Wir sind hier in einer großen allgemeinmedizinischen Hausarztpraxis und ich bin jetzt seit 20 Jahren niedergelassen. Und ich muss sagen, in den letzten Jahren ist die Anforderung an uns sowohl von der Politik als auch von den Patienten enorm groß geworden. Patienten werden immer anspruchsvoller und sehen Fernsehsendungen, weswegen dann erst mal ganz viele in die Praxis kommen. Es muss immer alles sofort sein. Wir sind wirklich am Limit. Wir können das nicht mehr leisten. Es ist tagein, tagaus. Jeder nimmt sich selber sehr, sehr wichtig und sagt, mein Anliegen ist jetzt besonders wichtig, ich muss akut zu Frau Doktor. Und wenn sie dann mir hier gegenübersitzen, kommt raus, dass es gar nichts Akutes ist. Also Patienten werden auch frech und übergriffig, indem sie Arzthelferinnen belügen, um schnell an einen Termin zu kommen. Wir arbeiten, also ich arbeite im Schnitt 50 bis 60 Stunden die Woche, weil neben der Sprechstunde, die man hier tagein, tagaus immer länger macht als draußen angegeben, auf dem Praxis-Schild, mit den ganzen Bürokratie-Sachen einfach nicht fertig werden. Ich bin jeden Sonntag hier noch mal 3 bis 4 Stunden, um Renten-Anträge, Reha-Anträge, Arbeitsamts-Anfragen, Anfragen der Krankenkassen usw. zu beantworten. Und dafür muss man sich auch schon mal ein bisschen konzentrieren. Das kann man nicht so nebenbei. Dann bieten wir auch regelmäßig die Telefon-Sprechstunde an, um den Patientenstrom etwas zu lenken, denn wir können nicht jeden Befund, den wir besprechen wollen, wieder mit einem persönlichen Kontakt bedienen. Wir nutzen auch die Video-Sprechstunde, um einfach die Zeiten zu ökonomisieren. Aber, also, es wird schwer, da jetzt, ich bin jetzt 60 Jahre alt geworden dieses Jahr und es wird schwer, jetzt einen Nachfolger irgendwann zu finden. Ich werde noch einige Jahre natürlich arbeiten, weil es Spaß macht. Es ist mein Herzensberuf, aber die jungen Kollegen wollen einfach weniger arbeiten, wollen nichts mit Bürokratie zu tun haben, wollen nur den Patienten versorgen, geschweige denn, sich um TI zu kümmern. Die ganze Digitalisierung ist ja alles schön und gut, aber wir müssen alles zusätzlich extra machen außerhalb unserer Arbeitszeiten. Wir haben jetzt auch das elektronische Rezept noch zusätzlich, was das wieder für einen bürokratischen Aufwand erfordert. Mit dem Softwarehaus sprechen. Jede Innovation, die von außen kommt, die uns aufgedrückt wird, ist mit zusätzlicher Arbeit verbunden. Und dass junge Kollegen das nicht mehr machen wollen, das ist mir verständlich. Also da muss sich unbedingt irgendwas ändern.