Dr. Ulrich Casser
Dezernat Vergütung und Gebührenordnung
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte diese thematische Einführung recht kurz und einfach halten, aber angesichts des Themas, es geht um nichts Geringeres als die Finanzierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten. Und Sie wissen das genauso gut wie ich, dass es ein sehr komplexes Gefüge. Einfach geht da eigentlich gar nicht. Deswegen sehen Sie es mir nach, wenn ich auf Zahlen und auch Berechnungen zurückgreifen muss, durch die ich gerne führen möchte.
Es sind heute zwei Themen herauszugreifen, die derzeit gerade in Bearbeitung, Verhandlung und Diskussion sich befinden. Das ist zum einen die Aufhebung der Neupatientenregelung. Herr Dr. Gassen hat es gerade gesagt, die uns das TSVG, das Terminservice- und Versorgungsgesetz aus dem Jahre 2019 zum 01.09.2019, also gerade mal drei Jahre her, beschert hat, die nun aufgehoben werden sollen.
Und das zweite Thema sind die Auswirkungen der derzeitigen Preisentwicklungen in Deutschland, die die Kosten auch in den Vertragsarztpraxen in die Höhe treiben und damit für die Zukunft im nächsten Jahr insbesondere für die Finanzierung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten Auswirkungen haben werden. Darüber würde ich Sie gerne thematisch einführen. Zunächst zur Neupatientenregelung. Was ist das TSVG überhaupt? Das hat uns das ja beschert im Jahre 2019, in Ergänzung zu dem, was Sie eben im Einspieler vom damaligen MdB Lauterbach gehört haben, hier das, was die Regierung dazu gesagt hat, die begleitenden Informationen vom damaligen Bundesgesundheitsminister. Es geht darum, die Wartezeiten für GKV-Versicherter in Arztpraxen zu verkürzen und das mit einem finanziellen Anreiz zu versehen.
Das ist das erste Statement als politisches Ziel, was in der Pressemitteilung seinerzeit in Begleitung zu diesem gesetzgeberischen Vorhaben verlautbart wurde. Als Größenordnung, die wir erwarten durften, für diesen finanziellen Anreiz ist bundesweit ein Volumen von 800 Millionen Euro vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Öffentlichkeit gesagt worden. Und daran wollen wir nun versuchen, das zu messen. Was ist aber die TSVG? Was sind die TSVG-Regelungen? Ich habe hier eine Tabelle vorbereitet, die links in der Spalte die vier Regelungen, die das TSVG aufgerufen hat, noch mal skizziert. Das erste ist die Neupatientenregelung, die heute in der Diskussion und Beratung steht. Für die Behandlung und Untersuchungen von Neupatienten in der Arztpraxis sollen extrabudgetäre Vergütungen gezahlt werden.
Darüber hinaus die offene Sprechstunde, zu dem grundversorgende Fachärzte verpflichtet wurden, diese anzubieten in einem Umfang von mindestens fünf Stunden die Untersuchungen und Behandlungen von GKV-Versicherten, die in dieser Zeit stattfinden, auch diese sollen extrabudgetär vergütet werden. Dafür sind alle Vertragsärzte, nicht nur diejenigen die die offene anbieten müssen, per Zulassungsverordnung als gesetzgeberische Maßnahme verpflichtet wurden, ihr Sprechstundenangebot insgesamt auf 25 Stunden anzuheben, auch das eine Regelung des TSVG.
Der dritte Aspekt ist die Hausarzt-Terminvermittlung. Der Hausarzt erhält für eine Terminvermittlung im fachärztlichen Versorgungsbereich eine zusätzliche Pauschale und die Untersuchung und Behandlungen, die der Facharzt bei diesen Patienten dann durchführt, wird der Facharzt extra budgetär vergütet und schließlich für die Termine, die die Termine-Servicestelle vermittelt, auch diese Untersuchungen und Behandlungen die in solchen vermittelten Terminen durchgeführt werden, werden extrabudgetär vergütet. Was heißt aber nun extrabudgetäre Vergütung? Vor allen Dingen heißt das nicht, dass das ein Bonus ist, so wie es gestern von der GKV bezeichnet worden war, sondern hier erhalten die Vertragsärzte die Bezahlung der Untersuchungen und Behandlungen, die der Bewertungsausschuss, also ein Gremium aus gesetzlicher Krankenversicherung und KBV kalkuliert hat.
