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Stand 27.03.2024

Positionen

Digital-Gesetze: Inhalte und Positionen der KBV

Das „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen“ (Digital-Gesetz – DigiG) und das „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) sind seit 27. März 2024 in Kraft. Auf die Ärzte und Psychotherapeuten kommen damit eine Fülle an Neuerungen zu.

Kernelement des DigiG ist die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Jeder gesetzlich Krankenversicherte soll bis zum 15. Januar 2025 eine ePA erhalten, es sei denn, er widerspricht (Opt-out-Verfahren). Mit dem GDNG soll vor allem die Nutzung von Therapiedaten für die Forschung erleichtert werden.

Das steht drin

Nachfolgend ein Überblick über die wesentlichen Punkte des DigiG und GDNG:

Elektronische Patientenakte

Die elektronische Patientenakte (ePA) wird neu aufgelegt. Zwar sind die gesetzlichen Krankenkassen seit Januar 2021 verpflichtet, ihre Versicherten auf Antrag eine ePA bereitzustellen. Doch nur etwa ein Prozent aller gesetzlich Krankenversicherten besitzen bislang eine ePA. Nun sollen die Krankenkassen ab dem 15. Januar 2025 jedem gesetzlich Versicherten eine elektronische Akte bereitstellen, es sei denn, dem wird widersprochen. Mit dieser Opt-Out-Lösung soll die ePA flächendeckend im Gesundheitswesen etabliert und von Ärzten in Praxen und Krankenhäusern, von Psychotherapeuten, Apothekern und anderen in der Gesundheitsversorgung Tätigen befüllt werden.  

Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten vor Bereitstellung der ePA ausführlich zu informieren. Diese haben dann sechs Wochen Zeit zu widersprechen, wenn sie keine elektronische Patientenakte wünschen. Auch wenn die Akte angelegt ist, können die Versicherten bei ihrer Kasse Widerspruch einreichen.

Die ePA soll zunächst unter anderem für den digital gestützten Medikationsprozess, später auch für eine Patientenkurzakte, Krankenhausentlassbriefe und Laborbefunde verwendet werden. Der elektronische Medikationsplan und auch die Notfalldaten sollen künftig ebenso in der ePA abgelegt sein. Wer auf welche Daten in der Akte zugreifen darf, entscheidet der Patient. Auch kann er der Übermittlung und Speicherung von Daten widersprechen.

Bereitstellung der Daten aus der ePA zu Forschungszwecken

Die auf der ePA gespeicherten Gesundheitsdaten sollen dem Forschungsdatenzentrum Gesundheit zur Verfügung gestellt werden, sofern der Versicherte nicht widerspricht. Die Daten sollen ausschließlich zur Forschung und nur nach Antrag genutzt werden dürfen.

Außerdem dürfen Kranken- und Pflegekassen nach dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz Daten aus der ePA nutzen, um ihre Versicherten auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung oder auf Früherkennungsuntersuchungen aktiv anzusprechen.

Themenseite ePA

Elektronischer Arztbrief

Ärzte und Psychotherapeuten müssen spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Digital-Gesetzes elektronische Arztbriefe empfangen können.

Wichtig: Nach der Verordnung zur Finanzierung der Kosten für die Telematikinfrastruktur (TI) des Bundesgesundheitsministeriums müssen Praxen bereits ab 1. März die aktuelle Version der eArztbrief-Software installiert haben. Anderenfalls wird ihnen die monatliche TI-Pauschale um 50 Prozent gekürzt.

Themenseite eArztbrief

Elektronisches Rezept

Das eRezept wird zum 1. Januar 2024 verbindlich eingeführt. Ärzte, die bis zum ersten Tag des zweiten Monats, der auf die Verkündung des Gesetzes folgt (also den 1. Mai), gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nicht nachweisen können, Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch auszustellen und zu übermitteln, wird das Honorar um ein Prozent gekürzt.

Wichtig: Nach der Verordnung zur Finanzierung der Kosten für die Telematikinfrastruktur des Bundesgesundheitsministeriums müssen Praxen seit 1. Januar 2023 die aktuelle Version der eRezept-Software installiert haben. Anderenfalls wird ihnen die monatliche TI-Pauschale um 50 Prozent gekürzt.

