Bericht von Dr. Thomas Kriedel an die Vertreterversammlung
Sitzung am 17. September 2021
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
auch von mir ein herzliches Willkommen zu dieser Vertreterversammlung. Es ist schön, Ihnen endlich wieder persönlich hier in Berlin zu begegnen.
Heute muss ich Ihnen über eine Menge an Themen berichten, da die Digitalisierung in den nächsten Wochen und Monaten mit voller Wucht die Praxen erreichen soll – und das mit Anwendungen, die noch nicht praxisreif sind. Es wird mit den Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) sehr bald sehr ernst.
Nicht geradeheraus gesundheitsgefährdend oder gar lebensbedrohlich, wie durch Pandemie oder Hochwasser. Aber im Sinne von: Jetzt gilt´s. In zwei Wochen, nur wenige Tage nach der Bundestagswahl, startet die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) – und damit die erste echte Massenanwendung in der TI. Und schon zum Jahreswechsel die zweite Massenanwendung, das elektronische Rezept (eRezept).
Die eigentlich erste Massenanwendung – die elektronische Patientenakte (ePA) – kommt bislang praktisch gar nicht zur Anwendung. Gerade einmal ein Prozent der gesetzlich Krankenversicherten hat nach unserer Kenntnis eine ePA. Anders als beim elektronischen Covid-Zertifikat scheint sich ihnen der praktische Alltagsnutzen der ePA noch nicht zu erschließen.
Vergleichsweise massiv fiel dagegen die Nachfrage beim Covid-Zertifikat aus. Und damit sehen wir uns wieder einmal bestätigt: Wenn für die Endverbraucher der persönliche Nutzen einer digitalen Anwendung erkennbar ist, dann wollen sie diese haben.
Bei eAU und eRezept aber ist es nicht eine Frage des Wollens; stattdessen entscheidet der reine medizinische Bedarf darüber, in welcher Häufigkeit sie zur Anwendung kommen. Wir sprechen von fast 350.000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am Tag.
Und sogar von knapp zwei Millionen Verordnungen pro Tag! Da können wir es uns nicht auch nur einen einzigen Tag leisten, unausgereifte Technik und Abläufe in die Praxen geschüttet zu bekommen – das bringen auch die Vertreterversammlungen auf Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) immer wieder zum Ausdruck.
Doch genau das riskieren das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und gematik – entgegen all unseren Warnungen –, um allen realistischen Einschätzungen zum Trotz ihre rein politisch gesetzten Starttermine für das vermeintliche Prestige-Projekt Digitalisierung zu halten.
Wer die Augen nicht verschließt, der sieht es auf einen Blick: Der 1. Oktober ist zu früh für den Start der eAU. Möglicherweise ist auch der 1. Januar zu früh – sowohl für eAU als auch für eRezept. Diese Sorge bringen Sie ja auch heute in Ihren Anträgen zum Ausdruck. Die Zahl der erfolgreichen Testergebnisse ist äußerst überschaubar und die Zahl der beteiligten Praxen alles andere als repräsentativ: Vorhersagen für den bundesweiten Roll-out sind jedenfalls jetzt pure Spekulation.
Für die eAU sind nach unseren Informationen gerade einmal sieben gesetzliche Krankenkassen derzeit technisch annahmebereit. Sieben von mehr als 100. In zwei Wochen sollen aber die Praxen die eAU an alle Krankenkassen übermitteln. Auch deshalb haben wir im Sinne der Praxen die Übergangszeit erwirkt: Sie können im vierten Quartal noch das vertraute Muster 1 verwenden. Das empfehlen wir den Praxen unter den gegebenen Umständen ganz ausdrücklich, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Auch wenn als offizieller Starttermin der 1. Oktober weiter gilt. Darauf pocht das Bundesgesundheitsministerium.
Guten Gewissens können wir nur Folgendes raten:
- Falls nicht längst geschehen: umgehend alle erforderlichen Komponenten beschaffen; nicht zuletzt den KIM-Dienst installieren, also den sicheren Mail-Dienst für den Versand von eAU sowie eArztbrief. Denn zum 30. September endet zudem dessen Versand über KV Connect.
- Die Übergangszeit dafür nutzen, sofern möglich, außerhalb der Sprechstunden die eAU Schritt für Schritt zu testen.