Das was wir im Bewertungsausschuss also festgestellt haben, als Kostengröße für diese Untersuchungen und Behandlungen, die sollen so bezahlt werden, wie wir es ausgerechnet haben. Das ist der Hintergrund des TSVG, das ist der finanzielle Anreiz. Offenbart einmal mehr, dass die Versorgung innerhalb eines Budgets nicht dazu geeignet ist, die Kosten in der Arztpraxis zu decken, denn die Regel ist es in der vertragsärztlichen Versorgung, dass eben weniger bezahlt wird als das, was vergütet wird und daraus ergibt sich auch der finanzielle Anreiz.
Und den sehen Sie hier auf dieser Tabelle auch von seinen Anteilen her. Die erste Zahlenspalte zeigt das Volumen auf ein Jahr hochgerechnet aus den aktuellsten Zahlen die uns vorliegen, zur diesen Abrechnungen der TSVG-Regelungen, dass was also an die Vertragsärzte geflossen ist, 4,4 Milliarden Euro in einem Jahr. Der Hauptanteil 88%, das sind die 4,8 Milliarden Euro. Die 3,8 Milliarden Euro, die Sie hier in dieser Tabelle sehen, gehen auf die Neunpatientenregelung. Das ist also das Hauptinstrument dieses TSVG, um die Wartezeiten in Arztpraxen zu verkürzen bei GKV-Versicherten. Der Anreiz ist aber nicht in dieser Höhe, also in diesen 4,4 Milliarden Euro gegeben, sondern es wird verrechnet, was für die Neupatienten üblicherweise vergütet wird oder auch für die anderen Konstellationen.
Das sehen Sie in der zweiten Spalte, fachtechnisch ausgedrückt mit dem Begriff Bereinigung. Das wird also verrechnet mit dem, was Sie in der ersten Spalte sehen. Der finanzielle Anreiz, der zusätzlich in der Vergütung der Vertrags ärztlichen Versorgung ankommt, ist das, was Sie in der letzten Spalte sehen. Das ist die Differenz dieser beiden Zahlen, und das ist die Zahl, die wir mit dem vergleichen müssen, was der Bundesgesundheitsminister mit den 800 Millionen Euro als zusätzliche Vergütung gemeint hat.
Und Sie sehen hier 533 Millionen sind insgesamt aus der TSVG-Regelung bisher nach den aktuellen Zahlen hervorgegangen. Das hat sich also noch gar nicht in diesen drei Jahren komplett entfalten können. Drei Jahre ist auch keine lange Zeit. Insoweit ist da noch Ausbaupotenzial und das zu erwartende Potenzial ist noch längst nicht erreicht. Es sind noch 300 Millionen, die hier aufgeholt werden müssten, damit diese Regelungen auch ihre Potenzial entfalten können.
Eine erste Korrektur ist mit dem Arzneimittelgesetz erfolgt. Die Bereinigung ist aufgrund der pandemischen Entwicklung und der geringeren Inanspruchnahme in dieser Zeit in Vertragsarztpraxen korrigiert worden. Die Zahl 533 die Sie hier sehen und 415 viele Neupatienten, die sind eher überschätzt. Das wird korrigiert. Die Bereinigung wird höher werden, die Differenz dementsprechend kleiner, sodass wir damit schon einen Abbau dieser Vergütung in einem ersten Gesetzgebungsverfahren, was mittlerweile auch Gesetz und Recht ist, durchgeführt ist.
Nun kommt aber das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und das soll die Neupatientenregelung, also den Haupttreiber, das Hauptinstrument dieser TSVG-Regelung wieder abschaffen. Die Begründung dazu sehen Sie hier auf dieser Folie. Die bislang vorliegenden Zahlen lassen nicht darauf schließen, nach Aussage der Begründung im Regierungsentwurf zu diesem Finanzstabilisierungsgesetz, dass es zu einer Verbesserung der Versorgung der Patienten gekommen ist.
