Logo-KBV

KBV Hauptnavigationen:

Sie befinden sich:

 
Stand 08.04.2019

Positionen

Kernforderungen der deutschen Ärzteschaft 2019+

Gemeinsames Positionspapier von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung zur Europawahl

Die deutsche Ärzteschaft begrüßt die vielen Fortschritte, die die Europäische Union für Ärzte und Patienten erwirkt hat. Hierzu zählen etwa Arbeitsbedingungen, berufliche Mobilität, grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung sowie sicherere und besser verfügbare Arzneimittel. Wir rufen die europäischen Institutionen auf, weiterhin dafür zu sorgen, dass Maßnahmen in der Gesundheitspolitik einen echten Mehrwert für Patientinnen und Patienten darstellen. Dabei sind jedoch die Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die deutsche Ärzteschaft wird sich auch künftig aktiv und konstruktiv einbringen, um EU-Gesundheitspolitik mitzugestalten. Wir möchten mit diesen Kernforderungen zu einer breiten Diskussion beitragen.

Patientenschutz vor Marktinteressen

Jeder hat das Recht auf rechtzeitige, hochwertige und bezahlbare Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung. Dabei erbringen Ärztinnen und Ärzte ihre Leistungen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten. Sie richten ihre Therapieentscheidung allein an den individuellen Bedürfnissen ihrer Patienten aus. Ärztliche Leistungen zeichnen sich durch persönliches Engagement, Therapiefreiheit und Expertenwissen aus. Dies verlangt eine hohe fachliche Qualifikation und Eigenverantwortung der behandelnden Ärzte. Die hohe Behandlungsqualität wird durch die nationalen Regelungen des Berufszugangs und der Berufsausübung gewährleistet. Die EU-Kommission treibt die Deregulierung der freien Berufe allein aus Gründen der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs voran. Dies wird dem Erfordernis der Qualitätssicherung und des Patientenschutzes nicht gerecht und daher von der Ärzteschaft strikt abgelehnt. Wir fordern Kommission und Parlament auf, ärztliche Leistungen keinen marktwirtschaftlichen Optimierungsstrategien unterzuordnen und bewährte Strukturen beruflicher Selbstverwaltung anzuerkennen.

Echte Vergleichbarkeit von Berufsqualifikationen herstellen

Die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie hat dazu beigetragen, dass der Arztberuf der mobilste unter den regulierten Berufen ist.

Basierend auf unseren Erfahrungen mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen wird deutlich, dass eine automatische Anerkennung nicht ausschließlich auf Mindestzeiten beruhen kann. Das Vertrauen in das System der automatischen Anerkennung wird gestärkt, wenn die nationalen Anforderungen an Aus- und Weiterbildung transparent sind. Jedoch würde eine einheitliche europäische Aus- oder Weiterbildungsordnung den unterschiedlichen Erfordernissen der Patientenversorgung in den Mitgliedstaaten nicht gerecht. Die Definition der Inhalte von Aus- und Weiterbildung durch die europäische Ebene ist zudem durch die Kompetenzregelung der EU-Verträge nicht gedeckt. Wir lehnen daher Tendenzen zur Schaffung einer einheitlichen europäischen Aus- und Weiterbildungsordnung ab. Stattdessen sollten die geltenden nationalen Anforderungen in einem transparenten Verfahren regelmäßig durch Experten der für die Anerkennung zuständigen nationalen Stellen verglichen werden.

Patienten haben ein Recht, von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin verstanden zu werden und diese zu verstehen. Kenntnisse der Landessprache sind somit essentiell. Die Richtlinie erkennt den Zusammenhang zwischen Sprachbeherrschung und Patientensicherheit ausdrücklich an. Daher muss es den Mitgliedstaaten möglich sein, ein einheitlich hohes Sprachniveau sicherzustellen. Fachsprachenprüfungen, wie sie die Ärztekammern in Deutschland anbieten, sind für den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse ein probates Mittel. Wir fordern Kommission und Parlament auf, den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Sprachkenntnisse ausreichend großen Spielraum zu belassen, um auf Sprachdefizite in der Praxis reagieren zu können und so den Schutz der Patienten zu gewährleisten.

