • Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Innere Medizin und Gastroenterologie
  • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
  • Innere Medizin und Infektiologie
  • Innere Medizin und Kardiologie
  • Innere Medizin und Nephrologie
  • Innere Medizin und Pneumologie
  • Innere Medizin und Rheumatologie
  • Neurologie
  • Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Psychiatrie und Psychotherapie

Auch andere Ärzte, die eine der folgenden Zusatzbezeichnungen vorweisen, dürfen ohne Genehmigung der Krankenkasse eine Erstverordnung von Cannabisarzneimitteln ausstellen:

  • Geriatrie
  • Medikamentöse Tumortherapie
  • Palliativmedizin
  • Schlafmedizin
  • Spezielle Schmerztherapie

Für alle gilt grundsätzlich: Sie können freiwillig weiterhin eine Genehmigung bei der Krankenkasse einholen, wenn sie dies zur Absicherung möchten.

Bearbeitungszeit von zwei Wochen

Für Anträge von Ärzten, für die der Genehmigungsvorbehalt gilt, haben Krankenkassen eine Bearbeitungsfrist von zwei Wochen beziehungsweise vier Wochen bei Erfordernis einer gutachterlichen Stellungnahme. Eine verkürzte Frist von drei Tagen gilt für Cannabisverordnungen in der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung oder bei ambulanter Fortführung einer stationär begonnenen Cannabistherapie.

Erneute Genehmigung nicht erforderlich

Eine erneute Genehmigung ist nicht erforderlich bei:

  • Folgeverordnungen,
  • einem Arztwechsel,
  • Dosisanpassungen oder
  • einem Wechsel von Blüten zu anderen getrockneten Blüten oder von Cannabisextrakten zu anderen Extrakten in standardisierter Form (also innerhalb der Blüten oder innerhalb der Extrakte)

Hinweise zur Verordnung

Bei der Verordnung von medizinischem Cannabis sind folgende Aspekte zu beachten:

Fertigarzneimittel haben Vorrang vor Blüten und Extrakten

Fertigarzneimittel sind vorrangig zu verordnen

Fertigarzneimittel haben nach den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie Vorrang vor Blüten und Extrakten. Ärzte sollen deshalb vor der Verordnung von getrockneten Cannabisblüten oder -extrakten prüfen, ob zur Behandlung des jeweiligen Patienten geeignete Cannabisarzneimittel verfügbar sind. Eine Verordnung von Cannabisblüten müssen sie begründen.

Grundsätzlich ist – wie bei anderen Verordnungen auch – das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Für Cannabisblüten bedeutet das: Der Preis wird nach der sogenannten Hilfstaxe berechnet. Diese Vereinbarung zwischen Apothekern und Krankenkassen unterscheidet zwischen Medizinal-Cannabisblüten, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in den Markt gebracht hat, von sonstigen verfügbaren Cannabisblüten. Laut Hilfstaxe sind BfArM-Cannabisblüten preisgünstiger.

Die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung mit Cannabis ist in den ersten drei Monaten engmaschig und anschließend in regelmäßigen Abständen zu beurteilen. Art, Dauer und Ergebnis der Behandlung sind in der Patientenakte zu dokumentieren.

Verordnung auf „normalem“ Rezept

Verordnung auf „normalem“ Rezept

Bisher war für die Verordnung von getrockneten Cannabisblüten und -extrakten sowie Arzneimitteln mit Dronabinol und Nabilon ein Betäubungsmittelrezept erforderlich. Seit 1. April 2024 verordnen Ärzte medizinisches Cannabis per elektronischem Rezept – wie andere Arzneimittel auch. Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht länger dem Betäubungsmittelgesetz.

Nur Nabilon ist weiterhin auf dem BtM-Rezept zu verordnen. Im Cannabisgesetz bleibt der Wirkstoff als Betäubungsmittel im Betäubungsmittelgesetz (Anlage III) aufgeführt. Bei Nabilon handelt es sich um ein synthetisches Cannabinoid, das strukturell Delta-9-Tetrahydrocannabinol – dem psychoaktiven Hauptbestandteil der Cannabispflanze – ähnelt.