Bei allem Ärger: Nutzen Sie die Gelegenheit! Der Gesetzgeber hatte ursprünglich bestimmt, dass die Software für die eAU exakt zum Stichtag installiert wird. Also sozusagen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion; von Donnerstagabend auf Freitag früh.
Das ist wieder einmal rein politisch und rein technisch gedacht. Ohne jegliche Rücksicht auf die Versorgungsrealität in den Praxen. Und nun holt die technische Realität die politischen Pläne ein.
Der 1. Oktober ist auch Stichtag für den bundesweiten Roll-out des Feldtests für das eRezept. Das vorgeschaltete Ausprobieren in der so genannten „Fokusregion Berlin-Brandenburg“ umfasste bisher gerade einmal 17 Praxen und auch nur wenige Apotheken.
Ursprünglich avisiert waren 50 Praxen und 120 Apotheken. Nach unseren Informationen war anfänglich jedes einzelne versandte eRezept fehlerhaft. Und jetzt soll der Feldtest auch schon bundesweit ausgerollt werden. Bei der Komfortsignatur hakt es ebenfalls noch, unter anderem, weil nicht alle Hersteller von Praxisverwaltungssoftware (PVS) fristgerecht ausgereifte Lösungen vorlegen. Die Modellversuche zeigen, dass viele TI-Lösungen noch nicht ausgereift sind.
Die gematik pflegt derweil weiter ihre optimistischen Marketing-Versprechen. Man schaut dort offenbar durch die berühmten rosaroten Brillengläser.
Wir aber reiben uns auch in Sachen ePA verwundert die Augen: Der neu entfachte Konflikt zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragten und den Krankenkassen schafft für Patienten und Praxen mehr Verwirrung als Klarheit. All das hätte vor dem Start abschließend geklärt sein müssen.
Hinzu kommt, dass damit offenbar auch die unsägliche Idee eines eKioskes in Praxis-Wartezimmern wiederaufersteht. Unbestritten ist, dass es auch Zugriffsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten ohne eigene mobile Endgeräte geben muss. Die Ärzteschaft ist aber weder IT-Dienstleister noch Schreibkraft – und schon gar nicht die „Bundeszentrale für Telematik-infrastrukturelle Aufklärung“!
Aus Praxisperspektive wird es ohnehin auch Aufgabe sein, den Patientinnen und Patienten zu erklären, was sich jetzt bei der AU für sie ändert, oder dann bei der Verordnung. Auch das Nebeneinander, ich möchte sagen Durcheinander, von eRezept und Papier-Rezept ist erklärungsbedürftig.
Zusammengefasst heißt das: Die TI beschert den Praxen bislang nicht nur mehr Aufwand, die Praxen müssen diesen Aufwand auch noch ihren Patientinnen und Patienten erklären; haben dafür aber weniger Zeit, weil sie für die undurchdachten digitalen Anwendungen zu viel Zeit aufwenden müssen.
All diese Anwendungen – das muss ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen – sind bislang rein politisch gewollt. Und rein politisch sowie technisch umgesetzt. Kein digitales Formular hat auch nur eine einzige medizinische Behandlung verbessert. Stattdessen aber die ambulante medizinische Versorgung massiv erschwert. Und das in einer Pandemie!
Der Nationale Normenkontrollrat hat jüngst ein digitales Servicehandbuch veröffentlicht. Die Lektüre ist äußerst empfehlenswert. Es führt durch die typischen Phasen eines Digitalisierungsprojekts – wie wir sie stets bei der Digitalisierung der Formulare angemahnt haben. Der Normenkontrollrat gibt uns da nun recht. Und so fordern wir die gematik dazu auf, künftig dementsprechend vorzugehen.
Auch muss aus unserer Sicht stets für das Testen aller Komponenten und Anwendungen ein verlässlicher und valider Standard geschaffen werden. Sollte die gematik das nicht selbst schaffen, muss die Politik vielleicht über eine Art TÜV für alles nachdenken, was in die TI und damit auch in die Praxen soll.
Wir wollen Digitalisierung. Und zwar eine Digitalisierung, die der Versorgung der Menschen dient – und nicht eine, in der die Vertragsärzte und Psychotherapeuten versorgungsfremden politischen Ambitionen dienen.
Die Vertragsärztinnen und Psychotherapeuten bemessen das erforderliche Tempo einfach nur daran, was ihre ureigene Aufgabe ist: nämlich die Versorgung von Menschen. Diese müssen im Fokus stehen – und nicht Chips, Bits und Klicks.
