Logo-KBV

KBV Hauptnavigationen:

Sie befinden sich:

 
Stand 13.09.2024

Reden

Bericht von Dr. Andreas Gassen an die Vertreterversammlung

Rede des KBV-Vorstandsvorsitzenden am 13. September 2024

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

ich möchte direkt anknüpfen an Petra Reis-Berkowicz, die bereits über unsere bevorstehende Wanderausstellung „Systemerkrankung. Arzt und Patient im Nationalsozialismus“ gesprochen hat.

Wir erleben gerade, dass selbst das Wissen um die Vergangenheit kein Garant dafür ist, dass Dinge sich in Gegenwart und Zukunft nicht wiederholen. Ich bin sehr froh, dass wir als Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) uns der Vergangenheit stellen und die Geschichte unserer Vorgängerorganisation nun noch einmal systematisch, unter Einbeziehung neuer Quellen, wissenschaftlich haben aufarbeiten lassen. Herzlichen Dank auch von mir im Namen des Vorstands der KBV an Herrn Dr. Ulrich Prehn und Herrn Sjoma Liederwald vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin für die akribisch geleistete Arbeit in unseren Archiven und die gelungene Aufbereitung der Ergebnisse. Die „Banalität des Bösen“, wie Hannah Arendt es nannte, findet sich hier auf erschreckende Weise wieder in Verordnungen und Aktenvermerken. Und sie erinnert uns daran, dass das, wovon wir glauben, dass es nicht passieren könnte, oft schon passiert, während wir noch dabei zusehen oder mit anderen Dingen beschäftigt sind.

Wir stehen vor großen politischen Herausforderungen, es wird aber nicht gehandelt, sondern Probleme werden so lange ignoriert oder schöngeredet, bis sie einen schier überwältigen und man sich erschrocken fragt, wie es bloß so weit kommen konnte.

Die politische Lage ist besorgniserregend und sie wird – leider nicht überraschend – immer düsterer. Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen könnten Vorboten sein für den kommenden Herbst, wenn der Bundestag neu gewählt wird. Die AfD erzielt Rekordergebnisse, das Bündnis Sahra Wagenknecht wird aus dem Stand zweistellig, während von den etablierten Parteien einzig die CDU noch gerade so mithalten kann. Die FDP erreicht in vielen Wahlkreisen nicht einmal mehr ein Prozent der Stimmen.

Gleichzeitig gab es in beiden Bundesländern die höchste Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten. Es wird auf Dauer nicht ausreichen, unliebsame Parteien nicht einzuladen oder zu versuchen, diese einfach zu ignorieren. Wir müssen diese politischen Parteien inhaltlich stellen und entzaubern, wie es zum Beispiel Sahra Wagenknecht in der Sendung „Caren Miosga“ erging. Dann besteht die berechtigte Hoffnung, dass diese Parteien, die einfache, in der Regel völlig realitätsferne Lösungen propagieren, auch keinen Erfolg mehr haben. Wir sollten uns außerdem davor hüten, weil etwa in der Thüringer AfD offen rechtsradikales Führungspersonal agiert, auch alle Wähler der AfD in Thüringen mit dem Brandmal zu versehen. Viele Menschen verzweifeln einfach an der aktuellen Politik. Sie verlieren das Vertrauen in die etablierten politischen Eliten. Mitunter kann man das ja auch nachvollziehen, wenn zum Beispiel die volle Härte des Rechtsstaats zwar diejenigen trifft, die nach Feierabend ihre Einkäufe aus dem Auto laden und dabei wenige Minuten mit einem Rad auf dem Radweg stehen, gleichzeitig angeblich asylsuchende Intensivtäter bereits lange polizeibekannt waren, aber weder im Gefängnis sitzen noch abgeschoben werden. So etwas erscheint den normalen Bürgern als blanker Hohn. Gleichzeitig erschwert es die Lage von Menschen, die berechtigt Schutz und Asyl in unserem Land suchen und verdienen. Diese Widersprüche und Unsicherheiten treiben die Menschen zu Parteien außerhalb des demokratischen Spektrums.

Aber nicht nur die Migrations- und Wirtschaftspolitik in unserem Land gibt Anlass zur Sorge. Zahllose Gesundheitsgesetze sind in der Pipeline, kaum eines ist ausgereift und geeignet, die Versorgung zu verbessern.