Themenseite eRezept

Videosprechstunde

Die bisherige fall- und leistungsbezogene Begrenzung für Videosprechstunden entfällt. Die KBV und der GKV-Spitzenverband werden per Gesetz beauftragt, im Bewertungsausschuss Regelungen zu treffen, die Videosprechstunden in einem „weiten Umfang“ zu ermöglichen.

Themenseite Videosprechstunde

Digitale Gesundheitsanwendungen

Der Leistungsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) wie Apps soll auf die Medizinproduktklasse IIb ausgeweitet werden. Mit dieser Bestimmung verlassen die DiGA den Bereich der „Medizinprodukte niedriger Risikoklasse“ (IIa). Beispiele hierfür sind unter anderem die Software-unterstützte Dosierung von Insulin oder das Erkennen potenziell lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen bei Patienten mit Vorerkrankung.

Für DiGA der Risikoklasse IIb liegt bislang keine wissenschaftliche Evaluation der bisherigen Erfahrungen vor. Hersteller sind deshalb dazu verpflichtet, bei Beantragung einer DiGA der Risikoklasse IIb Nachweise über den medizinischen Nutzen beizufügen.

Assistierte Telemedizin in der Apotheke

Apotheken können Maßnahmen der assistierten Telemedizin anbieten. Dazu gehört die Anleitung zur Inanspruchnahme ambulanter telemedizinischen Leistungen wie der Videosprechstunde. Zudem können Apotheker die Versicherten bei einer einfachen Erkrankung beispielsweise dahingehend beraten, dass die Versorgung auch als ambulante telemedizinische Leistung möglich ist. Das Nähere sollen der GKV-Spitzenverband und der Apothekerverband im Benehmen mit der KBV und dem Verband der Privaten Krankenversicherung vereinbaren.

DMP mit digitalisierten Versorgungsprozessen

Die strukturierten Behandlungsprogramme für chronisch Erkrankte (DMP) sollen um zwei DMP mit digitalisierten Versorgungsprozessen für die Erkrankungen Diabetes mellitus Typ I und II ergänzt werden. Es handelt sich hierbei um ein neues Angebot. Die Teilnahme der Versicherten an den digitalisierten DMP-Angebotsformen soll freiwillig sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird per Gesetz beauftragt, Näheres zu regeln.

Interoperabilität

Für die reibungslose Kommunikation aller an der Gesundheitsversorgung Beteiligter ist es besonders wichtig, dass die vielen verschiedenen Systeme und Technologien miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten – dass sie also interoperabel sind. Verbindliche Standards und Leitfäden sollen künftig die Interoperabilität im Gesundheitswesen verbessern.

Einschätzung der KBV

„Die ePA steht und fällt mit der technischen Umsetzung“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Die Akte müsse leicht befüllbar und die Daten strukturiert aufbereitet sein, damit sie in der Versorgung genutzt werden könne. Die kürzlich von der Gesellschafterversammlung der gematik beschlossenen Spezifikationen für die „ePA für alle“ erfüllten leider nicht alle Anforderungen.

So begrenzt die gematik die Größe der Dateien, die Ärzte und Patienten in die Akte hochladen können, auf 25 Megabyte (MB). „Eine solche Beschränkung halten wir insbesondere im Hinblick auf bildgebende Befunde für nicht praktikabel. Hier sehen wir Ausbaupotential.“ Kritisch bewerte die KBV unter anderem auch, dass die gematik in ihren aktuellen ePA-Vorgaben auf eine Volltextsuche verzichte.

Steiner kritisierte die hohen Aufwände, die auf die Ärzte und Psychotherapeuten allein durch die umfangreichen Befüllungs- und Aufklärungspflichten zukämen. Sie kündigte an, die Praxen mit Informationsmaterialien bei der Einführung und Nutzung der ePA unterstützen zu wollen. Die KBV werde ein Infopaket bereitstellen. „Die Information der Versicherten ist Aufgabe von Krankenkassen und BMG“, stellte sie klar.

Schon im Gesetzgebungsverfahren hatte die KBV darauf hingewiesen, dass Anwendungen praxistauglich und voll funktionsfähig sein müssen, wenn sie in der Versorgung ankommen.

Stellungnahmen der KBV

„Man muss ausreichend getestete Anwendungen auf den Markt bringen“ – Dr. Sibylle Steiner im Interview

Wie bewerten Sie den Entwurf zum neuen Digital Gesetz?