Unter diesem Paradigma wollen wir das Terminservice- und Versorgungsgesetz- und Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz-relevante Angebot der KBV und KVen angehen, wie es Andreas Gassen bereits angesprochen hat. Vor allem für die Entlastung von Arzt sowie Psychotherapeut, für einen schnellen und bedarfsgerechten Zugang dorthin und für mehr Zeit für die Versorgung.
Die Digitalisierungspolitik hat sich in den vergangenen Jahren von dieser Versorgungsperspektive gelöst und verselbstständigt. Im Mittelpunkt steht dort ein technisches Vorpreschen um des technischen Fortschritts willen. Mit bitterernstem Erfolg: Ein Großteil der Praxen ist ernüchtert und ermüdet. Nicht nur pandemiemüde, wie die meisten im Land. Sondern auch digitalisierungsmüde – aufgrund der Tatsache, dass sie die einzigen sind, die bislang so umfassend digitalisiert haben, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben und schon stehen neue Vorhaben an.
Wenn man dies sieht, wird klar: Wir brauchen dringend eine Konsolidierungsphase, in der sich die bereits eingeführten oder angestoßenen Anwendungen erst einmal in den Praxisabläufen etablieren können, bevor schon wieder Neues die Abläufe zusätzlich aufmischt.
Auch die Industrie braucht offenbar mehr Zeit. Denn wir haben unseren Auftrag für die ersten vier Medizinischen Informationsobjekte schon im vergangenen Jahr pünktlich erfüllt und jetzt scheinen sie erst einmal brachzuliegen. Und das, obwohl es mit elektronischen Impfpass oder elektronischen Mutterpass endlich einmal konkret werden könnte für die Patientinnen und Patienten.
Aber: eAU und eRezept binden nach unseren Informationen zu viele Ressourcen, auch bei den Herstellern, sodass sie keine Zeit für die ePA haben. Spontane Aufträge wie das digitale EU-Covid-Zertifikat haben zusätzlich die Zeitpläne durchgerüttelt. Dabei wurde die ePA vollmundig als das größte Digitalisierungsprojekt des deutschen Gesundheitswesens angekündigt.
Möglicherweise hat man damit den Mund ein wenig zu voll genommen. Insgesamt fällt die Digitalisierungsbilanz der nur noch wenige Wochen amtierenden Bundesregierung trüb aus: Der Großen Koalition ist kein einziges großes IT-Projekt geglückt – weder der verschlüsselte DE-Maildienst noch der elektronische Personalausweis. Und woran haperte es vor allem?
An fehlenden Anwendungsmöglichkeiten, die eine tragfähige Nachfrage generiert hätten. Auch hier wurde offenkundig nicht vom Bedarf her gedacht, sondern das Pferd von hinten aufgezäumt. Und so sind ausgerechnet die viel gescholtenen Vertragsärzte und Psychotherapeuten die einzigen, auf die der Bundesgesundheitsminister in diesen zurückliegenden Monaten bei der Digitalisierung so breit setzen konnte. Er hat damit aufs richtige Pferd gesetzt, aber die Nerven überstrapaziert.
Die Belange der Praxen müssen endlich Berücksichtigung finden – und zwar von Anfang an, bei jedem einzelnen Digitalisierungsvorhaben, das die ambulante Versorgung betrifft. Und dafür – das haben uns die zurückliegenden Jahre zunehmend gelehrt – brauchen wir eine entscheidende Stimme in der Gesellschafterversammlung der gematik. Es ist unhaltbar, dass solch tiefgreifenden Beschlüsse gegen uns entschieden werden. Und damit gegen die Praxen, deren gesellschaftlichen Wert die Pandemie so deutlich vor Augen geführt hat.
Unsere Aufgabe ist es, die Erfahrungen und Meinungen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten zusammenzubringen – und zwar nicht als Blockierer, sondern als Mitgestalter. Und auch als solcher muss man sagen dürfen, wenn etwas nicht funktioniert.
Ein echter Fortschritt in diesem Sinne wäre es zudem, wenn die komplette Betriebsverantwortung für die TI bei der gematik liegt, auf jeden Fall in einer Hand – mit einer Ausfallsicherheit von 99,99 Prozent und redundanten Strukturen als Sicherheitsnetz. Und zwar für alles, was zum Betrieb der TI zählt.