Nehmen wir das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Minister Lauterbach hat das KHVVG als nicht zustimmungspflichtig durch die Länder deklariert, möglicherweise hat der Minister mit dieser Sicht auf das Gesetz eine Exklusivmeinung, aber die Überweisung in den Vermittlungsausschuss und sein dortiges Scheitern werden wahrscheinlicher.

Nun würden wohl die wenigsten Menschen außerhalb des Ministeriums dem KHVVG überhaupt eine Träne nachweinen, denn es wird extrem teuer, und dass es wirklich einen Ambulantisierungsschub auslösen wird, glaubt niemand mehr. Allerdings macht dann auch eine, an sich notwendige, Notfallreform nur noch wenig Sinn. Die von Karl Lauterbach versprochene – oder sollte ich eher sagen angedrohte – „Generalüberholung“ des Gesundheitswesens scheitert oft schon an den handwerklichen Unzulänglichkeiten seiner Gesetze. Wenn man ihn dann auf Unklarheiten und Ungereimtheiten anspricht, dann heißt es, das sei doch genauso gemeint gewesen. Es steht aber nicht drin! Ich bin kein Jurist, aber Gesetze, die anders gemeint als geschrieben sind, erscheinen mir problematisch.

Unter der Überschrift unserer Kampagne „Wir sind für Sie nah.“ haben wir im Sommer die Mitglieder des Bundestags angeschrieben, um sie dafür zu sensibilisieren, welche Tragweite die Gesetze haben, über die sie nach der Sommerpause zu entscheiden haben. Nämlich, dass die sogenannten Versorgungsverbesserungs- beziehungsweise Versorgungsstärkungsgesetze im Endeffekt das Gegenteil bewirken werden. Keines dieser Gesetze schafft mehr Arztzeit, geschweige denn mehr Ärztinnen und Ärzte. Im Gegenteil: Sie machen Praxen als Arbeitsplätze noch unattraktiver, sowohl für gründende oder übernehmende Ärztinnen und Ärzte als auch für das Personal. Laut neuester, gestern vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) veröffentlichter Zahlen beabsichtigt nur die Hälfte der derzeit niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, ihre Praxis bis zum Renteneintritt fortzuführen. 20 Prozent wollen vorzeitig ganz aus der Patientenversorgung aussteigen, weitere 14 Prozent geben die eigene Niederlassung auf, um sich in einer anderen Praxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen zu lassen. Es ist aber nicht der Beruf als solcher, der sie vorzeitig aufgeben lässt. Es sind die starke Arbeitsbelastung, die hohen Praxiskosten, die Bürokratie und der Fachkräftemangel beim nichtärztlichen Personal, die immer mehr Kolleginnen und Kollegen den Bettel hinschmeißen und immer mehr Praxen von der Landkarte verschwinden lässt. Wenn Herr Lauterbach aber glaubt, diese Ärztinnen und Ärzte würden ihre Praxen zusperren, um mit glückseligen Gesichtern in das gelobte Land der Krankenhäuser und sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen hinüberzuwandern, wo dank der Krankenhausreform künftig Milch und Honig fließen, dann halte ich das für eine gesundheitspolitische Fata Morgana.

Es gibt nur wenige Aspekte der aktuellen Gesetzgebung – wie die geplante hausärztliche Entbudgetierung und die Bagatellgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen –, die zu solchen Entwicklungen ein kleines Gegengewicht bilden. Das reicht bei Weitem nicht, ist aber ein erster Minimalschritt in die richtige Richtung. Deshalb fordern wir als KBV und KVen: Diese gesetzlichen Regelungen müssen auf jeden Fall kommen, auch wenn ein Scheitern etlicher Gesetze aus dem BMG und damit auch des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) immer wahrscheinlicher werden.

Die Gesundheit und zukünftige Versorgung unserer Patientinnen und Patienten verdienen eine durchdachte und in sich schlüssige Gesundheitspolitik mit Augenmaß. Wir haben den Bundestagsabgeordneten in unserem Schreiben vorgeschlagen, sich selbst vor Ort, in ihren Wahlkreisen, ein Bild von der Lage in den Praxen zu machen und mit uns beziehungsweise den KVen darüber ins Gespräch zu kommen.

