Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz - NotfallG)
Stellungnahme der KBV zum Regierungsentwurf vom 2. Oktober und zum Änderungsantrag vom 1. November 2024
Die KBV begrüßt die Intention des Gesetzgebers im Regierungsentwurf zum Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallG), die Notfall‐ und Akutversorgung, insbesondere im Bereich der Patientensteuerung, der Vernetzung der Akteure und der Finanzierung von Strukturen, zu reformieren.
Die Auftrennung der 116117 in eine Akutleitstelle und eine Terminservicestelle mit unterschiedlichen Erreichbarkeiten ist eine sinnvolle Weiterentwicklung der in den letzten Jahren gewachsenen Leitstellenstruktur der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Ebenso hervorzuheben sind erweiterte Datenschutzregelungen für die Tätigkeit der Leitstellen. Die Dringlichkeit des digitalen Austausches aller der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen und Einrichtungen wird deutlich herausgestellt.
Die vielfach von Verbänden berichtete Überlastungssituation mit Auswirkungen auf die Patientensicherheit erfordert Maßnahmen, die es erlauben, aufwändige Notfallstrukturen für diejenigen Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen, die eine solche Versorgung benötigen. Allerdings wird der vorgelegte Entwurf kaum dazu beitragen, das formulierte Ziel, insbesondere der Entlastung der Notaufnahmen, zu erreichen.
Mit der institutionalisierten Öffnung von Notaufnahmen an Integrierten Notfallzentren (INZ) während der Sprechzeiten sowie der Erweiterung des Leistungsspektrums wird der Zustrom in Notaufnahmen gefördert und ein unklares Rangverhältnis zwischen der etablierten Versorgung von Akutfällen durch vertragsärztliche Praxen und der neuen notdienstlichen Akutversorgung geschaffen.
Entgegen dem europäischen Trend, den Zugang in Krankenhausnotaufnahmen durch vorgelagerte Instanzen wie der „hotline‐first‐Strategie“ zu begrenzen (s. hierzu die Kommentierung unter Nr. 1), trägt die Öffnung zur weiteren Frequentierung von Notaufnahmen bei und kompromittiert das bisherige Erfordernis einer Versorgung in der vertragsärztlichen Regelversorgung. Damit entsteht ein Parallelsystem der Behandlung losgelöst von der Regelversorgung und es werden Abgrenzungsprobleme zu dieser geschaffen.
Problematisch ist zudem die vorgesehene Patientensteuerung in die INZ, die in dieser Struktur grundsätzlich den Krankenhäusern überlassen wird. Nicht zuletzt durch die im internationalen Vergleich unüblich hohe Aufnahmerate aus Notaufnahmen in Deutschland hatte schon der Sachverständigenrat 2018 darauf hingewiesen, dass diese Steuerungsentscheidung nach Möglichkeit durch ambulant tätige Ärzte zu treffen sei. Eine regelhaft vorgeschaltete telefonische Ersteinschätzung oder eine Weiterleitung in Vertragsarztpraxen jenseits von Kooperationspraxen sind im Regierungsentwurf nicht vorgesehen.
Der Entwurf des Notfallgesetzes erschwert die – aus Sicht der KBV primäre – Sicherstellung der Akutversorgung durch die Vertragsärzte durch eine einseitige Belastung der KVen hinsichtlich personeller und finanzieller Ressourcen, verursacht mit diversen bilateralen Vereinbarungspflichten relevante bürokratische Aufwände und ist in seiner Fristsetzung nicht nur in Bezug auf die Dauer der Frist, sondern auch auf die Abfolge der Regelungsinhalte unrealistisch. Ein deutschlandweiter Standard für INZ oder die Kooperation von 112 und 116117 kann so nicht erzielt werden.