Arzneimittelengpässe: nachhaltige Lösung notwendig
Die Festbeträge für Kinder-Fiebersäfte wurden für drei Monate ausgesetzt. Löst das das Problem?
Dr. Stephan Hofmeister:
„Das wird das Problem natürlich nicht lösen, zumal ja die Infektionswelle bereits abgeebbt ist und der hohe Bedarf nach diesen Medikamenten vermutlich jetzt sehr schnell sehr stark nachlassen wird. Insofern ist das eine Maßnahme, die eher die Gemüter beruhigen soll, als unmittelbar helfen kann.“
Engpässe gibt es auch bei anderen Medikamenten. Warum?
Dr. Stephan Hofmeister:
„Ja, wie in vielen Bereichen in letzter Zeit auch durch den Ukrainekrieg deutlich geworden ist, vorher durch COVID, sind die Lieferketten ein Problem geworden. Wir haben uns sehr monofokal aufgestellt. Wir holen nur noch bei einem Lieferanten Dinge ab. Wir kaufen nur noch bei einem Hersteller Dinge ein, das möglichst weit weg, möglichst preisgünstig. Und wenn dann so eine Lieferkette unterbrochen ist oder der Hersteller ausfällt, fehlt in der Konsequenz das Material. Manchmal liegt es ja gar nicht an dem Medikament selbst, sondern an den Verpackungen, an den Deckeln, an den Schraubverschlüssen, an irgendwelchen Pfennigartikeln. Und das ist weltweit eine große Herausforderung. Und daran werden wir arbeiten müssen. Das müssen wir ändern.“
Was müsste denn langfristig getan werden?
Dr. Stephan Hofmeister:
„Also, ich denke, es gibt nur zwei Möglichkeiten. Das eine ist, immer mehrere Hersteller zu haben und mehrere Lieferanten zu haben. Das macht es etwas teurer und komplexer und man ist weniger abhängig von einem. Und das zweite ist, vielleicht die Produktion, auch die Beschaffung von den Rohmaterialien weniger weit auszulagern und doch zu schauen, was man vielleicht zumindest unter unmittelbarer eigenen Kontrolle auch noch machen muss. Es wird nicht alles in Deutschland herzustellen sein, das muss auch nicht sein. Das kann durchaus international bleiben, aber eben nicht ein Hersteller und ein Lieferant irgendwo, sondern immer mehrere und Redundanzen, die dafür dann nötig sind, zu schaffen.“
Was muss jetzt passieren, um die Situation zu entschärfen?
Dr. Stephan Hofmeister:
„Es gibt kaum Möglichkeiten. Wenn die Dinge vergriffen sind auf dem Weltmarkt dann ist es wie mit den Masken zu Beginn von Corona, dann kann man die Haare raufen, aber man kann es ja nicht herbeizaubern. Und wenn selbst für die Produktion von Säften die Rohmaterialien fehlen, dann ist da auch mit mehr Geld im Augenblick nichts zu tun. Nochmal: Die Infektwelle ebbt jetzt ab, insofern sollte es besser werden. Das betrifft ja aber nicht nur Fiebersäfte. Keinesfalls. Es geht um Onkologika, es geht um Antibiotika. Es betrifft zum Teil auch tatsächliche Massenmedikamente in der allgemeinen Versorgung von chronischen Krankheiten, wo es immer wieder zu solchen Mängeln kommt oder zu solchen Lieferkürzungen. Und das hat zu tun mit der Art, wie wir Arzneimittel bestellen, wie wir sie bezahlen, wie wir unsere Verträge schließen. Rabattverträge sind sicher eine Mitursache davon. Die müssen sicher überdacht werden, die Art, wie sie gemacht werden. Es gibt da eine Menge zu tun.“
Mit der vorübergehenden Aufhebung von Festbeträgen will die Politik gegen die zuletzt gehäuft aufgetretenen Engpässe bei verschiedenen Arzneimitteln vorgehen. Dabei geht es um die Festbeträge von 180 Kinder-Arzneimitteln, darunter Fiebersäfte, die in der aktuellen Infektwelle zur Mangelware wurden. Knappes Gut sind jedoch unter anderem auch bestimmte Antibiotika und Krebs-Medikamente. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, erläutert im Interview, warum die neue Regelung kaum wirken kann und was eigentlich getan werden muss, um die Medikamenten-Versorgung in Deutschland zu sichern.