Das bislang letzte Gespräch mit Minister Lauterbach fand im August statt, dort habe ich unter anderem die Themen Entbudgetierung sowie ärztliche Weiterbildung – darauf komme ich gleich noch – adressiert. Ich habe unsere Kritik an den jüngsten Gesetzentwürfen erläutert, etwa das teilweise systematische Umgehen der Rechte der gemeinsamen Selbstverwaltung. Einige Tage später hat der Minister auf einer Pressekonferenz dann zu Protokoll gegeben, es sei ihm lieber, wenn die Selbstverwaltung die Dinge regelt, als wenn er das machen müsse. Um dann wörtlich hinzuzufügen, dies sei „kein Entgegenkommen“. Korrekt, das ist kein „Entgegenkommen“, sondern geltende Rechtslage!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geltende Rechtslage ist auch, dass körperliche Angriffe und verbale Anfeindungen in Praxen nicht erduldet werden müssen, sondern zur Anzeige gebracht werden können. Trotzdem ist es wohl so, dass immer mehr Praxen zwar über Gewalterfahrungen und ein allgemein gestiegenes Aggressionspotenzial berichten, aber längst nicht alle darauf reagieren, indem sie beispielsweise die Polizei einschalten. Wir als KBV haben über unseren Newsletter PraxisNachrichten im Zeitraum 15. August bis 2. September 2024 eine Umfrage unter den Leserinnen und Lesern durchgeführt und sie nach ihren Erfahrungen mit Gewalt und Aggressionen in der Praxis gefragt. Fast 7.600 haben geantwortet. Allein das zeigt schon, wie sehr das Thema die Praxen belastet. Laut den Ergebnissen unserer Umfrage haben 80 Prozent der Ärzte, Psychotherapeuten und Praxismitarbeitenden im vorigen Jahr verbale Gewalt erlebt – häufig mehrfach. 43 Prozent gaben an, in den vergangenen fünf Jahren auch Opfer von körperlichen Angriffen gewesen zu sein, 60 Prozent davon allein im vergangenen Jahr.

Viele Betroffene sehen als einen Grund für die höhere Gewaltbereitschaft ein gestiegenes Anspruchsdenken von Patientinnen und Patienten, dass auch von den Krankenkassen und der Politik geschürt wird. Häufig geht es dabei um zeitnahe Termine, Rezepte oder bestimmte Untersuchungen, die einige Patienten einfordern. Es wird halt schwierig, wenn Patienten sich selbst als zahlende Kunden bezeichnen und bemüßigt fühlen, die „Dienstleistungsmentalität“ der Praxis zu bemängeln. Hier würde ein Blick ins SGB V unter besonderer Berücksichtigung des Paragrafen 12 (Wirtschaftlichkeitsgebot) helfen.

Laut Umfrage hat ein Drittel der Praxen mittlerweile Vorkehrungen getroffen, um das Personal zu schützen, indem zum Beispiel Notrufsysteme installiert und Deeskalationstrainings gebucht werden. Manche gehen so weit, potenziell gefährliche Gegenstände wie Vasen, Scheren oder Brieföffner zu entfernen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann doch nicht die Lösung sein!

Der Vollständigkeit halber möchte ich, wie übrigens auch die befragten Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle betonen, dass die überwältigende Mehrheit der Patienten natürlich nicht aggressiv auftritt und sogar Verständnis für die oftmals schwierige Situation der Praxismitarbeitenden hat. Das Problem ist dennoch relevant. Immerhin hat die Bundesregierung kürzlich aufgrund der Erfahrungen zunehmender Gewalt und Übergriffe auf Polizisten, Feuerwehr, rettungsmedizinisches Personal, Kommunalpolitiker und andere eine Änderung des Strafrechts beschlossen. Demzufolge sollen unter anderem Mitarbeitende des Rettungsdienstes und in Notaufnahmen in den Strafrechtsparagrafen 113 „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ aufgenommen werden. Laut Gesetzentwurf sollen die Gerichte bei der Festlegung der Strafe künftig auch berücksichtigen, ob die „Auswirkungen der Tat geeignet sind, eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen“.

