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GVSG: wichtige Maßnahmen für hausärztliche Versorgung, weitere Änderungen notwendig

Wie bewerten Sie den Referentenentwurf zum GVSG?

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV:
Ja, er hat sich ja an einigen Stellen verändert. Insofern war es gut und richtig, dass wir unsere Kritik dazu geäußert haben. Es sind Dinge wie die Gesundheitskioske und die Primärversorgungszentren raus und das erscheint uns vernünftig, denn die hätten sehr viel Geld gekostet und wir brauchen tatsächlich Stärkung der vorhandenen Versorgung und das ist jetzt vielleicht besser möglich.

Was sind aus Ihrer Sicht die Lichtblicke in dem Entwurf?

Ganz entscheidend für uns ist natürlich zum einen, dass die hausärztliche Endbudgetierung endlich kommen soll. Die MGV Plus, diese analog zu den Kinderärzten gewählte Regelung, da sind noch ein paar Kleinigkeiten drin. Die halten wir aber im Dialog mit dem BMG für lösbar, sind eher technische Punkte, aber wichtige Punkte. Sehr gut, also dass das kommt, wird auch Zeit. Genauso ist wichtig, dass die Bagatellgrenzen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung kommen. Die werden große Entlastungen bringen auf dem Gebiet. Es fehlen uns Befreiung von der TI-Strafe, die sind leider nicht drin und dann ist wichtig, dass wir Strukturänderungen im hausärztlichen Bereich gleichzeitig bekommen mit der MGV Plus. Die Vorschläge, wie sie dort gemacht sind, halten wir so für ungeeignet. Wir glauben, dass es wichtig ist, auf einen Praxiskontakt zum Beispiel zu gehen. Wir glauben, dass Strukturpauschalen und Förderungen dieser Art notwendig und wichtig sind. Jetzt wird darüber zu diskutieren sein, wie werden die so implementiert, dass wir nicht mit dem Pflug durch die Praxislandschaft gehen müssen und nicht alles Honorar umverteilen, sondern tatsächlich auch möglicherweise neues Honorar generieren. Denn wie immer bei Umstrukturierungen kosten die Geld. Auch die Einführung der Selektivverträge hat Geld gekostet. Auch dort wurden höhere Anforderungen gestellt und die wurden dann auch deutlich besser bezahlt. Und in diese Richtung muss das gehen. Dafür haben wir konkrete Vorschläge und Überlegungen und an der Stelle muss noch erheblich an dem Entwurf gearbeitet werden.

Wie sehen Sie die Rolle der Selbstverwaltung in Bezug auf das Gesetz?

Wir haben natürlich die Aufgabe, das nachher mit Leben zu erfüllen, die PS auf die Straße zu bringen. Deswegen ist es jetzt so wichtig, die Grundbedingungen in dem Gesetzentwurf so zu regeln, dass wir nachher eine realistische Chance haben, im Dialog oder im Streit mit dem GKV-Spitzenverband, also mit den gesetzlichen Krankenkassen, dort sinnvolle Veränderungen zu erreichen. Die GKV ist ja nicht so sehr an der Versorgungsstruktur interessiert, als mehr am Halten des Geldes. Und wir müssen natürlich dafür sorgen, dass wir die Struktur, die dort ausgebildet wird, auch refinanziert bekommen, die Kolleginnen und Kollegen auch bezahlt werden für das, was sie tun.

Mit welchem Punkt in dem Gesetzentwurf sind Sie nicht einverstanden?