Also es wird behauptet hier, dass die Wartezeiten nicht verkürzt wurden. Es ist auch zu erwähnen, dass neben der Aufhebung der Neupatientenregelung zusätzlich auch ein Schlupfloch, was der Gesetzgeber entdeckt hat, was sich dann ergeben könnte, indem man die Neupatienten in die offene Sprechstunde überführt und dann die extrabudgetäre Vergütung erzielt, ist auch zugemacht worden. Der Gesetzentwurf sieht auch die unbefristete Bereinigung der Regelung der offenen Sprechstunde vor, was bedeutet, wenn mehr Bedarf dort generiert wird, wird das zusätzlich bereinigt, es ist also aus der MGV zu finanzieren und damit keine zusätzliche Vergütung und nimmt damit natürlich den Anreiz Patienten in offenen Sprechstunden zu behandeln.
Die Kritik an diesem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in diesem Punkt ist es, dass die Behauptung, die Regelung bei den Neupatienten hätte nichts gebracht, ist tatsächlich eine Behauptung. Dazu gibt es keine Studien. Es liegt nichts vor, was einer in vernünftigen Evaluation entgegenkommt. Den Aufwand, den das vertragsärztliche System dafür betrieben hat, sich umzustellen, eben Neupatienten vermehrt zu behandeln und frühzeitig zu behandeln. Dieser Aufwand ist nicht bemessen, das ist nicht erhoben. Und darüber hinaus gibt es auch die Evaluation dessen, was auf der Vergütungsseite passiert ist, mit dem was ich hier gerade dargestellt habe. Nur in dieser Form, der zusätzliche Anreize gegeben wird, ist bei 415 Euro auf der Basis der Abrechnung, aber von einer Evaluation kann man hier nicht sprechen.
Unser Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung hat im Juli bereits mal ausgewertet, was man aus den Abrechnungen ablesen kann, die sich aus dieser Regelung ergeben haben und hat genau das Gegenteil festgestellt von dem, was in der gesetzlichen Begründung steht, nämlich, dass die Behandlung zusätzlicher Neupatienten vermehrt stattgefunden hat. Die Datengrundlage war das vierte Quartal 2021 und das wurde verglichen mit der vorpandemischen Zeit viertes Quartal 2019.
Es sind deutlich mehr Neupatienten behandelt worden und auch die Behandlung für diese Patienten ist im Umfang gesteigert worden. Das ist eher ein Hinweis dafür, dass das Gesetz auch erfolgreich war und dafür auch der Aufwand betrieben wurde und dementsprechend auch bezahlt werden musste. Das ist der Ausdruck von diesen 415 Millionen Euro, die dafür zur Verfügung gestellt worden sind. Der zweite kritikwürdige Punkt ist, man hat es hier mit einer Vertragsärzteversorgung zu tun.
Ein recht komplexes großes Versorgungssystem für die Versorgung von 70 Millionen GKV-Versicherten in Deutschland. Das soll umgebaut werden. Das bedeutet ein Aufwand und dafür ist es wirklich gerechtfertigt und das hat der Gesetzgeber damals auch 2019 wahrgenommen und auch umgesetzt. Dieser Aufwand muss auch bezahlt werden. Was macht man jetzt aber mit der Aufhebung der Neupatientenregelung? Man entzieht diese Grundlage.
Der Aufwand wurde betrieben, aber man entzieht die Grundlage. Man wickelt das ja rück ab, sodass das Geld auch nicht mehr zur Verfügung steht, und das ist wirklich kritikwürdig, weil der Aufwand betrieben worden ist, aber die Kosten werden nicht beglichen, sondern sie werden wieder abgezogen. Und das bedeutet, auch vor dem Hintergrund dieses Punktes, tatsächlich für die Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung im nächsten Jahr das die Gesamtvergütung abgesenkt wird, um diese 415 Millionen Euro, Stand heute.
Das ist der erste Punkt, zu dem ich referieren möchte, thematisch einführen möchte. Der andere Punkt ist die Preisentwicklung in Deutschland, die hohe Inflation, die in allen gesellschaftlichen Bereichen derzeit wirkt und ihre Auswirkungen zeigt, und die selbstverständlich auf der Türschwelle der Arztpraxis nicht halt. Wie wirkt sich das in den Arztpraxen aus? Die Möglichkeit, die wir in der gemeinsamen Selbstverwaltung haben, diese Preisentwicklung aufzugreifen, ist die Festlegung, die jährliche Festlegung des sogenannten Orientierungswertes, der die Preise für die Untersuchungen und Behandlungen von Jahr zu Jahr anpasst.