Wenn der Gesetzgeber schon alle in die TI zwingt, dann muss er auch dafür sorgen, dass alle die TI zuverlässig und sicher nutzen können.
Bis dahin und darüber hinaus brauchen wir ein Frühwarnsystem bei Störungen für Praxen verständlich, einfach auffindbar und hilfreich. Praxen müssen sofort informiert werden, ob die Störung aus der TI kommt oder mit ihrem PVS zusammenhängt. Sie müssen im Praxisbetrieb wissen, ob sie auf analoge Rückfall-Regelungen umstellen müssen, bis eine TI-Störung behoben ist, und ob sie ihren IT-Dienstleister oder PVS-Hersteller kontaktieren müssen, weil die Störung in ihrer Praxis liegt. Derzeit ist es pures Rätselraten und meist ein zunehmend verzweifeltes Herumtelefonieren.
Und auch wir, die KBV, müssen den Informationen mühsam nachlaufen und forschen. Das ist inakzeptabel und muss sich dringend und nachhaltig ändern!
Allein in den zurückliegenden Wochen gab es 15 Störungen in der TI. Im Schnitt dauerte es sieben-einhalb Stunden, bis diese Störungen behoben waren. Das entspricht zusammengenommen grob fünf Millionen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und fast 30 Millionen Verordnungen.
Diese Störungen haben wir zum Anlass genommen, unsere Forderungen an die gematik zu adressieren. Außerdem werden wir unsere Forderung nach einem Frühwarnsystem in den entsprechenden Gremien einbringen.
Zudem arbeiten wir fortwährend an der IT-Strategie der KBV, um auch mit einer vermutlich neuen Bundesregierung sofort konstruktiv, aber bestimmt auf eine fortschrittliche und zugleich verträgliche Digitalisierung hinzuwirken.
Hier wird die neue Bundesregierung schnell und umfassend tätig werden müssen.
Deshalb platzieren wir auch diese Positionen, wie bereits erwähnt, gezielt zur Bundestagswahl. Versorgung ist dabei das zentrale Stichwort: Sie muss in den Fokus gerückt werden und am Anfang aller Überlegungen stehen.
Damit distanzieren wir uns klar von der aktuellen Strategie der gematik für die sogenannte „TI 2.0“. Diese stellt – sehr zu unserem Bedauern, aber kaum zu unserer Überraschung – wieder vor allem die Technik-Perspektive an den Anfang aller Überlegungen. Diese wollen BMG und gematik noch drei Tage nach der Bundestagswahl durchdrücken, in der nächsten Gesellschafterversammlung am 29. September.
Da soll das Konzept zur TI 2.0 beschlossen werden. Mit seinen 51 Prozent will das jetzige BMG das gematik-Konzept nach altem, technikzentriertem Strickmuster noch schnell vor der Übergabe an eine neue Regierung fixieren. Bleibt das Konzept bis dahin so unkonkret, wie es bis dato ist, werden wir dem nicht zustimmen können. Und so werden wir wohl wieder überstimmt werden. Das hat gravierende Konsequenzen.
Beispielsweise geht es dabei um eine völlig neue Sicherheitsarchitektur, die der gematik vorschwebt. Sie will sich von dem in sich geschlossenen Gesundheitsnetz verabschieden und künftig den sogenannte „Zero-Trust-Ansatz“ verfolgen. Dieser ist nicht per se schlecht. Ausgangspunkt ist die Abkehr von der Hardware-Zentrierung, also vom Konnektor als Anschluss an die TI.
Wirklich konkret ist die gematik, wie gesagt, noch nicht geworden. Aber das BSI hat bereits zehn Forderungen formuliert. Und es gibt noch kein einziges Netz oder Netzwerk dieser Größenordnung, in dem das Zero-Trust-Prinzip schon erprobt worden wäre. Wieder einmal droht also den Praxen eine Situation, in der sie als Experimentierfeld ausgenutzt werden. Und das alles offenbar nur, weil die gematik den Betrieb einer sicheren Infrastruktur nicht hinbekommt.