Also der Tenor, dass Veränderungen in der Struktur auch zu Minderausgaben führen können, ist eins der Dinge, die ich nicht mittragen kann. Denn ich sehe im hausärztlichen Bereich keinerlei Spielraum für Minderausgaben. Ich kenne keine hausärztliche Praxis, von der ich sagen könnte, wir können ihr Geld wegnehmen, um es umzuverteilen und anderen zu geben. Und deswegen hätte ich andere Überschriften zumindest erwartet, die klarmachen, so wie es auch bei der Prämie der Fall ist oder wie es eben für die primärversorgenden Krankenhäuser sein soll, die bis zu zweieinhalb Milliarden Euro bekommen für die Strukturänderungen. Auch das hätte bei uns eigentlich darin stehen können und müssen, damit wir dann solche notwendigen Strukturänderungen mit viel Rückenwind angehen können in den Verhandlungen der Selbstverwaltung. Daran wird noch zu arbeiten sein.

Hat der Gesetzentwurf das Potenzial, die hausärztliche Versorgung zu sichern?

Zurzeit sehen wir, dass die Budgetierung aufgehoben wird. Und anders als in manchen Medien zitiert, werden dadurch die Hausärzte nicht besser bezahlt, sondern es wird lediglich das endlich vollständig bezahlt, was getan wird. Also der Hausbesuch an sich wird nicht besser bezahlt mit der MGV Plus, sondern er wird nur vollständig bezahlt und nicht mehr budgetiert. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Die Strukturveränderungen, die bisher dort drinstehen, werden ausschließlich aus bisher vorhandenem hausärztlichen Honorar finanziert. Das heißt, es gibt dort eine Umverteilung. Wir glauben, für die strukturellen Änderungen, die notwendig sind, wird es zusätzliches Geld brauchen. Denn eine Umverteilung allein wird das Problem nicht lösen, da im hausärztlichen Bereich nicht genug Geld da ist, um es umzuverteilen. Aber der Anfang ist gemacht und die Arbeit muss jetzt fortgesetzt werden und wir müssen im parlamentarischen Verfahren erreichen, dass an der Stelle das Gesetz noch deutlich verbessert wird. Und ich rufe alle Beteiligten dazu auf, mit uns gemeinsam diese Schlacht auch zu schlagen.

Wie bewerten Sie das politische Vorgehen bei diesem Gesetz?

Es ist ein etwas unorthodoxer Weg, inoffizielle Entwürfe zu streuen. Gleichzeitig hat der Minister in einer Sitzung letzte Woche aber deutlich formuliert, dass er davon ausgeht, dass wir diese Entwürfe kennen und auch bearbeitet haben. Also er selber geht davon aus, dass man diese inoffiziellen Entwürfe ernst nimmt und sich damit befasst. Und genau das haben wir getan. Wir haben uns damit befasst. Es hat erste Änderungen jetzt zum offiziellen Entwurf gegeben, Änderungen in die richtige Richtung. Weitere Änderungen müssen jetzt folgen und wir werden hart daran arbeiten, dass das auch stattfindet.

Der offizielle Referentenentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wurde nun veröffentlicht. Darin finden sich wichtige Regelungen wie die Entbudgetierung für hausärztliche Leistungen. Auch die hausärztlichen Pauschalen möchte der Bundesgesundheitsminister umstellen. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender, bewertet den Entwurf und erläutert, wo noch dringend Änderungen nötig sind.

GVSG: Entbudgetierung, neue Bagatellgrenzen und viele, viele Einzelregelungen

Geht es jetzt endlich los mit der Entbudgetierung?

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV: Das ist eine schwierige Frage. Wir mussten uns erst mal daran gewöhnen, dass es gar keine üblichen Referentenentwürfe mehr gibt, sondern durchgestoßene Arbeitspapiere, die aber vom Minister entsprechend kommentiert werden. Insofern muss man davon ausgehen, dass es sich um die Hausmeinung handelt. Und ja, in dem einen Entwurf zum GVSG steht tatsächlich eine Passage zur Entbudgetierung. Die ist noch sicherlich ein bisschen erklärungsbedürftig, aber grundsätzlich ist die Entbudgetierung der Hausärzte eine Forderung, die wir seit langem haben und die auch seit langem im Koalitionsvertrag steht.