Wir befinden uns gerade in den Verhandlungen im Bewertungsausschuss, um diesen Orientierungswert für das nächste Jahr festzulegen. Das Aufgreifen dieser Preisentwicklung ist hier in dieser Grafik sehr schön aufbereitet und stellt auch die Herausforderung dar, in der wir uns in diesem Jahr befinden für die Festlegung dieses Orientierungswertes in den Verhandlungen. Im Bewertungsausschuss betrachten wir für die Festlegung des Orientierungswertes die Inflation in dem vorletzten Jahr, welches dem Jahr vorgibt, wo wir den Wert festzulegen haben, im Jahr 2019 also für die Festlegung der Orientierung des Jahres 2019, die Verhandlungen dazu haben wir 2018 geführt, haben wir uns die Inflation 2017 angeschaut. Das ist ganz links die rote Säule, die lag bei 1,5. Der Orientierungswert wurde mit 1,58% aufgehoben. Man kann also sagen, die allgemeine Inflation ist hier aufgegriffen worden und schlägt sich im Orientierungswert auch nieder.
So zieht sich das in den Jahren durch. Im letzten Jahr hatten wir eine sehr, sehr geringe Inflation vor Augen. Das ist die Inflation des Jahres 2020. Sie lag nur bei 0,5%. Der Orientierungswert ist mit 1,275% weiterentwickelt. Die Begründung dafür ist in den Kosten der Degression oder der Progression zu sehen. Ein gesetzlicher Rahmen, den wir vorgegeben haben, dazu komme ich gleich noch mal das, was man hier an der Folie aber sehr schön sieht, ist die Herausforderung, die wir in diesem Jahr haben.
Wir betrachten im Bewertungsausschuss, die Inflation zwei Jahre vorher für den neuen Orientierungswert 2023. Die ist schon deutlich höher als in der Vergangenheit, sechs Mal so hoch wie im Jahr zuvor mit 3,1% und die aktuelle Inflation, die wir in diesem Jahr erleben, liegt noch mal doppelt darüber. 6,7% ist die Inflation des ersten Halbjahres 2022 aktuell. Im August/September weiß das Statistische Bundesamt den Verbraucherpreisindex, was das Maß für die allgemeine Inflation ist mit 7,9% aus und das gilt es in diesem Jahr zu berücksichtigen und entsprechend ist auch die Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Bewertungsausschuss vorbereitet worden. Diese Vorbereitung und diese Verhandlungen basieren vor einem gesetzlichen Rahmen. Wir im Bewertungsausschuss müssen einmal im Jahr jährlich bis zum 31. August den Orientierungswert anpassen, neu festlegen. In diesem Jahr, aufgrund der großen Herausforderungen, die wir haben, haben wir diesen Termin nicht gehalten, befinden uns noch im Verfahren und der Abschluss steht hoffentlich in diesem Monat an!
Des Weiteren gibt es Kriterien für die Weiterentwicklung des Orientierungswertes. Zunächst ist das die Berücksichtigung dieser Preisentwicklung in Form von Kostenentwicklung, die Investitions- und Betriebskosten in der Arztpraxis haben einen Zug zu halten in die Festlegung der Anpassung des Orientierungswertes. Daneben gibt es aber auch die Kostendegression bei Fallzahlsteigerung, ich komme gleich dazu, und schließlich die Möglichkeit zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven.
Und gestatten Sie mir, dass ich mit diesem letzten Punkt beginne. Wirtschaftlichkeitsreserven entstehen dann, wenn sich die Medizin weiterentwickelt und der Aufwand für die Untersuchung oder Behandlung von Patienten wird dadurch weniger aufwendig. Dadurch entstehen Wirtschaftlichkeitsreserven, aber ich habe jetzt schon den Bezug klar zu den einzelnen Untersuchungen Behandlung gelegt. Der Orientierungswert äußert den Preis oder verändert den Preis für alle Leistungen.