Bei der Verordnung von Nabilon sind unter anderem folgende Angaben erforderlich (§ 9 Betäubungsmittelverschreibungsverordnung):

  • Arzneimittelbezeichnung, ggf. zusätzlich Bezeichnung und Gewichtsmenge des enthaltenen Betäubungsmittels je Packungseinheit (bei abgeteilten Zubereitungen je abgeteilter Form) und Darreichungsform
  • Menge des verordneten Arzneimittels in Gramm oder Milliliter, Stückzahl der abgeteilten Form
  • Gebrauchsanweisung mit Einzel- und Tagesgabe (falls dem Patienten eine schriftliche Gebrauchsanweisung überreicht wurde, genügt ein Hinweis darauf), bei Verordnung im Rahmen der Substitution zusätzlich Reichdauer des Substitutionsmittels in Tagen

Cannabis als Fertigarzneimittel und Rezeptur

Cannabissorten

Cannabisblüten sind die blühenden, getrockneten Triebspitzen der weiblichen Cannabispflanze. Die Blütenstände bilden eine stark gestauchte Rispe (ca. 1 bis 5 cm lang und breit). Bei der handelsüblichen Ware liegen die Blütenstände unzerteilt vor oder sind mehr oder weniger in ihre Einzelteile zerfallen (bis zu 1 cm lange Fragmente der Rispe).

Es gibt auch Cannabissorten, die granuliert vorliegen. Die getrockneten Blüten wurden hier auf eine maximale Teilchengröße von 5 mm zerkleinert. Die Zerkleinerung soll helfen, die Dosierbarkeit zu steigern.

Aufgrund der unterschiedlichen Wirkstoffkonzentration in einzelnen Blütenteilen wird hinsichtlich der Dosiergenauigkeit empfohlen, Cannabisblüten vor der Anwendung zu zerkleinern und zu sieben. Das NRF (Neues Rezept-Formularium) sieht hier beispielsweise das Mahlen in einer Kräutermühle und Siebung durch ein 2-mm-Sieb vor.

In Deutschland zugelassene Cannabisarzneimittel

Derzeit sind in Deutschland folgende Cannabisarzneimittel zugelassen:

Sativex®

Sativex Spray zur Anwendung in der Mundhöhle enthält pro Sprühstoß 2,7 mg Delta-9-Tetrahydrocannabinol und 2,5 mg Cannabidiol.

Sativex® ist zugelassen zur Symptomverbesserung bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen.

Fachinformation (passwortgeschützt)

Canemes®

Canemes® enthält mit Nabilon eine vollsynthetische Variante des psychotropen Cannabisinhaltsstoffes Δ9-Tetrahydrocannabinol. Es handelt sich hierbei um Kapseln, die jeweils 1 mg Nabilon enthalten.

Canemes® 1-mg-Kapseln sind für die Behandlung von Chemotherapie bedingter Emesis und Nausea bei Krebspatienten indiziert, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen.

Fachinformation (passwortgeschützt)

Sind auch nicht zugelassene Cannabisarzneimittel verordnungsfähig?

Ob über den gesetzlichen Anspruch des Patienten auf Versorgung mit Cannabis ableitbar ist, dass auch in Deutschland nicht zugelassene Cannabisarzneimittel verordnungsfähig sind, lässt sich derzeit nicht abschließend bewerten.

Bislang gehören Importe von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur in sehr eng definierten Einzelfällen zum Leistungsumfang der GKV. Im konkreten Fall ist daher eine Klärung durch die jeweilige Krankenkasse angeraten (über den Patienten mittels des Genehmigungsantrags).

Substanzen und Vorschriften für Cannabisrezepturen

Substanzen

Folgende Rezeptursubstanzen sind erhältlich bzw. sollen in Kürze verfügbar sein:

Dronabinol

Dronabinol ist ein in Deutschland seit 1998 verkehrs- und verschreibungsfähiger Wirkstoff. Mit Inkrafttreten der Verordnungsfähigkeit von Cannabis zulasten der GKV darf Dronabinol nun auch als Zubereitung zulasten der GKV auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. In der Regel erfolgt die Zubereitung als Kapsel oder Tropflösung.

Eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz

Cannabisölharz wird aus den Blüten von Cannabis sativa L. hergestellt. Die gelbe bis gelbbraune Flüssigkeit enthält 5 % Δ9-Tetrahydrocannabidol (Δ9-THC) und unterschiedliche Mengen an Cannabidiol, die deklariert werden müssen. Cannabisölharz wird umgangssprachlich auch als Cannabisextrakt (5 % THC) bezeichnet. Zu beachten ist, dass der ölige Extrakt nicht zur Inhalation geeignet ist.

Monographien und Rezepturvorschriften

Monographien und standardisierte Rezepturvorschriften stehen beispielsweise seitens der DAC/NRF-Kommission (Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium) zur Verfügung:

Monographien

  • Dronabinol (Δ9-THC)
  • Eingestelltes raffiniertes Cannabisölharz
  • Cannabisblüten

Für Cannabisblüten gibt es jetzt auch eine Monographie im Deutschen Arzneibuch.

