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aktualisiert am 21.03.2025

Psychiatrische und psychotherapeutische Komplexbehandlung

Die Komplexversorgung ist ein ambulantes Behandlungsprogramm bei insbesondere schweren psychischen Erkrankungen. Die Patientinnen und Patienten werden von einem multiprofessionellen Team engmaschig und kontinuierlich betreut.

Zwei separate Versorgungsangebote für zwei unterschiedliche Patientengruppen stellen sicher, dass spezifisch auf die besonderen Bedürfnisse von Erwachsenen einerseits sowie Kindern und Jugendlichen andererseits eingegangen werden kann. Die beiden Versorgungsangebote haben vergleichbare Ziele, unterscheiden sich aber wesentlich im Aufbau und in der Struktur.

Aktuelles

Die ambulante Komplexversorgung schwer psychisch kranker Kinder und Jugendlicher kann am 1. April starten. Die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband haben sich im ergänzten Bewertungsausschuss auf die Vergütung geeinigt (Mehr zum Thema).

Komplexversorgung für Erwachsene

Für psychisch schwer erkrankte Menschen im Erwachsenenalter gibt es die Komplexversorgung bereits seit 2021. Weitere Informationen dazu hat die KBV hier zusammengestellt.

Seitenübersicht: Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche

Komplexversorgung für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche

Das Besondere an diesem Versorgungsangebot speziell für Kinder und Jugendliche mit schweren psychischen Erkrankungen ist, dass patientenindividuell ein multiprofessionelles Team gebildet wird, das eng zusammenarbeitet.

Das sogenannte Zentrale Team besteht aus mindestens einem Arzt, einem Psychotherapeuten und einer koordinierenden Person. Es erstellt zu Beginn der Behandlung gemeinsam einen Gesamtbehandlungsplan für die Patientin oder den Patienten und tauscht sich in regelmäßigen Abständen patientenbezogen aus.

Die Mitglieder des Zentralen Teams beziehen im „Erweiterten Team“ Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialarbeiter, Kita-Erzieher, Lehrer und viele weitere Akteure wie Ergotherapeuten bei Bedarf in die Behandlung mit ein. Und sie sorgen dafür, dass die Behandlung kontinuierlich bleibt und soweit es geht außerhalb des Krankenhauses stattfindet.

Falls eine stationäre Versorgung unvermeidlich wird, kümmern sie sich um eine gute Übergabe, beispielsweise durch die aktive Überleitung in die verschiedenen Versorgungsangebote eines Krankenhauses. Später soll die nahtlose Transition der erkrankten Jugendlichen in die Versorgung für Erwachsene durch professionelle Unterstützung gewährleistet werden.

Ein weiteres Ziel des Versorgungsprogramms ist es, die Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu reduzieren und den Zugang zu Behandlungsangeboten zu erleichtern. Teilnehmende Ärzte und Psychotherapeuten verpflichten sich, Diagnostik und Therapiebeginn binnen weniger Tage für die Betroffenen zur Verfügung zu stellen.

Die wesentlichen Bausteine der Behandlung

Ob eine Patientin oder ein Patient für die ambulante psychiatrische Komplexbehandlung geeignet ist, stellt ein Arzt oder ein Psychotherapeut anhand der vorgegebenen Kriterien in der Eingangssprechstunde fest. Im Anschluss erfolgt eine differentialdiagnostische Abklärung unter Berücksichtigung bereits vorliegender Befunde. Darauf aufbauend erstellt der Bezugsarzt oder der Bezugspsychotherapeut den Gesamtbehandlungsplan.

