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Sparpläne der GKV: Aussetzen der Neupatientenregelung geplant

Wie bewerten Sie den Referentenentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz?

Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV: „Wir schauen noch mit ungläubigem Staunen auf den Entwurf. Denn wenn das, was da drinsteht, wahr werden soll, würde es heißen, dass der jetzige Minister dem Abgeordneten Lauterbach von vor wenigen Jahren deutlich widerspricht. Er war einer der vehementesten Forderer des TSVG und dort insbesondere der Neupatientenregelung.“

Was bedeutet der Wegfall der Neupatientenregelung für die Praxen?

„Zum einen erschüttert es natürlich das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen in ihren Praxen, in den Gesetzgeber und die Zuverlässigkeit von Regelungen. Denn die Regelung ist ja noch nicht mal vollständig exekutiert. Durch Corona sind die Fristen noch nicht abgelaufen, in denen bereinigt wird, sodass noch keiner genau einen Überblick hat, was hat das eigentlich gebracht. Wir können deutlich sagen, es hat was gebracht. Es gibt mehr Termine bei den Kinder- und Jugendlichenpsychiatern zum Beispiel bis zu 30 Prozent. Die haben sich richtig ins Zeug gelegt und sehr, sehr intensiv und hart gearbeitet. Und es ist natürlich ein Wegfall von Honorar an einer Stelle, wo wir es am dringendsten brauchen. Und vor allem ist es auch nicht so, dass es zusätzlich Honorar gegeben hat, sondern es war ja lediglich die Zusage, wenn sich Praxen freischaufeln, um neue Patienten aufzunehmen, dann werden diese die Arbeit mit und andiesen Patienten vollständig bezahlt. Um mehr geht es ja gar nicht."

Welche Reaktionen erhalten Sie aus der Ärzteschaft?

„Ja, man ist erbost, also verbittert, wütend, kann kaum glauben. Das wird als Betrug gewertet. Vor zwei Jahren wurde so gesagt oder vor vier Jahren wurde so gesagt, jetzt wird so gesagt. Man hat uns insgesamt mit dem TSVG eine bittere Pille verkauft. Da sind eine Menge Dinge drin, die wir wirklich den Praxen zumuten mussten. Und um das einigermaßen erträglich zu machen, hat man dann gesagt, sie bekommen die Dinge, die sie dort leisten aber wenigstens vollständig bezahlt nach Gebührenordnung. Und dieser Teil soll jetzt zumindest anteilig zurückgeschraubt werden. Das ist Betrug.“

Welchen Anteil müssen die Niedergelassenen beim Einsparen erbringen?

„Also zum einen muss man sagen, dass durch das System der niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wir überhaupt so gut durch Corona gekommen sind. Durch diesen Schutzwall, der tatsächlich 19 von 20 Patienten behandelt hat, der ganz maßgeblich beim Impfen, beim Testen dabei war. Und die Praxen und ihre Teams haben zweieinhalb Jahre wirklich Unfassbares geleistet, zusätzlich zur Regelversorgung. Sie sind die preiswerteste Form der Gesundheitsversorgung. Und ausgerechnet hier wird jetzt an einer Stelle eingespart - und noch mal, nicht zusätzliches Geld, sondern es wird zurückgenommen, dass man ihnen für bestimmte Konstellationen die vollständige Bezahlung zugesagt hat. Denn es ist ja so, dass wir seit Jahrzehnten nicht das bezahlt bekommen, was wir eigentlich bezahlt bekommen müssten. Das nennt sich Budgetierung. Und jeder Bürgerin und jedem Bürger ist klar, wenn man am Ende des Monats nicht sein volles Gehalt kriegt, sondern unter lässigem Achselzucken gesagt bekommt, naja, wir bezahlen Ihnen aber nur 35 Stunden die Woche, weil für 40 haben wir kein Geld, dann ist das völlig inakzeptabel.“

Welchen Einfluss wird dieser Entwurf auf die Zukunft der ambulanten Versorgung haben?

„Ja zuerst, wie gesagt, gehen wir davon aus, dass das irgendwie ein Missverständnis sein muss, denn insbesondere Minister Lauterbach hat als Abgeordneter, wie gesagt, vehement für diese Neupatientenregelung gekämpft, auch für das TSVG gekämpft, hat sich da ausgesprochen persönlich engagiert und spricht auch mit Ärzteverbänden, zum Beispiel den Pulmologen, seit vielen Jahren über die Notwendigkeit einer Neupatientenregelung. Also gehen wir davon aus, dass das missverständlich dort reingekommen ist und wieder rauskommt. Wenn es allerdings so kommt, dann ist das ein eklatanter Bruch des Vertrauens. Und was die Kolleginnen und Kollegen daraus machen, ist schwer vorherzusehen. Aber es wird zumindest ein weiterer Hemmschuh bei dem Willen sein, sich niederlassen zu wollen, sich engagieren zu wollen, ambulant arbeiten zu wollen und wird uns noch größere Nachwuchsprobleme bescheren, als wir ohnehin schon haben.“

Was bedeutet das für die Patienten?

„Längere Wartezeiten, wesentlich schwerer zu findende Arzttermine. Es wird einfach so sein, dass die Praxen diese Leistungen auf Dauer überhaupt nicht mehr erbringen können. Zumal auch dieses Geld fehlt, um Personal anständig bezahlen zu können, Personal zu finden. Auch das ist ja ein großes Problem, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten. Und das insbesondere, wenn natürlich jetzt auch noch die Umsätze gekürzt werden.“

Wie sieht Ihre Botschaft an den Gesundheitsminister aus?

„Sparen im ambulanten Gesundheitswesen ist das falsche Ende. Das ist die preiswerteste Versorgung. Sie hat sich als ausgesprochen belastbar und flexibel erwiesen. Seit Jahren und Jahrzehnten sind wir mit einer Budgetierung von inzwischen sicher fast mindestens zweistelligen Milliardenbeträgen mit dabei, an nicht ausgezahltem Honorar, was uns eigentlich laut EBM zustünde, laut Gebührenordnung. Insofern bringen die Kolleginnen und Kollegen bereits seit vielen Jahren und Jahrzehnten ihren Teil zum Erhalt des Gesundheitswesens. Und es gibt sicher andere Stellen, an denen viel stärker gespart werden könnte. Ich erwähne hier zum Beispiel die Bürgertests, die noch fast mit einer Milliarde im Monat zu Buche schlagen. Ich erwähne die starke stationäre Versorgung, die wir in Deutschland immer noch haben. Und es gibt sicher noch eine ganze Reihe von anderen Punkten, zum Beispiel versicherungsfremde Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren müssen. Auch hier ist sicher noch eine ganze Menge vorher zu richten, bevor man das ambulante Gesundheitswesen kaputtspart.“

Erst 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz kam die sogenannte Neupatientenregelung in die ambulante Versorgung. Seitdem erhalten Ärzte und Psychotherapeuten die Behandlung neuer Patienten grundsätzlich extrabudgetär und damit in voller Höhe vergütet. Im Gegenzug wurde etwa die Mindestsprechstundenzeit, die Ärzte und Psychotherapeuten anbieten müssen, um fünf auf 25 Stunden erhöht. Mit der nun angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung und den Stabilisierungsplänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist nun das Aussetzen der Neupatientenregelung im Gespräch. Was er davon hält und was das für Praxen und Patienten bedeuten würde, erläutert Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.