Wenn ich also in einem in einer Leistung eine Wirtschaftlichkeitsreserve in einem Fachgebiet erwirtschaften kann, eventuell, weil wir diesen medizinischen Fortschritt haben, dann kann das natürlich nicht bedeuten, dass andere Fachgebiete darunter leiden müssen, dass der Orientierungswert diese Wirtschaftlichkeit, die nur in einem Fachgebiet stattfindet, weitergibt. Das haben wir auch gutachterlich mal bestätigen lassen, unser ZI hatte ein Gutachten im Jahre 2015 bei Professor Schreyer zu diesem Thema aufgenommen und da geht die klare Empfehlung hervor, dass die Wirtschaftlichkeitsreserven Betrachtung nicht als Instrument beim Orientierungswert anzusetzen ist, sondern im EBM bei den einzelnen Leistungen, und das ist die Sichtweise der KBV, die wir in den Verhandlungen vertreten. Bei der Festlegung der Orientierungswertes spielen Wirtschaftlichkeitsreserven keine Rolle und der Gesetzgeber hat das im Paragraph §87, sie haben eben den Rahmen gesehen, auch sehr schön ausgeführt. Wirtschaftlichkeitsreserven sind beim OW zu berücksichtigen, soweit sie nicht im EBM berücksichtigt sind und wenn sie im EBM berücksichtigt sind, das ist unser Begehren auch das machen wir auch ständig. Wir haben eine EBM Reform 2019 durchgeführt, dann kann es beim OW keine Rolle spielen.
Der zweite Aspekt Kostendegression bei Fallzahlsteigerung je mehr Fälle wir behandeln, desto weniger Aufwand haben wir für die einzelne Untersuchung, weil ein großer Anteil der Kosten in den Arztpraxen fixe Kosten sind. Die verteilen sich dann auf mehr Patienten.
Der Gesetzgeber hat uns vorgeschrieben, diese sogenannte Kostendegression auch bei der Festsetzung des Orientierungswertes zu berücksichtigen. Das gilt aber auch andersherum, wenn wir weniger Untersuchungen und Behandlungen durchführen und abrechnen, dann werden die Kosten für die einzelnen Untersuchungen/Behandlungen teurer und auch das gilt es zu berücksichtigen bei der Festlegung des Orientierungswertes. Und das war der Effekt, den wir im letzten Jahr bei der Festlegung des Orientierungswertes erleben durften.
Wir hatten, wenn Sie sich erinnern, an die Säulen Grafik 0,5 Inflation, aber 1,275 Orientierungswert weit über der allgemeinen Inflation. Das resultiert aus diesem Aspekt, denn wir haben die Inflation des Jahres und die Menge des Jahres 2020 betrachtet. Das war das Pandemiejahr. Da ist die Menge deutlich zurückgegangen, insoweit trat die Kostenprogression ein und wir haben Anpassung des Orientierungswertes vorgenommen, als die allgemeine Inflation ist zum Ausdruck gebracht hat.
In diesem Jahr ist das andersherum. 2020 auf 2021 hat das Leistungsniveau in der Menge wieder zugelegt. Hier wirkt also eine Kostendegression. Dieser Aspekt spielt also bei der Festlegung des Orientierungswertes eine dämpfende Rolle im Hinblick auf die Festlegung des Orientierungswertes, ist uns gesetzlich im Rahmen so vorgegeben.
Komme ich nun aber zum wichtigsten Punkt bei der diesjährigen Festlegung des Orientierungswertes, dass die Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung in Form der hohen Investitions- und Betriebskosten einer Arztpraxis. Was brauche ich für den Betrieb einer Arztpraxis? Ich brauche einen Arzt, brauche Personal, Räume, medizinisches Gerät, Strom, Licht, Wärme, Energie und darüber hinaus Versicherung, Fremdkapital eventuell und medizinischen Bedarf, und so weiter und so fort.