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  • Gesamtbehandlungsplan: Auf Basis der differentialdiagnostischen Abklärung erstellt der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten und den Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten einen Gesamtbehandlungsplan. Soweit erforderlich erfolgt hierzu eine interdisziplinäre Abstimmung. Der Gesamtbehandlungsplan ist für alle aus dem Zentralen und Erweiterten Team verbindlich. Er soll mindestens halbjährlich überprüft werden.
  • Fallbesprechung: In regelmäßigen Fallbesprechungen überprüft das Zentrale Team, inwieweit die Therapieziele erreicht sind oder ob eine Anpassung des Gesamtbehandlungsplans notwendig ist. Solche Fallbesprechungen sollten mindestens einmal im Quartal erfolgen, erstmals spätestens einen Monat nach dem Erstkontakt mit der Patientin oder dem Patienten in der Eingangssprechstunde. Fallbesprechungen sind auch per Video oder Telefon möglich. Die Beteiligten des Erweiterten Teams können bedarfsweise hinzugezogen werden.
  • Hilfekonferenzen: Ärzte und Psychotherapeuten aus dem Zentralen Team können sich mit Vertretern aus Schulsozialarbeit, Eingliederungshilfe, Jugendamt, Öffentlichem Gesundheitsdienst, Beratungsstellen, Sozialpsychiatrischen Diensten oder anderen für die Behandlung relevanten SGB V-externen Akteuren in Hilfekonferenzen austauschen. Die Hilfekonferenzen dienen der Planung und Koordination der notwendigen Leistungen und Unterstützungssysteme, insbesondere bei den Übergängen, zum Beispiel von der Schule in den Beruf.
  • Prävention von oder Intervention bei (sexueller) Gewalt: Praxen, die an der Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche teilnehmen, müssen sich gemäß QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gezielt mit dem Thema Prävention von oder Intervention bei (sexueller) Gewalt befassen. Zur Prävention und Verbesserung des Schutzes von psychisch schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen vor (sexueller) Gewalt haben die an der Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten die Aufgabe, auf Basis einer Risiko- und Gefährdungsanalyse für ihre Praxis Schutzkonzepte mit konkreten Schritten und Maßnahmen zu erarbeiten.
  • Etwaige Überleitung von und ins Krankenhaus: Falls der Patient oder die Patientin während der ambulanten Komplexbehandlung teilweise oder komplett stationär behandelt werden muss, können bei vorliegender Einwilligung Angaben zum Behandlungsverlauf und den Therapiezielen an das Krankenhaus übermittelt werden. Für einen nahtlosen Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Anschlussversorgung lautet die Empfehlung: Das Krankenhaus übermittelt die Entlass-Diagnostik an einen Arzt oder eine Ärztin beziehungsweise einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin, die an der ambulanten Komplexversorgung teilnimmt und vereinbart einen Eingangssprechstunden-Termin. Dieser liegt maximal zehn Tage nach voraussichtlicher Entlassung aus dem Krankenhaus.
  • Transition in die Erwachsenenversorgung: Zur Überleitung in die Versorgung für Erwachsene  soll mindestens eine Fallbesprechung mit dem weiterbehandelnden Arzt oder Psychotherapeuten stattfinden. Alle, die an der gesundheitlichen Versorgung beteiligt sind, sowie der Patient oder die Patientin selbst und die Angehörigen werden in die Entscheidung einbezogen. Die koordinierende Person unterstützt den Prozess kommunikativ und organisatorisch. Damit die Transition gut gelingt, sollten auch erste Kontakte in die sozialen Hilfe- und Unterstützungssysteme für Erwachsene sowie in die Komplexversorgung für Erwachsene hergestellt werden.

An wen richtet sich das Programm?

Vorgesehen ist das Versorgungsangebot insbesondere für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche mit einem komplexen Behandlungsbedarf bis zum vollendeten 21. Lebensjahr.

Ein komplexer Behandlungsbedarf liegt vor, wenn der Einsatz von mindestens zwei Behandlungsmaßnahmen durch unterschiedliche Disziplinen nötig ist, um die Erkrankung des Patienten zu heilen, zu lindern oder eine Verschlimmerung abzuwenden.

Kriterien

Die drei Kriterien, die alle zutreffen müssen, damit eine Patientin oder ein Patient laut Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ambulante Komplexversorgung geeignet ist, sind:

  • mindestens eine psychische Störung gemäß der 1. Achse des MAS aus dem V. Kapitel (F1-F6, F84, F9) oder F7x.1 des ICD-10-GM
  • mindestens ein psychosozialer Umstand aus der Kategorie „assoziierte aktuelle abnormale psychosoziale Umstände“ gemäß der 5. Achse des MAS
  • mindestens eine ernsthafte soziale Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus gemäß den Stufen 4 bis 8 auf der 6. Achse des MAS

Abrechnung und Vergütung

Für zusätzliche Aufgaben, die in der Komplexversorgung von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendliche bestehen, wird der EBM zum 1. April 2025 um elf neue Gebührenordnungspositionen (GOP) erweitert. Die Vergütung erfolgt zunächst extrabudgetär.