Was plant der Minister sonst noch?

Damit wird es dann schon ein bisschen schwieriger. Das Gesetz ist ja sehr umfänglich, das hat er ja angekündigt, oder man kann schon fast sagen angedroht. Ein, zwei Punkte hat er noch aufgenommen, die wir gutheißen. Beispielsweise die Bagatellgrenze für Regresse. Auch das ist eine lange Forderung, die schon längst hätte erfüllt sein müssen. Wenn das kommt, ist das gut. Insofern haben wir mit der geplanten Entbudgetierung und diesen Regressen durchaus positive Aspekte. Und dann hat er allerdings verschiedene Regelungen, die bis in Feinstrukturen des GBA reinregeln, die man jetzt im Detail besprechen muss. Aber wichtig erscheint schon, die Vorgabe im hausärztlichen Versorgungsbereich, die Chroniker-Pauschalen-Systematik zu ändern, ist im Grundsatz zu begrüßen. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch immer schon versucht, hier Änderungen herbeizuführen. Auch Vorhaltepauschalen sind durchaus gangbare Wege, was wir allerdings mit großer Sorge sehen. Wir haben nicht den Eindruck, dass hierfür neues Geld eingeplant ist. Hingegen für die Praxen aber enorme Bedingungen an diese Pauschalen geknüpft werden, die massiv in die Praxisstruktur eingreifen, sicherlich auch nicht für alle Praxen leistbar sind. Denken wir nur an Wochenend- oder Abendsprechstunden, dann müssen ja nur noch die MFAs mitspielen. Und zugleich werden die Praxen in dieser Struktur auch sozusagen als Befüllungsgehilfen der ePA gesehen. Denn auch die regelhafte Befüllung der ePA ist eine Voraussetzung für das Erlangen der Pauschalen. Und da diese Regelungen im Gesetzesentwurf schon so adressiert sind, sind das auch keine Regelungen, die wir im Austausch mit den Krankenkassen noch verhandeln oder mitigieren können.

Wie sieht die Reaktion des KV-Systems dazu aus?

Deshalb fordern wir an der Stelle, ja, man kann durchaus sich über die Pauschalen Gedanken machen. Und das ist im Grundsatz ja auch eine Forderung, die wir schonmal postuliert haben. Aber das muss eigentlich aus der Selbstverwaltung geschehen. Das heißt, der korrekte Weg, da müssen wir uns ein Konzept überlegen, wie diese Pauschalen sinnvoll zu gestalten sind. Da kann man dann auch durchaus Voraussetzungen dranknüpfen. Aber das muss dann mit zusätzlichem frischem Geld geschehen. Es kann nicht sein, dass das Bestandsgeld der Hausärzte jetzt beliebig hin- und hergeschoben wird. Am Ende des Tages fordern wir eine Stabilisierung der hausärztlichen Versorgung. Das heißt, Endbudgetierung. Und von diesem neuen Nullpunkt ausgehend zusätzlich Incentivierung, wenn spezielle Zusatzleistungen von den Praxen erbracht werden.

Ist das nun ein großer Wurf für die ambulante Versorgung?

Man weiß ja überhaupt nicht, ob und wann das Gesetz kommt. Da es bisher noch nicht im offiziellen parlamentarischen Verfahren ist, da es ja offiziell überhaupt noch gar kein Entwurf ist, haben wir es zumindest im April nicht auf der Tagesordnung des Parlaments gesehen. Insofern ist die Frage, wann wird das geschehen? Wir sind nachhaltig dafür, dass die Endbudgetierung dringend und zeitnah kommen muss, genau wie die Regresse. Möglicherweise ist es sinnvoller, dass man das Gesetz vielleicht an der Stelle etwas auseinandernimmt und den ganz großen Wurf noch etwas vertagt. Man könnte zum Beispiel die Endbudgetierung oder auch die Regresse unproblematisch in kleinen Einzelregelungen, das ginge auch sehr schnell, umsetzen, damit die Kolleginnen und Kollegen nicht länger auf diese Endbudgetierung warten, die seit langem versprochen ist. Und da kann man sich viele andere Aspekte dieses Gesetzes in aller Ruhe nochmal vornehmen und kann sie dann vielleicht nach Vorschlägen aus der Selbstverwaltung in die nächsten Gesetzgebungsverfahren einleiten. Ich habe ein bisschen Sorge, dass dieses gigantische Gesetz, was ganz viele Dinge betrifft, am Ende des Tages doch zu viel will und die Folgen in weiten Teilen nicht wirklich abschätzt.