Nach unserer vorläufigen Einschätzung bedeuten die Pläne:
Die TI wird weiterhin vor unerwünschten Zugriffen und Angriffen geschützt – die Praxen jedoch nicht mehr. Die Sicherheitsfunktionen des Konnektors für die Praxen entfallen komplett. Politik und gematik müssen einen verträglichen und praktikablen Wechsel vom Hardware-Konnektor zur Software-Lösung gewährleisten. Und das alles muss funktionieren, bevor sich die Hardware-Konnektoren 2024 automatisch deaktivieren, wie vom Gesetzgeber dereinst vorgeschrieben.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch unsere Herzen hängen wahrlich nicht am Hardware-Konnektor. Wir brauchen echten Fortschritt. Und auch beim Konnektor war die Herangehensweise nicht versorgungszentriert, sondern rein technikzentriert – wie vielfach von uns moniert. So hat man bei seiner Konzeption einige Versorgungsszenarien unbeachtet gelassen, beispielsweise die Kommunikation mit den Laboren deutlich verkompliziert.
Aber was nicht geht, ist allen Praxen einen Konnektor mitsamt mehreren Upgrade-Stufen aufzuzwingen und ihn später nur teilweise zu ersetzen und die Praxen dann mit dem Flicken der damit gerissenen Lücke allein zu lassen.
Deshalb stellen wir vier Bedingungen auf:
- Die Betriebs- und Sicherheitsverantwortung der gematik im Zero-Trust-System muss eindeutig geregelt und eingerichtet sein.
- Kein Abwälzen der Verantwortung sowie organisatorischer Maßnahmen auf die Praxen.
- Ein bruchfreier Übergang, ohne Stören des Praxisablaufs.
- Alle Kosten, die durch die neuen Vorgaben entstehen, sind durch den Gesetzgeber beziehungsweise durch die Krankenkassen zu finanzieren.
Ein weiteres Thema, das schon länger auf unserer Agenda ganz oben steht, ist die sektorenübergreifende Qualitätssicherung (sQs). Auch bei der sQS hakt einiges durch schlecht gemachte Digitalisierung – und durch einen vollkommen entfesselten Bürokratismus.
Und auch über die sQS habe ich bereits in zahlreichen Vertreterversammlungen berichtet. Und auch hier stellen wir fest: Der Gesetzgeber hat – ähnlich wie bei der Digitalisierung – den eigentlichen Zweck aus den Augen verloren. Nämlich eine konstant gute Versorgung der Patientinnen und Patienten. Das hat Stephan Hofmeister bereits dargelegt.
Ich möchte seine Bitte um Ihre Unterstützung bei der Neuausrichtung der sQS bekräftigen. Der Irrglaube, dass ungehemmtes Datensammeln automatisch Qualität bedeutet, muss ein Ende haben.
Ein weiteres Qualitätsthema hat uns alle in den zurückliegenden Monaten beschäftigt: Qualität und Entwicklung in Praxen (QEP) – unser eigenes Qualitäts-Management-System. Für den Moment nur so viel: QEP wird fortgesetzt; inklusive Zertifizierung.
Mit Irrungen und Wirrungen ist das zweckentfremdete Sammeln von Daten auch in einem ganz anderen Zusammenhang verquickt: In Kürze – es wird wohl so kommen – wird die sogenannte E-Evidence-Verordnung auf EU-Ebene verabschiedet. Geplant ist, dass Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten bei Verdacht auf gewisse Straftaten auch die Herausgabe medizinischer Daten verlangen können.
Es herrscht noch sehr viel Verwirrung. Niemand konnte uns bisher mitteilen, was das im Einzelnen konkret bedeutet. Wir sehen hier nichts weniger in Gefahr, als das ärztliche Berufsgeheimnis. Das lehnen wir entschieden ab!
Über die CPME, unsere Ärzteverbandsvertretung in Brüssel, versuchen wir, positiv einzuwirken. Auch haben wir das BMG kontaktiert. Es ist ebenfalls auf EU-Ebene aktiv, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz.
Wir hoffen, dass Parlament und Rat hier noch zu einer Einigung finden, die dem deutschen Datenschutz und der ärztlichen Schweigepflicht entspricht. Ansonsten nämlich ist in Deutschland nicht nur die ePA in Gefahr – sogar die Digitalisierung insgesamt.
Das wäre ganz und gar nicht in unserem Sinne. Denn wir meinen es ernst mit der Digitalisierung und der Versorgung. Genauer: mit der Digitalisierung im Sinne der Versorgung.
Vielen Dank.
(Es gilt das gesprochene Wort.)