Eingangssprechstunde

Für die Anamnese und die Prüfung der Voraussetzungen zur Teilnahme an der Komplexbehandlung in der Eingangssprechstunde gibt es die GOP 37600. Der Arzt oder Psychotherapeut, der die Leistungen durchführt, kann die GOP bis zu 6-mal im Krankheitsfall (=Jahr) abrechnen, davon bis zu 3-mal auch mit relevanten Bezugspersonen ohne Anwesenheit des Patienten. Die GOP ist mit 236 Punkten je 15 Minuten bewertet.

Differentialdiagnostik

Die Abrechnung der Differentialdiagnostik erfolgt über die GOP 37610 (231 Punkte je 15 Minuten). Die GOP kann ebenfalls bis zu 6-mal im Krankheitsfall berechnet werden, davon bis zu 3-mal auch mit relevanten Bezugspersonen ohne Anwesenheit des Patienten.

Erstellen eines Gesamtbehandlungsplans

Der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut rechnet hierfür einmal im Krankheitsfall die GOP 37620 (448 Punkte) ab. Eine höhere Vergütung erhält er, wenn das Zentrale und Erweiterte Team zusammen aus mindestens 5 Teilnehmern besteht: statt 448 Punkte sind es dann 627 Punkte. Er muss dies in seiner Abrechnung kennzeichnen.

Zusätzliche Leistungen des Bezugsarztes oder Bezugspsychotherapeuten

Der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut kann für zusätzliche Aufgaben 1-mal im Behandlungsfall (= Quartal) die GOP 37625 (450 Punkte) ansetzen. In dieser Zusatzpauschale ist zum Beispiel die Aktualisierung des Behandlungsplans enthalten. Eine höhere Vergütung erhält er, wenn das Zentrale und Erweiterte Team zusammen mindestens 5 Teilnehmer umfasst: statt 450 Punkte sind es dann 630 Punkte. Er muss dies in seiner Abrechnung kennzeichnen.

Überleitung in die Erwachsenenversorgung

Für Leistungen bei der Überleitung von Jugendlichen in die Erwachsenenversorgung erhalten Bezugsärzte und -psychotherapeuten einen Zuschlag zur GOP 37625. Den Zuschlag (GOP 37626 / 232 Punkte) können sie 2-mal im Krankheitsfall ansetzen, wenn eine medizinische Begründung vorliegt, ansonsten 1-mal. Voraussetzung für die Abrechnung der GOP 37626 ist, dass in den letzten vier Quartalen vor der Überleitung in die Erwachsenenversorgung mindestens eine Fallbesprechung nach der GOP 37650 mit dem für Erwachsene zuständigen Arzt- oder Psychotherapeuten stattgefunden hat.

Die Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person

Der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut kann für die Koordination der Versorgung einmal im Quartal die GOP 37630 (577 Punkte) berechnen. Auch hier ist es so: Besteht das zentrale und erweiterte Team aus mindestens 5 Teilnehmern ist die Vergütung höher (808 Punkte).

Aufsuchen eines Patienten durch eine nichtärztliche Person

Für das Aufsuchen eines Patienten im häuslichen Umfeld durch eine nichtärztliche Person kann der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut die GOP 37635 (166 Punkte) abrechnen – bis zu 5-mal im Quartal.

Fallbesprechung

Ärzte und Psychotherapeuten, die an einer Fallbesprechung teilnehmen, können bis zu 8-mal im Behandlungsfall die GOP 37650 (128 Punkte je 10 Minuten) berechnen. Die GOP kann auch abgerechnet werden, wenn die Fallbesprechung telefonisch oder per Video stattfindet. In diesem Fall kann der Vertragsarzt oder -psychotherapeut, der die Videofallbesprechung initiiert, zusätzlich den Technikzuschlag für Videosprechstunden abrechnen (GOP 01450).

