Ende der Ampelregierung: Was heißt das für die Entbudgetierung der Hausärzte?
Was bedeutet das Scheitern der Ampel für die Gesundheitspolitik?
Ja, ein bisschen zynisch könnte man sagen: außer Cannabis nichts gewesen. Das ist möglicherweise das Szenario, was hier droht nach dreieinhalb Jahren. Das Cannabis-Gesetz ist das eine Gesetz, was dieser Gesundheitsminister geschafft hat. Und das zweite ist jetzt das Krankenhausstrukturgesetz, was von allen betroffenen Parteien als unzulänglich oder sogar kritisch betrachtet wird und von dem es schon heißt, dass es, sobald eine neue Regierung da ist, grundsätzlich überarbeitet wird. Ob noch weitere Gesetze im Gesundheitsbereich kommen, steht in den Sternen. Wir fordern natürlich weiterhin die hausärztliche Entbudgetierung. Wir fordern weiterhin unverändert dringend Abbau der Bürokratie, der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Wir brauchen dringend die Anpassung in der Sozialversicherungspflicht im Akut- und Bereitschaftsdienst. Alles Dinge die uns zugesagt wurden und Dinge, die schon längst in Gesetzesform hätten gegossen werden können, hätte man nicht diese Gesetze völlig überfrachtet mit ideologischen Großprojekten, die Milliardenkosten und fraglichen Nutzen haben.
Was heißt das nun für die Entbudgetierung?
Ja, zurzeit ist völlig offen, ob noch ein Gesetz kommt. Wir haben schon von Anfang an gesagt, diese Entbudgetierung könnte auch als Artikel, als Zusatz auf ein anderes Gesetz mit draufgesetzt werden, so wie man es bei den Kinderärzten gemacht hat, technisch überhaupt kein Problem. Alle Daten und Fakten liegen vor. Die Kosten sind sehr, sehr überschaubar. Das Signal wäre kaum hoch genug zu bewerten. Wir erwarten wirklich, dass das kommt. Dreieinhalb Jahre sind genug Zeit für so ein Gesetz. Wenn man allerdings die letzte Anhörung dazu sich anschaut, dann staunt man Bauklötzchen. Man geht ja davon aus, wenn eine Regierung die Mehrheit verliert, aber weiterhin Gesetze machen will, dann sucht sie den Konsens und speckt eher ab und entrümpelt Gesetze. Das Gegenteil ist passiert. Es sind etliche neue, zusätzliche, zum Teil ungeheuer teure Forderungen, Sprachmittlungen im Gesundheitswesen etc. dazu gekommen, sodass man eigentlich als Beobachter kaum glaubt, dass das ernsthaft gemeint sein kann. Aber wie gesagt, formal ist nach einer möglichen Vertrauensfrage des Bundeskanzlers die Zusage da, dass man sich noch mal hinsetzt und schaut. Insofern, wir fordern weiter, dass das noch kommt, auch noch in dieser Legislatur. Ob es die Regierenden und die Parlamentarier hinkriegen, das steht in den Sternen.
Was würde passieren, wenn die Entbudgetierung nicht mehr kommt?
Andersrum, selbst wenn es käme, würde es sicher fast 2026 werden, bis es wirksam wird. Denn es muss erstmal als Gesetz wirksam werden, dann muss sich im Bewertungsausschuss in den respektiven Gremien darum gekümmert werden, dann müssen die KVen es umsetzen. Das heißt also schon jetzt sind wir eher dabei, dass es in 2025 kaum noch wirksam werden kann, also erst 2026. Umso dringender ist, dass es jetzt kommt. Kommt es nicht, muss eine neue Regierung erstmal die Arbeit aufnehmen. Es muss erstmal eine Koalition gefunden werden, dann die Regierung die Arbeit aufnehmen und dann ist die Frage, wie schnell und wie dringlich werden die gesundheitspolitischen Probleme gesehen angesichts des Krieges in Europa und der immer aggressiveren, asymmetrischen Kriegsführung der Russen auch gegen Deutschland ist die große Frage, was kommt zuerst, was wird zuerst gemacht und ein bisschen die Befürchtung, dass Gesundheit vielleicht nicht ganz vorne dran ist. Wir würden auch bei einer neuen Regierung selbstverständlich die Forderung aufstellen, dass die Entbürokratisierung, der Abbau der Wirtschaftlichkeitsprüfung, ein wirklicher Bürokratieabbau, der den Namen verdient hat, und auch die Entbudgetierung der Hausärzte sofort und im Anschluss auch der Fachärzte dringend erforderlich ist, Weiterbildung etc. Wir haben eine Reihe von Themen, echte Ambulantisierung, all das ist notwendig.
Haben Sie eine Erklärung für die Verzögerungen?
Das ist das, was wir uns die ganze Zeit schon eigentlich fragen und wo wir uns verwundert die Augen reiben. Nochmal das Cannabis-Gesetz, dafür hat es eine Mehrheit gegeben, das ging recht schnell, das ist etwas, was wir überhaupt nicht brauchten. Wir sind bis heute dagegen, wir halten es für ein falsches Konzept. Gleichzeitig ist eben in dem anderen Bereich das Gesetz, das GVSG, um das es in diesem Fall geht, so aufgebläht worden mit immer neuen, immer zusätzlichen, grundsätzlichen und sehr, sehr teuren Großprojekten, dass klar war, dass es dazu eigentlich kaum eine Mehrheit innerhalb der noch damals funktionierenden Koalition gab. Und wir haben deswegen immer für eine sehr viel schlankere Lösung der wirklich notwendigen Schritte plädiert, dazu konnte man sich offenbar nicht aufraffen. Man war ideologisch so überladen, dass man sich da rein verstrickt und verkämpft hat und das Ergebnis ist jetzt kein Ergebnis.
