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Stand 16.12.2022

Positionen

Europäischer Gesundheitsdatenraum: Stellungnahme zum Verordnungsentwurf

Die KBV positioniert sich zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission über den europäischen Raum für Gesundheitsdaten COM(2022)197 vom 3. Mai 2022

Die Europäische Kommission hat am 3. Mai 2022 einen Verordnungsentwurf über die Gründung eines europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, im Folgenden kurz: EHDS) veröffentlicht. Grundsätzlich begrüßt die KBV die Ziele des EHDS, Patienten einen besseren Zugang zu ihren Gesundheitsdaten zu ermöglichen und auch Ärzten und anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe den elektronischen Zugang zu relevanten Patienteninformationen zu erleichtern.

Vertrauen und ärztliche Schweigepflicht

Ein Europäischer Gesundheitsdatenraum kann aus Sicht der KBV nur dann erfolgreich sein, wenn er sowohl auf dem Vertrauen der Patienten als auch der Gesundheitsberufe aufbaut. Der geschützte Raum, zu dem nur Arzt und Patient Zugang haben, muss auch im Rahmen des EHDS gewährleistet sein.

Elementare Voraussetzung ist deshalb die Garantie der ärztlichen Schweigepflicht, sie darf durch die Gestaltung und technische Umsetzung des EHDS nicht gefährdet werden.

Ärzte und Psychotherapeuten sind zuallererst dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet und insofern auch Treuhänder ihrer Gesundheitsdaten. Ein wie auch immer geartetes Nutzungsversprechen Dritter darf diese Vertrauensbasis nicht in Frage stellen.

Aufwand und Kosten

Es muss sichergestellt werden, dass die Auswirkungen der EHDS-Verordnung bei der Primärnutzung von elektronischen Gesundheitsdaten zu keiner Beeinträchtigung der Versorgungsprozesse führen; dies vor allem im Hinblick darauf, dass Ärzte verpflichtet werden sollen, Behandlungsdaten systematisch in einem elektronischen Format in einer elektronischen Patientenakte (EHR – Electronic Health Record) zu registrieren.

Dies ist mit zusätzlichem Kosten- und Verwaltungsaufwand für die Ärzte und Psychotherapeuten verbunden. Dieser Aufwand muss so gering wie möglich gehalten werden. Automatisierte sichere Abläufe müssen genauso gewährleistet sein wie finanzielle Regelungen, welche die entstehenden Kosten ausgleichen.

Beide Voraussetzungen sind gegenwärtig nicht gegeben. Die Regierungen sind deshalb angehalten, die umfangreichen finanziellen Investitionen, die die Digitalisierung des Gesundheitswesens erfordert, in ihren Haushalten einzuplanen.

Begriffsbestimmungen

Es fällt zudem auf, dass im Verordnungsentwurf wichtige Begriffsbestimmungen fehlen, die für das Verständnis des Verordnungsentwurfs wesentlich sind. Darüber hinaus ist der Regelungsinhalt einiger Vorschriften erläuterungsbedürftig. Dies gilt insbesondere für den Begriff des EHR im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 lit m.

Aus der Gesamtsicht mit lit c und lit i ergibt sich bei unbefangener Textinterpretation eine nahezu uferlose Weite des Begriffs, der künftig vom Zugangs- (bzw. Termin-) dienst, auch Kommunikationsdienste und schließlich den gesamten bisherigen Regelungsgegenstand der Telematikinfrastruktur nebst elektronischer Patientenakte erfassen würde.

Würde dieses Verständnis zugrunde gelegt, wäre jedwede Nutzung von Gesundheitsdaten (angefangen von Terminportalen) normativ in das neue System mit dessen Anforderungen zu überführen.

Rechtssetzungskompetenzen der EU-Kommission

Die EU-Kommission räumt sich in fast einem Drittel der vorgeschlagenen Regelungen in dem Verordnungsentwurf eine weitgehende Kompetenz ein, delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zu erlassen. Die Anzahl der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte macht es schwierig, die vollen Auswirkungen des Vorschlags vorherzusagen.

Eine bessere Bewertung der rechtlichen, sozialen, technischen und finanziellen Folgen für Ärzte, andere Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten und die Gesundheitsversorgung insgesamt ist erforderlich, insbesondere um abzuschätzen, ob die Umsetzungskosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen werden.

Dies gilt vor allem in den Mitgliedstaaten, die bereits erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen in digitale Gesundheitssysteme, einschließlich elektronischer Patientenakten, investiert haben.

EHDS-Einführung in Deutschland

In Deutschland wäre für die Akzeptanz des EHDS durch die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten entscheidend, dass die vorgesehenen Regelungen mit den national bestehenden bzw. geplanten technischen Ausbaustufen der elektronischen Patientenakte und der Telematikinfrastruktur kompatibel sind.

Eine aufwändige Umstellung wäre mit weiterem erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten verbunden. Elementar wäre deshalb eine finanzielle Unterstützung von Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern, die sämtlich verpflichtet werden, sich an das nationale elektronische Gesundheitssystem und an den EHDS anzuschließen. So werden insbesondere Module für die Praxisverwaltungssysteme angepasst und finanziert werden müssen.

Aus der EHDS-Verordnung und der mit ihr verbundenen Dienste sind – insbesondere mit Blick auf die nationalen Arbeiten am Aufbau einer elektronischen Infrastruktur und der von ihr unterstützten Anwendungen – keine unmittelbaren Mehrwerte für die Versorgung erkennbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Regelungen der EHDS-Verordnung mit den nationalen Bemühungen synchronisiert sind. Diese Synchronisation ist aber zwingend erforderlich.