Zuschlag zur Fallbesprechung

Nimmt mindestens eine nichtärztliche oder nichtpsychotherapeutische Person an der Besprechung teil, zum Beispiel ein Physiotherapeut, rechnet der Bezugsarzt oder -psychotherapeut zusätzlich die GOP 37651 (128 Punkte je zehn Minuten) ab. Die Leistung kann bis zu 8-mal im Quartal berechnet werden und ist zur Weiterleitung an die nichtärztliche oder nichtpsychotherapeutische Person bestimmt.

Hilfekonferenz

Eine weitere Pauschale wird für die Teilnahme an Hilfekonferenzen gezahlt; GOP 37655 (128 Punkte je 10 Minuten). Die Leistung kann bis zu 8-mal im Krankheitsfall (= Jahr) abgerechnet werden, auch wenn die Konferenz telefonisch oder per Video stattfindet.

Zuschlag zur GOP 37655

Nimmt mindestens eine nichtärztliche oder nichtpsychotherapeutische Person an der Besprechung teil, rechnet der Bezugsarzt oder -psychotherapeut zusätzlich die GOP 37656 (128 Punkte je zehn Minuten) ab. Die Leistung kann bis zu 8-mal im Quartal berechnet werden und ist zur Weiterleitung an die nichtärztliche oder nichtpsychotherapeutische Person bestimmt.

Hinweise

Bei der Abrechnung der Gebührenordnungspositionen gibt es Einiges zu beachten. Mehrere Pauschalen können beispielsweise nur von Ärzten oder Psychotherapeuten abgerechnet werden, die die Bezugsfunktion übernehmen.

Hinweise zur Abrechnung und Vergütung im Detail

  • Nur Vertragsärzte und -psychotherapeuten, die zur Teilnahme an der psychiatrischen Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche nach der KJ-KSVPsych-Richtlinie berechtigt sind und dies gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung erklärt haben, dürfen die GOP abrechnen mit Ausnahme der GOP 37650: Die GOP für Fallbesprechungen dürfen auch Vertragsärzte und -psychotherapeuten abrechnen, die nicht an der Komplexversorgung teilnehmen.
  • Die GOP 37620, 37625, 37630, 37635, 37651 und 37656 können ausschließlich durch den Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeuten abgerechnet werden.
  • Voraussetzung für die Abrechnung der GOP 37610 und 37620 ist, dass der Patient in dem aktuellen Quartal oder dem Quartal davor in der Eingangssprechstunde war und dafür die GOP 37600 berechnet wurde.
  • Die GOP 37650 und 37655 können auch berechnet werden, wenn die Fall- bzw. Hilfekonferenz telefonisch oder per Video stattfindet. Der Arzt oder Psychotherapeut, der eine Videofallkonferenz initiiert, kann zusätzlich den Technikzuschlag für Videosprechstunden (GOP 01450) abrechnen.

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Seitenübersicht: Komplexversorgung für Erwachsene

Netzverbund - Ambulante Komplexversorgung bei psychischen Erkrankungen

Behandlung im multiprofessionellem Team - Komplexversorgung für schwer psychisch erkrankte Erwachsene

Netzverbund und Kooperationspartner

Um eine zeitnahe und aufeinander abgestimmte Versorgung bieten zu können, schließen sich Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen wie Psychiatrie, Neurologie und Psychosomatik sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu regionalen Netzverbünden zusammen.

Diese kooperieren mit Krankenhäusern, mit der häuslichen psychiatrischen Pflege sowie anderen Gesundheitsberufen wie der Sozio- und Ergotherapie.

Innerhalb des Verbundes haben die Patientinnen und Patienten eine feste Ansprechperson: den Bezugsarzt beziehungsweise -psychotherapeuten.

Ihm oder ihr zur Seite steht eine Person, zum Beispiel eine Medizinische Fachangestellte, die die Behandlung koordiniert, sich um organisatorische Aufgaben kümmert und die Patientinnen und Patienten zum Beispiel dabei unterstützt, Behandlungstermine wahrzunehmen.