Für die Kalkulation der Preise, da sind wir beim Orientierungswert, benötigen wir das Pendant in den Kosten. Das ist der Aufwand für die ärztliche Tätigkeit beim Arzt. Das sind die Personalgehälter die ich zahle für das Personal, die Miete für die Räumlichkeiten, und so weiter. Wir haben hier auf der Tabelle Ihnen aufgelistet, welchen Anteil wir jeweils in einer Arztpraxis für diese Investitions- und Betriebskosten sehen, wenn sich die Personalkosten deutlich weiterentwickeln, mit einer hohen Kostenrate, wie es durch die Tarifvereinbarungen 2019 geschehen ist, dann ist das nur 1/5 dessen, was wir dann für die Gesamtweiterentwicklung des Orientierungswertes berücksichtigen müssen.
Nur 22,6% des gesamten Kostenrahmens in der Kalkulation sind eben auf Personal zurückzuführen. Sie sehen hier die große Zahl 60% ärztliche Tätigkeit. Das ist ein Ergebnis der EBM-Reform, der letzten, wo wir die ärztlichen Leistungen deutlich aufgewertet haben und das drückt sich natürlich auch so in unseren Grafiken und Statistiken aus. Was zu sagen ist, diese Kosten entwickeln sich sehr unterschiedlich. Das sehen Sie nun auf der nächsten Folie.
Sehr viele Zahlen, aber ich versuche Sie da durchzuführen. Ich hatte ja einleitend gesagt, es ist nicht immer einfach, sich mit der Finanzierung des vertragsgesetzlichen Systems zu beschäftigen. Deswegen sehen Sie es mir nach, dass ich diese Folie jetzt hier zeige.
Wir haben in der ersten Zahlenspalte, die überschrieben ist mit 2020, 2021 die Kostenentwicklung im Jahr 2021 aufgelistet. Das ist das, was der Bewertungsausschuss in seinem Routineverfahren zur Anpassung des Orientierungswertes benutzt, und die sind sehr differenziert für zum Beispiel sonstige Kosten, Materialkosten. Es ist der Verbraucherpreisindex, also das Maß für die allgemeine Inflation festgelegt, lag damals bei 3,1%.
Sie hatten eben gesehen, im aktuellen Jahr 2022, erstes Halbjahr, ist das eine Verdopplung dieser Kostenentwicklung, und unseres Erachtens ist das ein Aspekt, der berücksichtigt werden muss und wir in diesem Jahr von dem Regelverfahren abweichen müssen. Neben der Inflation und der Preisentwicklung 2021, müssen wir auch das erste Halbjahr 2022 berücksichtigen. Das haben wir dem Bewertungsausschuss vorgeschlagen. Für die Anpassung des Orientierungswertes, indem wir dieses halbe Jahr mit einpreisen.
Wir lassen uns dabei natürlich einen Puffer, damit wir im nächsten Jahr nicht in die Verlegenheit kommen, einen Orientierungswert für das Jahr 2024 festzulegen, der dann in die gegenteilige Richtung nach unten geht. Zwei Aspekte, die ich auf dieser Folie noch ansprechen möchte: die Personalkosten. Ich habe es gerade schon gesagt 2019 wurde der Tarifvertrag für die medizinischen Fachangestellten neu verhandelt. Für das Jahr 2021 wurde eine Steigerung ab 1. April 2021 um 6% vereinbart.
Dies gilt es nun geltend zu machen, deswegen greifen wir in unserer Kalkulation auch auf dieses Routineverfahren das Bewertungsausschuss an dieser Stelle zurück und machen diese 6,6% Steigerung geltend. Eine deutliche Steigerung die es den Vorjahren nicht gab. In einem aktuellen Zeitraum ist das deutlich geringer. Das ergibt sich aus dem Tarifvertrag, der über mehrere Jahre abgeschlossen war. Aber wir, das ist die letzte Zahlenspalte, berücksichtigen bei unserem Vorschlag für die Anpassung des Orientierungswertes diese 6,6% vor.