Ich habe mit Bundesjustizminister Dr. Mario Buschmann über die zunehmende Gewalterfahrung auch in den Praxen der Niedergelassenen gesprochen. Der Dialog war sehr konstruktiv, der Minister hat bekräftigt, dass Praxen für ihn essenzieller Bestandteil der Daseinsvorsorge seien und damit von der im Gesetz stehenden „Gemeinwohl dienenden Tätigkeit“ umfasst seien. Gleichwohl sei es jedoch wichtig zu wissen, ob und wie Vorfälle in Praxen, die heute schon einen Straftatbestand darstellen, auch zur Anzeige gebracht und verfolgt werden. Eine Gesetzesverschärfung allein hilft natürlich nicht, wenn die Möglichkeiten zur Durchsetzung nicht genutzt werden. Wir werden deshalb mit Unterstützung des Bundesjustizministeriums eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag geben, wie Praxen mit Gewalterfahrungen umgehen und ob diese strafrechtlich weiterverfolgt werden, um auf dieser Grundlage über weitere Maßnahmen sprechen zu können. Wir werden nachher auch eine Resolution zu diesem Thema zur Abstimmung vorlegen, um die Bedeutung dieses Themas für die Praxen zu verdeutlichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu einem anderen Thema. Wie Sie wissen, haben wir als Vorstand Ende 2023 von Ihnen als Vertreterversammlung den Auftrag erhalten, ein Konzept zur Finanzierung der ärztlichen und psychotherapeutischen Weiterbildung in Praxen zu entwickeln. Alle drei Bereiche, Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten, haben sich in mehreren Runden mit uns und der Fachebene darüber ausgetauscht. Die Hausärzte sehen derzeit keinen Änderungsbedarf an der Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung. Fachärzte und Psychotherapeuten haben sich auf ein Konzept verständigt. Dieses sieht vor, dass die Finanzierung der Weiterbildung künftig über Zuschläge im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erfolgen soll, und zwar bei den Fachärzten auf den Behandlungsfall, bei den Psychotherapeuten je Sitzung. Dabei soll die Höhe der Zuschläge sich an der Förderung in der Allgemeinmedizin orientieren – also 5.800 Euro –, wobei in unterversorgten oder drohend unterversorgten Regionen zusätzliche Zuschläge möglich sein sollen. Die Abrechnung der Leistungen erfolgt durch die jeweilige Praxis, in welcher der weiterbildende Arzt oder die Ärztin beziehungsweise der Psychotherapeut oder die Psychotherapeutin tätig ist. Sofern eine Praxis einen Arzt oder Psychotherapeuten in Weiterbildung beschäftigt, ist eine Erhöhung der Fallzahlen um mindestens 25 Prozent zulässig.

Auch hierzu stehen wir mit Minister Lauterbach in Kontakt. Für dieses Konzept sind Änderungen im SGB V nötig, da die Finanzierung der ambulanten fachärztlichen Weiterbildung nicht mehr im Paragraf 75a zur allgemeinmedizinischen Weiterbildung zu regeln wäre, sondern über die Gesamtvergütung.

Der Politik muss klar sein: Die Weiterbildung in den Praxen ist nicht bloß „nice to have“, sondern ein Schlüsselthema für die Zukunft der gesamten ambulanten Versorgung. Die Zufriedenheitswerte der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung an den Kliniken sind in vielen Fällen mangelhaft; vieles, was den medizinischen Alltag in den Praxen bestimmt, kann dort gar nicht mehr vermittelt werden. Junge Ärztinnen und Ärzte, die in einer Praxis weitergebildet wurden, bleiben häufig auch dort. Insofern sind entsprechende Finanzierungs- und Fördermaßnahmen und die Sicherung der ambulanten Weiterbildung eine unmittelbare Investition in die Zukunft der wohnortnahen Versorgung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grundsatz „ambulant vor stationär“ steht bekanntermaßen nicht nur im Gesetzbuch, sondern ist angesichts immer knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen sowie des medizinischen Fortschritts aktueller denn je. Dennoch begünstigt das SPD-geführte Gesundheitsministerium den stationären Bereich finanziell überproportional. Jeder dritte Euro an GKV-Beitragsgeldern fließt in die Krankenhäuser. In diesem Jahr werden die Ausgaben für den stationären Sektor höchstwahrscheinlich die Marke von 100 Milliarden Euro überschreiten. Das wäre eine Ausgabenverdopplung in weniger als 20 Jahren. Das KHVVG sieht weitere Finanzspritzen vor, etwa zur unterjährigen Finanzierung sämtlicher Personalkosten. Gleichzeitig liegt die Bettenauslastung in den Häusern bei 70 Prozent.