Auf einen Blick: Kernelemente des Programms

Gesamtbehandlungsplan und Fallbesprechungen

Für jeden Patienten wird ein Gesamtbehandlungsplan erstellt, in dem die Ziele und Maßnahmen aufgeführt sind. Damit alle involvierten Berufsgruppen aufeinander abgestimmt agieren können und im engen Austausch bleiben, finden regelmäßig Fallkonferenzen statt. 

Schneller Zugang

Betroffene, die sich an einen Netzverbund wenden, sollen möglichst innerhalb von sieben Werktagen einen Termin erhalten. Das gleiche gilt für die sich anschließende differentialdiagnostische Abklärung.

An wen richtet sich das Programm?

Das Angebot richtet sich an Menschen insbesondere mit schweren psychischen Erkrankungen und einem komplexen psychiatrischen, psychosomatischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf.

Außerdem muss eine Erkrankung F10 bis F99 nach Kapitel V der ICD-10-GM vorliegen.

  • Komplexer Behandlungsbedarf: Dieser liegt vor, wenn zur Erreichung der Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerung der Erkrankung pro Quartal der Einsatz von mindestens zwei Maßnahmen der Behandlung durch unterschiedliche Disziplinen nötig ist.
  • Schwere der Erkrankung: Für die Komplexbehandlung kommen Patienten infrage, deren GAF-Wert höchstens ≤ 50 beträgt. GAF steht für „Global Assessment of Functioning“. Mit der Skala wird das allgemeine Funktionsniveau bei psychiatrischen Erkrankungen erfasst.
    Weitere Informationen zur GAF-Skala

Aufbau und Struktur

Die Organisation der psychiatrischen und psychotherapeutischen Komplexbehandlung erfolgt über Netzverbünde. Dafür schließen Vertragsärzte und -psychotherapeuten einen Netzverbundvertrag.

  • Mitglieder im Netzverbund: Ein Netzverbund besteht aus mindestens zehn Mitgliedern. Davon müssen mindestens vier Fachärzte für Psychotherapie und Psychiatrie / Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Nervenheilkunde / Neurologie und Psychiatrie sowie mindestens vier Psychotherapeuten sein.
  • Kooperationspartner: Jeder Netzverbund schließt Kooperationsverträge mit mindestens einem Krankenhaus, das eine psychiatrische oder psychosomatische Einrichtung für Erwachsene hat und einem Dienst für psychiatrische häusliche Krankenpflege sowie mit mindestens einer Person aus den folgenden Gesundheitsberufen: Ergotherapie und Soziotherapie. Bei Bedarf ziehen sie weitere Fachleute oder Dienste hinzu. Mindestens ein kooperierendes Krankenhaus muss in der Region des Netzverbundes für die regionale psychiatrische Pflichtversorgung zuständig sein. 
  • Bezugsärzte/-psychotherapeuten: Als zentrale Ansprechperson trägt sie Verantwortung für die Erstellung und Fortschreibung des Gesamtbehandlungsplans. Sie muss einer der folgenden Fachgruppen angehören: Psychiatrie und Psychotherapie / Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Nervenheilkunde oder Neurologie und Psychiatrie oder Psychotherapie angehören und über einen vollen Versorgungsauftrag verfügen.
  • Koordinationsperson: Die Koordination des Versorgungsangebots übernimmt eine qualifizierte Fachkraft, die beispielsweise in Soziotherapie, Ergotherapie oder in psychiatrischer Krankenpflege ausgebildet oder als Medizinische Fachangestellte tätig ist. Diese Person unterstützt die Patientin oder den Patienten unter anderem dabei, die Behandlungstermine wahrzunehmen. Hierzu gehören auch die Vereinbarungen von Terminen, ein individuelles Rückmeldesystem zum Einhalten der Termine, Hausbesuche und die Organisation des Informationsaustauschs im Behandlungsteam.
  • KV-Genehmigung: Die Netzverbünde benötigen eine Genehmigung ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV), um die Leistungen der Komplexversorgung (Abschnitt 37.5 EBM) abrechnen zu können. Dazu reichen sie den Netzverbundvertrag sowie die Kooperationsverträge ein. Weitere Informationen dazu erteilt die jeweilige KV.