Was hätten Sie sich stattdessen gewünscht?

Also ganz klar, wir wünschen uns die Endbudgetierung, die Regresse, auch den Wegfall der Sanktionen für die Digitalisierungsmaßnahmen, das ist zum Beispiel nicht im Gesetz adressiert. Und dann wünschen wir uns mehr Freiraum für die Selbstverwaltung, dass wir vernünftige Konzepte entwickeln können, die dann wirklich die Versorgung verbessern, aber auch für die Kolleginnen und Kollegen belastbare Zusagen für die wirtschaftliche Rahmensituationen darstellen. Und das ist in dem aktuellen Entwurf überhaupt nicht abgebildet. Ganz im Gegenteil, wir müssen mit erheblichen Verwerfungen rechnen und es wird wahrscheinlich eine doch deutliche Umverteilung innerhalb der hausärztlichen Praxen geben.

Wird es irgendwelche Auswirkungen auf die Fachärzte haben?

Na gut, die Fachärzte sind ja bislang in Entbudgetierungsvorhaben noch nicht inkludiert. Wir fordern natürlich unverändert auch für die Fachärzte im nächsten Schritt die Endbudgetierung der Leistungen, denn es kann ja nicht sein, dass auf Dauer in Deutschland Ärztinnen und Ärzte im Mittel fast zehn Prozent ihrer Leistung nicht bezahlt bekommen. Sofern ist das eine lange, überfällige Forderung. Wichtig ist aber vor allen Dingen, dass wir die Praxen nicht mit zusätzlichen Aufgaben, insbesondere versorgungsfremden Aufgaben belasten und sie müssen sichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen bekommen. Wenn ich lese, dass alleine für die Etablierung von Primärversorgungszentren 2,5 Milliarden für die Krankenhäuser, für diese Strukturmaßnahmen bereitgestellt werden, das ist eine Summe, die würde mehr als ausreichen, um alle ärztlichen Leistungen in der ambulanten Versorgung zu endbudgetieren. Dafür ist offensichtlich kein Geld da und dann sieht man auch schon, wo die Schwerpunktsetzung des Ministers ist. Die ist eigentlich nicht bei den Praxen, weder bei den hausärztlichen noch bei den fachärztlichen.

Was wird die KBV nun unternehmen?

Na gut, wir werden den natürlich kommentieren. Wir werden deutlich den Finger in die Wunde legen und hoffen, dass die ein oder andere Regelung dann durch Einsicht noch geändert wird. Im Übrigen wird ja irgendwann, wenn das ein wirkliches Gesetz werden soll, ein parlamentarisches Verfahren angestrengt werden und es gibt ja die alte Regel, kein Gesetz geht so raus, wie es reingegangen ist. Und wir werden dann natürlich alles daran setzen, die Regelungen, die wir für unrockbar halten, um es mal so zu sagen, rauszubekommen.

Pläne des Bundesgesundheitsministers für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) sind jüngst publik geworden. Darin enthalten ist neben der lange erwarteten Entbudgetierung der Hausärzte und der Anpassung der Bagatellgrenzen bei Regressen eine Vielzahl an Regeln, die KBV-Vorstandsvorsitzendem Dr. Andreas Gassen zu denken geben.