Während der Veränderungswert für die Krankenhäuser im Zeitraum 2013 bis 2024 um über 43 Prozent gestiegen ist, stieg der Orientierungswert (OW) für die vertragsärztliche Versorgung nur um 20,4 Prozent – was zwar im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ein Erfolg ist, aber eben trotzdem deutlich zu wenig. Wir brauchen endlich eine nachhaltige Finanzierung der Praxen, um die ambulante Versorgung in diesem Land zu sichern. Die vorgegebene Systematik für die jährlichen Finanzierungsverhandlungen mit den Kassen reichen dafür nicht aus.

Immerhin können in diesem Jahr die Tarifsteigerungen für die Medizinischen Fachangestellten erstmalig unmittelbar berücksichtigt werden und nicht erst mit zwei Jahren Verzug. Gleiches fordern wir seit Jahren bei der Steigerung des kalkulatorischen Arztgehalts, also der Berücksichtigung der ärztlichen Leistung im Orientierungswert. Bisher stellten die Kassen sich jedoch stur und verwiesen unter anderem auf die hohen finanziellen Belastungen, die ihnen durch die Lauterbach’schen Gesetzespläne aufgebürdet werden. Das kann und darf aber nicht das Problem der Praxen sein!

Aber es kommt Bewegung in die Diskussion. Die Krankenkassen sehen die Probleme der Praxen und es besteht mittlerweile Einigkeit, dass eine OW-Anpassung in Höhe der von den Kassen initial angebotenen 1,6 Prozent bei weitem nicht ausreichend ist. In zahllosen Gesprächen mit den Krankenkassen sind wir hier vorangekommen und ich bin daher zuversichtlich, dass wir es in der gemeinsamen Selbstverwaltung doch noch hinbekommen, eine Einigung zum OW zu erzielen. Das ändert natürlich nichts an der grundsätzlichen Unterfinanzierung der Praxen über viele Jahre hinweg. Die Notwendigkeit, die Finanzierungssystematik grundsätzlich zu verändern, ist unbestreitbar.

Um es klar zu sagen: Beitragsgelder der gesetzlich Versicherten gehören in die Versorgung und sonst nirgendwo hin! Und sie gehören dorthin, wo Versorgung tatsächlich stattfindet und nicht in Arbeitsbeschaffungsprogramme für halbleere Krankenhäuser.

Natürlich müssen wir nicht nur die Angebots-, sondern auch die Nachfrageseite in den Blick nehmen. Deshalb wären unsere Vorschläge zur einer zielgerichteteren – wohlgemerkt freiwilligen! – Steuerung von Arztbesuchen auf Basis entsprechender Wahltarife für die Versicherten das Gebot der Stunde. Dieser Thematik wird sich in der laufenden Legislatur jedoch mit Sicherheit niemand mehr annehmen, und keiner weiß, wie die politische Welt nach der nächsten Bundestagswahl aussieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht haben Sie es auch gelesen: Der Präsident von Venezuela hat verfügt, dass in seinem Land Weihnachten dieses Jahr schon am 1. Oktober gefeiert wird. Per Dekret. Er tut das nicht zum ersten Mal. Bereits zwei Mal hat er in den zurückliegenden Jahren die Weihnachtsfeierlichkeiten um drei Monate vorgezogen, um – so mutmaßen die politischen Gegner des autokratischen Machthabers – von der schlechten Lage im Land abzulenken.

Auf so eine abstruse Idee ist unsere Ampelregierung immerhin noch nicht gekommen. Aber das hat sie auch gar nicht nötig, schließlich ist Olaf Scholz „der beste Bundeskanzler, den wir je hatten“. Das hat zumindest Karl Lauterbach kürzlich gesagt, und der muss es schließlich wissen. Außerdem hat Herr Lauterbach nach eigener Aussage noch „Ideen für Verbesserungen im Gesundheitssystem“ für eine weitere Legislatur. Vielleicht ist die Idee, Weihnachten im Oktober zu feiern, doch nicht so schlecht.

Vielen Dank!
(Es gilt das gesprochene Wort)

Download