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Viel unnötige Bürokratie durch Regresse - wichtige Anpassungen gefordert

Wie schätzen Sie den Willen des Gesetzgebers ein, Bürokratie für Praxen abzubauen?

Dr. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der KBV:
Es ist schon mal ein positives Signal, dass das BMG jetzt ein Eckpunktepapier vorgelegt hat, weil in dem Bereich natürlich auch dringender Handlungsbedarf besteht. Wir sehen auch, dass einige Punkte, die die KBV im Vorfeld eingebracht hat, aufgegriffen wurden. Insgesamt muss man sagen, ist das Papier noch in weiten Teilen und an vielen Stellen etwas vage und da müssen die Dinge einfach aus unserer Sicht konkreter werden.
Wir stehen da auch im Austausch mit dem BMG. Und dann erwarten wir natürlich vom BMG und vom Gesetzgeber einen entsprechenden Gesetzesentwurf.

Was bewerten Sie positiv im Papier?

Es sind aber positive Punkte dabei, die einfach zu Vereinfachungen führen, wie zum Beispiel die ärztliche Bescheinigung, wenn ein Kind erkrankt ist oder auch in der psychotherapeutischen Versorgung. Und natürlich das war für uns ein wichtiger Punkt, dass das Thema Bagatellgrenzen bei Arznei- und Heilmittelverordnungen aufgegriffen wurde. Und das sehen wir natürlich grundsätzlich erst mal sehr positiv.

Warum sind solche Bagatellgrenzen wichtig?

Die Bagatellgrenze gibt es ja letztlich auch in den regionalen Prüfvereinbarungen für Arznei- und Heilmittel schon, aber sie sind viel zu niedrig. Und das bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte mit einem hohen Anteil an Regress-Verfahren konfrontiert sind. Und das ist natürlich für alle Beteiligten, das ist auch für die KVen und das ist für die Krankenkassen ein hoher Aufwand und diese unnötige Bürokratie und aber natürlich auch die Regress-Belastung für die Ärzte, die wollen wir reduzieren, indem man eben sagt, die Bagatellgrenze müssen höher angesetzt werden.

Was müsste sich in Bezug auf Regresse noch ändern?

Ein anderer Punkt, der aus unserer Sicht noch wichtig ist, ist die Einführung der Differenz-Kosten-Methode bei unwirtschaftlichen, das heißt unzulässigen Verordnungen. Das heißt, man würde sozusagen in einem Regressverfahren, nur die Differenz zwischen der tatsächlich verordneten Leistung und der aus Sicht der Krankenkassen wirtschaftlichen Verordnung berechnen. Das würde auch die Zahl der Verfahren reduzieren und es würde eben gerade beim Off-Label-Use eine viel höhere Verordnungssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte geben. Und Off-Label-Use ist gerade in der Neurologie, in der Kinderheilkunde und in der Onkologie sehr häufig.

Regresse betreffen ja auch die eigentlich erwünschten Schutzimpfungen…

Also bei den Grippe Schutzimpfungen sind Regresse dann möglich, wenn die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte mehr Impfstoff bestellen, als sie dann tatsächlich in der Grippe-Impfschutz-Saison verimpfen können. Wenn die bestellte Menge im Vergleich zur verimpften Menge 10 % übersteigt, gibt es tatsächlich die Möglichkeit für die Krankenkassen, auch entsprechende Regresse auszusprechen.
Und für die Ärzte ist es einfach problematisch. Man muss ja den Grippe-Impfstoff im März bestellen, um dann zu wissen wie viel Grippe-Impfstoff man im Herbst braucht und das Impf-Verhalten der Bevölkerung hängt halt sehr stark auch davon ab, wie schwer die Grippesaison quasi im Vorjahr war. Und je nachdem ist die Inanspruchnahme höher oder niedriger. Und das zu kalkulieren ist für die Ärztinnen und Ärzte extrem schwierig.


Was hat die KBV bislang getan?

Also wir haben uns mehrfach für die Streichung dieser Regelung ausgesprochen. Der Gesetzgeber ist uns da bislang nicht gefolgt. Und wir sind nach wie vor der Meinung, dass das ein Impfhindernis ist. Es ist auch eine Hürde, und man erreicht auch das gesellschaftliche und politische Ziel, möglichst hohe Impfraten zu haben, kann man doch durch so eine Regelung natürlich nicht erreichen.

Probleme gibt es auch bei Lieferengpässen…

Im Falle von Lieferengpässen war es in der jüngeren Vergangenheit so, dass die kostengünstigeren Bündel-Packungen nicht lieferbar waren, zum Beispiel beim Impfstoff gegen Herpes Zoster und über Sprechstundenbedarf, über den ja die die Impfung dann stattfindet, waren dann diese kostengünstigeren Bündel Packungen nicht zur Verfügung gestanden, sodass Ärztinnen und Ärzte gezwungen waren, Einzel-Verordnungen, Einzeldosis, einzelne Dosen zu verordnen und zulasten der Krankenkassen. Und in dem Fall ist es tatsächlich in einigen KV-Regionen dazu gekommen, dass die Krankenkassen dann entsprechende Regresse angestrebt haben.

Was erwarten Sie hier vom Gesetzgeber?

Also eindeutig eine Klarstellung, dass wenn Bündel-Packungen nicht zur Verfügung stehen, dass dann einzelne Dosen verordnet werden und verimpft werden können und entsprechend eben auch hier eine Sicherheit für die Ärztinnen und Ärzte besteht.
Generell fordern wir natürlich, dass diese unnötige Bürokratie reduziert wird, dass auch unsinnige Wirtschaftlichkeits-Prüfungen nicht mehr stattfinden, weil das ist letztendlich etwas, was die Praxen extrem belastet.

Regresse bringen eine hohe Bürokratiebelastung mit sich und sind in vielen Fällen sogar ein Hindernis für die Versorgung. Das BMG hat sich in seinen jüngst vorgelegten Eckpunkten zum Bürokratieabbau auch der Regresse angenommen, jedoch noch sehr vage. Der KBV geht das nicht weit genug. Auch bei Impfungen sind Änderungen dringend notwendig, sagt Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der KBV.