So läuft die Komplexversorgung ab

 

Zugang zur Komplexversorgung

Für die Versorgung in der psychiatrischen Komplexbehandlung ist eine Überweisung oder Empfehlung erforderlich, sofern der direkte Zugang nicht bei einem Netzverbundmitglied erfolgt ist. Eine Überweisung oder Empfehlung kann durch jeden Vertragsarzt erfolgen, eine Empfehlung kann auch durch Vertragspsychotherapeuten, sozialpsychiatrische Dienste, ermächtigte Einrichtungen, Krankenhäuser oder Reha-Einrichtungen erfolgen.

Eingangssprechstunde

Als erstes erfolgt dann der Besuch der Eingangssprechstunde, die jeder Netzverbund anbieten muss. Ein Termin soll innerhalb von sieben Werktagen nach Überweisung/Empfehlung möglich sein. In der Eingangssprechstunde wird geprüft, ob die ambulante Komplexversorgung für die Patientin oder den Patienten das richtige Angebot ist.

Differentialdiagnostische Abklärung

Liegen alle Voraussetzungen vor, soll innerhalb von weiteren sieben Werktagen die differentialdiagnostische Abklärung erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine psychische, somatische und soziale, soweit erforderlich interdisziplinär abzustimmende ärztliche Diagnostik und Indikationsstellung, auf deren Grundlage zumindest ein vorläufiger Gesamtbehandlungsplan erstellt wird.

Gesamtbehandlungsplan mit Kriseninterventionsplan

Auf Basis der differentialdiagnostischen Abklärung erstellt der Bezugsarzt/-psychotherapeut in Abstimmung mit der Patientin beziehungsweise dem Patienten ein auf die jeweilige Krankheitssituation spezifisch ausgerichteter Gesamtbehandlungsplan. Soweit erforderlich stimmen sich Ärzte und Psychotherapeuten hierzu interdisziplinär ab, da psychische, somatische und soziale Seiten der Erkrankung im Behandlungsplan gleichermaßen berücksichtigt werden sollen. Der Behandlungsplan ist für alle, die an der Komplexversorgung beteiligt sind, verbindlich. Er wird in den Fallbesprechungen überprüft und falls es nötig ist, angepasst.

Fallbesprechungen

Inwieweit die Therapieziele erreicht werden oder gegebenenfalls eine Anpassung des Gesamtbehandlungsplans notwendig ist, wird mindestens zweimal im Quartal in Fallbesprechungen mit allen an der Behandlung Beteiligten überprüft – erstmals spätestens einen Monat nach dem Erstkontakt mit der Patientin oder dem Patienten in der Eingangssprechstunde. Fallbesprechungen sind auch per Video oder Telefon möglich.

Anschlussversorgung

Wenn die Therapie beendet ist oder die halbjährliche Überprüfung der Einschlusskriterien ergibt, dass die Patientin oder der Patient die Voraussetzungen für die Komplexversorgung nicht mehr erfüllt, erstellt der Bezugsarzt/-psychotherapeut einen Überleitungsplan, der die wesentlichen Informationen über den Behandlungsverlauf enthält.

Abrechnung und Vergütung

Mehrere Gebührenordnungspositionen (GOP) sind zum 1. Oktober 2022 in den neuen Abschnitt 37.5 des EBM aufgenommen worden.