Wie bewerten Sie das Gesetz zur Krankenhausreform?
Also zum einen als nicht unmittelbar betroffene Institution, ich muss das gleich korrigieren, wir sind schon betroffen, aber wir sind ja nicht Krankenhausträger, können wir nur feststellen, dass offenbar alle einig sind, dass dieses Gesetz erhebliche Gefahren birgt. Und hier gilt nicht der Spruch, wenn alle meckern, ist es richtig, sondern es beschweren sich die meisten über dieselben Probleme. Das heißt also gleichgerichtete Kritik. Und das muss schon nervös machen. Es ist tatsächlich wohl ein Blindflug ohne Instrumente. Was für uns besonders negativ heraussticht, ist, angekündigt war eine Ambulantisierung. Was kommt, ist eine Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung ohne irgendeine verbessernde Maßnahme in der ambulanten Versorgung. Das heißt, man schafft strukturelle Konkurrenz, die anders finanziert, refinanziert ist, subventioniert ist zum ambulanten Gesundheitssektor. Das ist hoch riskant. Das ist auch unfair und auch nicht zielführend. Für den hausärztlichen Bereich gilt insbesondere, dass jetzt Kliniken in Konkurrenz zu Hausärzten geöffnet werden und gleichzeitig auch, was besonders verrückt klingt, der Kern der hausärztlichen Fortbildung auch in solchen Krankenhäusern stattfinden können soll. Da herrscht Einigkeit auch mit dem deutschen Hausärztinnen und Hausärzte-Verband. Das halten wir für absolut einen falschen Weg. Wir hätten uns eine Ambulantisierung anders vorgestellt. Wir stellen sie uns anders vor. Wir haben andere Vorschläge. Die ist in diesem Gesetz nicht abgebildet.
Werten Sie die ePA als einen Erfolg Lauterbachs?
Bei der ePA schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Grundsätzlich ist die Idee einer digitalisierten Kommunikation im Gesundheitswesen hervorragend. Das ist etwas, was ich sehr begrüßen würde. Sie hat mehrere relativ einfache Voraussetzungen. Zugang zu digitalen Medien überall. Schon das ist in Deutschland nicht gegeben. Denken Sie an bestimmte Regionen, in denen Sie nicht mal 5G-Netz haben und kein Glasfaser, wo es also tatsächlich schon technisch schwierig wird, herausfordernd. Zweitens muss es ein barrierearmer, gut verständlicher und leicht zu bedienender und zuverlässiger, im Massenbetrieb, im Alltagsbetrieb zuverlässiger Mechanismus sein. Auch das ist noch nicht garantiert. Das ist noch nicht der Fall. Bisher sind große Teile der Digitalisierung immer noch sehr zeitraubender, weitaus aufwendiger als der bisherige analoge Prozess. Das ist natürlich eine Situation, die man nicht akzeptieren kann. Wenn etwas analog viel, viel schneller geht, dann mache ich es weiter analog. Dann muss ich es nicht digitalisieren. Der letzte Punkt ist die Frage der Inhalte der ePA. Ich gestehe ein, dass man am Anfang nicht gleich alles auf einmal fordern sollte. Das ist immer ein Fehler. Insofern ist das vorsichtige Anfangen mit noch nicht allzu vielen überfrachteten Inhalten in Ordnung. Aber ich sehe noch überhaupt nicht, welche Inhalte mittelfristig tatsächlich einen echten Mehrwert in der Behandlung von Patienten darstellen. Bisher ist und bleibt diese elektronische Patientenakte eine Ansammlung von PDF-ähnlichen Dateien, die nach und nach da rein müssen. Es ist noch ein sehr, sehr weiter Weg für eine wirklich intelligente, digitale Akte, die mehr ist als nur eine Ansammlung von PDF-Dokumenten.
Was erwarten Sie nun bis zu den Neuwahlen?
Wir haben auch zuletzt noch mal als Pressemitteilung ganz klar unsere Forderungen geäußert. Wir erwarten tatsächlich, dass sich die Regierenden und auch die Parlamentarier insofern zusammenraufen, als die notwendigen und bisher auch konsentierten Kernelemente, nochmal die hausärztliche Entbudgetierung, die Abschaffung oder die deutliche Reduktion der Wirtschaftlichkeitsprüfung, eine substanzielle Entbürokratisierung und auch die zwingend erforderlichen Artikel oder Gesetzesergänzungen zur Sozialversicherungspflicht im ärztlichen Bereitschaftsdienst, noch kommen. Als Einzelgesetz oder angehängt an andere Gesetze, das ist möglich, das ist bei gutem Willen möglich, bei Willen zu Konsens und das ist auch unter den Parteien Konsens gewesen. Also weg mit allen ideologischen Co-Projekten, weg mit aller Überfrachtung, Reduktion auf das Wesentliche, dann wäre es technisch möglich, das noch zu schaffen und das erwarte ich tatsächlich auch vom Gesetzgeber.
Das Scheitern der Ampelregierung lässt auch einige wichtige Vorhaben im Gesundheitswesen offen. Dazu gehört die Entbudgetierung der Hausärzte. Was das für die Gesundheitsversorgung heißt und welches Fazit er zur Arbeit des Bundesgesundheitsministers zieht, erläutert der stellvertretende Vorsitzende der KBV, Dr. Stephan Hofmeister.