Dr. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der KBV: Ja, das BMG hat ja mit seiner Digitalisierungsstrategie letztendlich Nutzerorientierung angekündigt. Stattdessen sehen wir im Referentenentwurf jetzt Sanktionen und Bußgelder gegen Ärztinnen, Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Das sehen wir natürlich sehr kritisch. Und man muss einfach sagen, wenn man die Digitalisierung zum Erfolg führen möchte, dann muss man mit den Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten arbeiten und eben nicht gegen sie.

An welchen Stellen müsste nachgebessert werden?

Wir haben eine umfangreiche Stellungnahme, auch mit umfangreichem Nachbesserungsbedarf eingereicht. Die Liste ist insofern lang. Drei zentrale Punkte aus unserer Sicht sind einmal die Streichung der Sanktionen und der Bußgelder. Dann brauchen wir einfache und klare Regelungen zu Zugriffsrechten und Widerspruchsrechten der Patienten, der Versicherten bei der ePA, die dann nämlich diese Diskussion und den Informationsbedarf nicht in die Arztpraxen und Psychotherapeutenpraxen verlagern. Und als dritten Punkt brauchen wir klare Vorgaben, Leistungsvorgaben für die PVS-Hersteller, damit in der Praxis praxistaugliche Anwendungen ankommen.

Welchen Vorteil bringt die ePA für Patienten und Praxen?

Also die Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, spielen eine ganz zentrale Rolle natürlich in der Umsetzung der ePA. Einfach deshalb, weil sie 1 Milliarde Patienten-Kontakte pro Jahr haben.
Und natürlich spielt die ePA auch eine Rolle für die, in ihrer Funktion für die innerärztliche Kommunikation und davon profitieren auch die Patientinnen und Patienten. Man muss aber auch dazu sagen, dass natürlich die Akzeptanz und die Funktionstauglichkeit der ePA ganz entscheidend von der Performanz der PVS-Systeme abhängt und dazu fehlen uns eben auch die, wie schon gesagt, die Regelungen im Gesetz.
Positiv kann man sicherlich sehen, ist diese Anwendung der Medikationsübersicht über die verordneten und abgegebenen Medikamente, dass diese dann auch einfach in den Medikationsplan übernommen werden soll. Das ist sicherlich ein Vorteil für Patienten wie auch für Ärzte. Was wir daran kritisch sehen, ist, dass eben dann die Bearbeitbarkeit durch die Versicherten ermöglicht sein soll und Teile von Informationen gelöscht werden können. Das ist wiederum natürlich sicherlich nicht im Sinne der Patientensicherheit.

Was bedeutet die Opt-Out-Lösung bei der ePA?

Die Opt-Out-Lösung bedeutet, dass die Krankenkassen den Versicherten ab 15. Januar 2025 eine ePA zur Verfügung stellen müssen. Aber die Patienten können dann aktiv der Einrichtung dieser ePA widersprechen. Was wir im Gesetzentwurf sehen, ist ein relativ komplexes Regelungsgeflecht an Informations- und Zugriffs- und auch Widerspruchsregelungen und wir haben da wirklich die Sorge, dass ein Teil dieser Informations- und Beratungspflichten in den Arztpraxen ankommt. Und das ist natürlich eine Verlagerung von Verwaltungstätigkeit in die Arztpraxen, die wir sehr kritisch sehen und ablehnen.

Wie kann die Digitalisierung im Gesundheitswesen gelingen?

Also in erster Linie muss man die die Nutzerinnen und Nutzer mitnehmen und sie in die Entwicklung von neuen Anwendungen einbeziehen. Dann muss man ausreichend getestete Anwendungen auf den Markt bringen, bevor man in einen flächendeckenden Rollout geht. Das sehen wir zum Beispiel als Negativbeispiel beim eRezept. Wir brauchen auch ein Praxis-Zukunfts-Gesetz, durch das die Investitionen der Praxen in funktionstüchtige, ausreichend getestete und auch nutzerfreundliche IT-Anwendungen finanziert wird.

Der Gesetzentwurf zur Digitalisierung im Gesundheitswesen - kurz DigiG - wurde jüngst vom Bundeskabinett verabschiedet. Zentraler Bestandteil ist die ePA, die ab 2025 allen Patienten zur Verfügung stehen soll. Kritisch sieht die KBV an dem Gesetzentwurf, dass weiterhin mit Sanktionen gedroht wird. Dr. Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der KBV, erläutert, wo außerdem nachgebessert werden müsste.