Leistungen der Komplexversorgung auf einen Blick

GOP Leistung Hinweis Bewertung (Punkte)
37500 Eingangssprechstunde je vollendete 15 Minuten, höchstens viermal im Krankheitsfall 236
37510* Differentialdiagnostische Abklärung je vollendete 15 Minuten, höchstens viermal im Krankheitsfall 231
37520 Erstellen eines Gesamtbehandlungsplans einmal im Krankheitsfall 448
37525 Zusatzpauschale für Leistungen des Bezugsarztes oder des Bezugspsychotherapeuten einmal im Behandlungsfall 450
37530 Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person einmal im Behandlungsfall 577
37535 Aufsuchen eines Patienten im häuslichen Umfeld durch eine nichtärztliche Person je Sitzung, höchstens dreimal im Behandlungsfall 166
37550 Fallbesprechung je vollendete 10 Minuten, höchstens viermal im Behandlungsfall 128
37551 Zuschlag zur GOP 37550 bei Teilnahme eines oder mehrerer nichtärztlicher / nichtpsychotherapeutischer Teilnehmer nach § 3 Abs. 3 und 5 KSVPsych-RL je vollendete 10 Minuten, höchstens viermal im Behandlungsfall 128
37570 Zusatzpauschale für zusätzliche Organisations- und Managementaufgaben sowie technische Aufwände im Rahmen eines Netzverbundes einmal im Behandlungsfall 200

* kann ausschließlich von Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenheilkunde sowie Neurologie und Psychiatrie berechnet werden.

Hinweis: Die GOP 37520, 37525, 37530, 37535, 37551 und 37570 können ausschließlich durch den Bezugsarzt oder den Bezugspsychotherapeuten berechnet werden.

Hinweise zur Abrechnung und Vergütung im Detail

  • Eingangssprechstunde: Die GOP 37500 ist mit 236 Punkten je vollendete 15 Minuten bewertet und höchstens viermal im Krankheitsfall berechnungsfähig.
  • Differentialdiagnostische Abklärung: Die GOP 37510 ist mit 231 Punkten je vollendete 15 Minuten bewertet und höchstens viermal im Krankheitsfall berechnungsfähig.
    Die GOP 37510 können Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenheilkunde sowie Neurologie und Psychiatrie abrechnen.
  • Erstellen eines Gesamtbehandlungsplans: Hierfür ist die GOP 37520 einmal im Krankheitsfall berechnungsfähig (448 Punkte).
    Die GOP kann ausschließlich der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut abrechnen.
  • Zusatzpauschale für Leistungen des Bezugsarztes oder des Bezugspsychotherapeuten: Der Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut, der die zentrale Ansprechperson für den Patienten ist, kann für zusätzliche Aufgaben einmal im Quartal die GOP 37525 (450 Punkte) ansetzen. In dieser Zusatzpauschale ist zum Beispiel die Aktualisierung des Behandlungsplans enthalten.
  • Die Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person: Für die Koordination der Versorgung durch eine Medizinische Fachangestellte oder eine Person, die beispielsweise in psychiatrischer häuslicher Krankenpflege ausgebildet ist, kann der Bezugsarzt oder -psychotherapeut einmal im Quartal die GOP 37530 (577 Punkte) abrechnen. Muss der Patient im häuslichen Umfeld aufgesucht werden, ist die GOP 37535 (166 Punkte) bis zu dreimal im Behandlungsfall berechnungsfähig.
  • Fallbesprechungen: Ärzte und Psychotherapeuten, die an einer Fallbesprechung teilnehmen, können bis zu viermal im Behandlungsfall die GOP 37550 (128 Punkte je 10 Minuten) berechnen. Die GOP kann auch abgerechnet werden, wenn die Fallbesprechung telefonisch oder per Video stattfindet. In diesem Fall kann der Vertragsarzt bzw. -psychotherapeut, der die Videofallbesprechung initiiert, zusätzlich den Technikzuschlag für Videosprechstunden abrechnen (GOP 01450).
    Weitere Informationen zum Technik- und Förderzuschlag
  • Zuschlag zu Fallbesprechungen: Nimmt mindestens eine nichtärztliche Person an der Besprechung teil, zum Beispiel eine Ergotherapeutin, rechnet der Bezugsarzt oder -psychotherapeut zusätzlich die GOP 37551 (128 Punkte je zehn Minuten) ab.
  • Organisations- und Managementaufgaben: Eine Zusatzpauschale wird für Organisations- und Managementaufgaben sowie technische Aufwände des Netzverbundes gezahlt; der Bezugsarzt- oder Bezugspsychotherapeut kann die GOP 37570 (200 Punkte) einmal im Quartal abrechnen.