Rezepturvorschriften

  • Dronabinol-Kapseln zu 2,5 bzw. 5 oder 10 mg (NRF 22.7)
  • Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml (2,5 %ige) ölige Lösung (NRF 22.8)
  • Ölige Cannabisölharz-Lösung* 25 mg/ml Dronabinol (NRF 22.11.)
  • Cannabisblüten zur Inhalation nach Verdampfung (NRF 22.12.)
  • Cannabisblüten in Einzeldosen zur Inhalation nach Verdampfung (NRF 22.13.)
  • Cannabisblüten zur Teezubereitung (NRF 22.14.)
  • Cannabisblüten in Einzeldosen zur Teezubereitung (NRF 22.15.)
  • Ethanolische Dronabinol-Lösung 10 mg/ml zur Inhalation (NRF 22.16.)

Ärzte können sich im DAC/NRF über die Rezepturformeln informieren (Zugang mit DocCheck-Passwort möglich). Zu jeder Rezepturformel gibt es auch einen Link zu einer Musterverordnung.

Hinweise:

Im Vergleich zur inhalativen Anwendung ist die Bioverfügbarkeit bei oraler Anwendung geringer.

Cannabidiol fällt als Monosubstanz nicht unter die gesetzliche Regelung, die nur Cannabisblüten und -extrakt, Dronabinol und Nebilon beinhaltet.

Zu Cannabidiol existiert eine Monographie und eine Rezepturvorschrift „Ölige Cannabidiol-Lösung“ (NRF 22.10). Entsprechende Fertigarzneimittel sind in Deutschland nicht im Markt.

Cannabidiol ist kein Betäubungsmittel, sondern unterliegt nur der „normalen“ Verschreibungspflicht. Es wird weiterhin (Monosubstanz) als nicht zulasten der GKV verordnungsfähig angesehen.

* Zurzeit nicht praktikabel, da das für die Rezeptur benötigte eingestellte, raffinierte Cannabisölharz nicht hergestellt wird (Stand: 05.06.2018).

Anwendungsmöglichkeiten für Cannabisblüten

Cannabisblüten können inhaliert (Rauchen, Inhalieren) oder oral (Tee, Kekse) aufgenommen werden. Damit eine Wirkung erzielt wird, müssen die inaktiven Säuren von Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) durch Erhitzen decarboxyliert und damit in die pharmakologisch wirksame Form überführt werden.

Inhalation / Rauchen von Cannabisblüten

Beim Rauchen von Cannabisblüten (zusammen mit Tabak) entstehen schädliche Verbrennungsprodukte. Deshalb wird unter anderem auf die Möglichkeit der Inhalation mittels eines Verdampfers (Vaporisator) hingewiesen.

Vaporisatoren erhitzen Cannabisblüten (üblicherweise auf 180–210 °C), wobei sich freies THC und CBD bildet. Die systemische Bioverfügbarkeit beträgt bei korrekter Applikation 29–40 %.

Es kommt zu einer raschen Anflutung, aber auch zu einem ebenso schnellen Absinken im Blut.

Hinweis:

Vaporisatoren sind bislang nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Deshalb ist ein Einzelfallantrag des Patienten bei seiner Krankenkasse erforderlich.

Cannabis als Teezubereitung

Für diese Zubereitung werden Cannabisblüten in kochendes Wasser gegeben und 15 Minuten am Sieden gehalten. Aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit der Cannabinoide und der bei 100 °C nur langsam verlaufenden Decarboxylierung (und damit Überführung in die pharmakologisch wirksame Form) beträgt die Ausbeute an THC nur ca. 5 %. Die Ausbeute lässt sich durch längere Kochzeit vergrößern, bei 30 Minuten erhöht sie sich um das Eineinhalbfache.Der standardmäßige Ansatz beträgt 1 g Droge pro Liter Wasser.

Cannabis als Kekszubereitung

Beim Einbacken in Kekse kann die Dosis pro Anwendung nicht reproduziert werden. Insofern kann diese Anwendung aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit nicht empfohlen werden.

Hinweise zur Abrechnung

Die GOP im Überblick

GOP Punkte Bewertung 2024 Leistung Hinweis
01626 143 17,07 Euro Ärztliche Stellungnahme für die Krankenkasse bei der Beantragung einer Genehmigung zur Verordnung von Cannabis einmal je Erstverordnung; höchstens viermal im Krankheitsfall 
berechnungsfähig