Der zweite Punkt, den ich hier noch ansprechen möchte, ist die Entwicklung des Aufwandes für die ärztliche Tätigkeit. Hier verwenden wir als KBV die Tarifgehälter in Krankenhäusern als Vergleichsmaßstab, denn wir als Vertragsärzte haben keinen Tarifvertrag an dem man das ablesen kann. Also verwenden wir dieses als Vergleichsinstrument. Das war im Jahr 2021 mit 2,1% weiterentwickelt worden. Wir haben aber nun diese hohe Inflation und selbstverständlich sind Vertragsärzte mit dem, was sie aus der Praxis an Ertrag erzielen, auch dadurch gebeutelt, dass sie einen Kaufkraftverlust haben und wir gleichen den in unserem Vorschlag dadurch aus, dass wir die allgemeine Inflation, aktuelle Inflation des ersten Halbjahres 2022 bei diesen Parametern ansetzen und verwenden. Ja, wenn man das so tut, wie ich es hier beschrieben habe, ist unsere Forderung, die wir in den Bewertungsausschuss eingebracht haben, bei nahezu 6% zur Anpassung des Orientierungswertes resultiert aus der mit dem Ausgleich des Kaufkraftverlustes des Arztes mit 6,7%, der sich mit 60% in diesen 6% wiederfindet und zu 40% die übrigen Kosten, die mit einer Veränderungsrate von 4,7 in unserem Verfahren beschrieben wird. Da geht ein sowohl, wie eben beschrieben, die hohe Preisentwicklung, die Inflation, als auch der dämpfende Effekt aus der Kostendegression bei Fallzahlsteigerung in diesem Jahr 2021. Soweit zu unserer Forderung im Bewertungsausschuss. Auf der anderen Seite der GKV-Spitzenverband. Herr Dr. Gassen hat es in der Einleitung gesagt, hier wird eine Nullrunde vorgeschlagen.
Der GKV-Spitzenverband hat uns eröffnet, dass er keine Anpassung des Orientierungswertes, der in diesem Jahr gilt, für das nächste Jahr vornehmen möchte. Die Begründung ist einerseits damit gegeben, dass die Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung nicht in die Methodik des Bewertungsausschusses passt. Die Ärzte sollen nach dieser Methodik noch ein Jahr warten, bis dieser Inflationsausgleich kommt. Das ist die Auffassung des GKV-Spitzenverbandes an dieser Stelle und sie verweisen darüber hinaus auf Wirtschaftlichkeitsreserven.
Unsere Position dazu hatte ich Ihnen ausführlich beschrieben. Der GKV-Spitzenverband hat für die Begründung der Wirtschaftlichkeitsreserven, die Kostenstrukturanalysen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2019 im Vergleich zu 2015 hervorgehoben, auf der Aggregationsebene alle Ärzte, machen Sie uns da eine Rechnung auf, die Wirtschaftlichkeitsreserven bedeuten könnten. Diese Daten sind von 2019 vor der pandemischen Zeit, für die aktuelle Situation überhaupt nicht brauchbar und ich meine auch, dass der GKV-Spitzenverband hier den rechtlichen Rahmen verlässt. Wir haben die jährliche Anpassung zu tun, die Rechtsbegriff dafür ist die Vorjahresanknüpfung und wenn man auf Daten von 2015 und 2019 zurückgreift, ist das nicht im Vorjahr passiert, sondern altes Geschehen von damals was hier nicht zu berücksichtigen ist.
Auch das ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Schließlich und zum Schluss sagt der GKV-Spitzenverband: Wir haben gar kein Geld. Es steht ein Defizit von 17 Milliarden Euro im nächsten Jahr für die GKV-Finanzierung im Raum. Die Schätzungen gehen in diese Richtung, insoweit bleibt uns auch kein Spielraum für die Anpassung des Orientierungswertes. Für dieses 17 Milliardenloch gibt es aber gerade, als Regierungsentwurf ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz.
Aus meiner Sicht vermengt der GKV-Spitzenverband hier zwei Themen miteinander, die nicht zueinander gehören. In der Konsequenz aus beiden Aspekten, die ich Ihnen nun dargestellt habe, kommen wir für das Jahr 2023 für die Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung von GKV-Versicherten tatsächlich bei den Forderungen 0% Anpassung im Orientierungswert, Abzug durch die Aufhebung des Finanzstabilisierungsgesetz, um eine Kürzung der Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung im mittleren dreistelligen Millionenbetrag und das angesichts dieser krisenhaften Entwicklung, die wir derzeit in Deutschland und in der Welt erleben, und diese krisenhafte Entwicklung macht an der Türschwelle der Arztpraxis keinen Halt. Ist das schon ein bedrohliches Szenario? Und das gilt es heute zu diskutieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.