Chancen der Digitalisierung richtig nutzen

Die Digitalisierung im Gesundheitsbereich birgt viele Chancen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung. Digitale Assistenzsysteme können helfen, die Patientenversorgung zu optimieren und die Kontinuität der Versorgung zu sichern. Für die fachliche Expertise und die menschliche Kompetenz von Ärzten gibt es aber keine digitale Substitution. Ärzte und Ärztinnen als Vertrauenspersonen der Patienten sind für die Behandlung verantwortlich. Nur sie können gemeinsam mit ihren Patienten Behandlungsentscheidungen treffen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten muss auch in einer digitalen Welt erhalten bleiben.

Um die Möglichkeiten digitaler Technologien sicher und effizient zu nutzen, muss die digitale Gesundheitskompetenz der Patienten, aber auch der Ärzte, verbessert werden. Neue digitale Anwendungen in der Versorgung müssen immer im Verhältnis zu ihrem praktischen Nutzen stehen, der Schaffung eines Mehrwerts für die Versorgung von Patienten. Der Ausbau digitaler grenzüberschreitender Dienste muss an den Kriterien Patientensicherheit, Datensicherheit, Praktikabilität und Interoperabilität ausgerichtet werden. Dies gilt umso mehr, da der Aufbau der nationalen Telematikinfrastrukturen unterschiedlich weit vorangeschritten ist.

Gesundheitsforschung kann zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen. In welchem Umfang Patienten- und Versorgungsdaten für die Forschung genutzt werden sollten, muss in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog diskutiert werden. Eine Datenweitergabe darf nur mit Zustimmung der Patienten erfolgen. Aus der Verwendung ihrer Daten darf Patienten kein Nachteil entstehen.

Ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld für Ärztinnen und Ärzte erhalten

Eine gute Patientenversorgung erfordert ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld. Im Genfer Gelöbnis versichern Ärztinnen und Ärzte, dass sie auf ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlergehen achten werden, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können. Sie benötigen ein Arbeitsumfeld, das sie vor physischer, psychischer und verbaler Gewalt schützt. Auch übermäßige Arbeitsbelastung stellt eine Gefahr dar. Wirksamen Schutz hiergegen bietet die EU-Arbeitszeitrichtlinie, konkretisiert durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Zugleich müssen alle Maßnahmen getroffen werden, um nach dem Beispiel EU-Nadelstichrichtlinie Angehörige des Gesundheitssektors vor gesundheitsgefährdenden Substanzen oder Gegenständen zu schützen.

Arzneimittelversorgung sicherstellen

Die deutsche Ärzteschaft begrüßt die Anstrengungen der EU zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen und zur Koordinierung der Bemühungen um höhere Impfraten. Sie bietet hierzu ihre Unterstützung und Expertise an.

Die EU sollte dazu beitragen, dringend benötigte Arzneimittel für Patienten verfügbar zu halten und Lieferengpässe zu verhindern. Engpässe entstehen oft dadurch, dass Arzneimittel außerhalb der EU, von zu wenigen Herstellern oder in unzureichender Qualität produziert werden. Außerdem muss EU-Recht Anreize bieten, die Entwicklung etwa von Impfstoffen, Kinderarzneimitteln, Arzneimitteln gegen seltene Leiden oder Krebserkrankungen wirksam zu fördern. Es bedarf jedoch einer Neuausrichtung des Anreizsystems, um Mitnahmeeffekte und den Missbrauch von Marktexklusivität zu verhindern. Der Wunsch, Zulassungen zu beschleunigen, rechtfertigt keine Absenkung der Anforderungen an klinische Evidenz.

Mitgliedstaaten müssen in Ausbildung in Gesundheit investieren

Migration von Arbeitskräften im Gesundheitswesen ist Teil des Binnenmarktes. Sie darf aber nicht zu Lasten ärmerer Mitgliedstaaten gehen. Die Mitgliedstaaten sind selbst dafür verantwortlich, für die Ausbildung einer ausreichenden Zahl von Ärzten und anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen Sorge zu tragen, um ihren jeweiligen Bedarf zu decken.

Das Dokument zum Download