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Stand 08.07.2024

Positionen

Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit - Gesundes-Herz-Gesetz (GHG)

Stellungnahme der KBV zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vom 14. Juni 2024

Kardiovaskuläre Erkrankungen haben aufgrund der mit ihnen verbundenen Krankheitslast (kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität) in Deutschland eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Der Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und bestimmten Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Bluthochdruck, Adipositas, Bewegungsarmut, Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes) ist fachlich unbestritten und medizinisch-wissenschaftlich belegt. Eine Verbesserung der Vorbeugung, Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland ist daher wünschenswert.

Der vorliegende Referentenentwurf des „Gesunden-Herz-Gesetzes“ greift daher eine medizinisch und gesellschaftlich wichtige Thematik auf und enthält durchaus positive Ansätze. Der Schwerpunkt der gesetzgeberischen Maßnahmen liegt im Bereich der Sekundärprävention (Früherkennung von HerzKreislauf-Erkrankungen und kardiovaskulärer Risiken).

Aus Sicht der KBV fehlt allerdings eine konsequente Umsetzung des Präventionsgedankens. Das Gesetz lässt außer Acht, dass durch eine Verbesserung der Primärprävention (z. B. durch gesellschaftliche Aufklärung, Werbeverbote für oder eine transparente Kennzeichnung ungesunder Lebensmittel/Genussmittel, hohe Steuern auf diese Lebensmittel oder bewegungsfördernde Lebensbedingungen) noch stärkere Effekte zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht werden können.

Die Neuregelungen im Bereich DMP werden im Grundsatz begrüßt, da sie die flächendeckende Umsetzung aller DMP befördern und beschleunigen werden. Mitwirkungspflichten der Patientinnen und Patienten sollten allerdings erhalten werden, damit DMP weiterhin wirksam bleiben. Das neue DMP zu kardiovaskulärem Risikomanagement ist eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Früherkennungsmaßnahmen. Die Ausweitung aller bestehenden DMP auf Risikokonstellationen ohne manifeste Erkrankung ist jedoch nicht umsetzbar, weil damit keine abgrenzbare Zuordnung zu den DMPIndikationen mehr möglich ist.

Die vorgesehene Einführung von Früherkennungsmaßnahmen durch Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Aushebelung des im SGB V verankerten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots und ohne Beteiligung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und des Bewertungsausschusses (BA), stellt einen radikalen Systembruch dar. Die Entscheidung über die Einführung und Ausgestaltung neuer Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und deren Vergütung muss weiterhin im Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgen.

Die Möglichkeit, erweiterte Gesundheitsdienstleistungen in Apotheken durchzuführen, verstößt zudem gegen den Arztvorbehalt, zumal die KBV keine bundesgesetzliche Regelungszuständigkeit für Ausnahmen vom Arztvorbehalt sieht.

Gesundes-Herz-Gesetz: Prävention muss auf Evidenz basieren


Das BMG will die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stärken, ist das eine gute Nachricht?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Ja, grundsätzlich wäre das eine gute Nachricht. Wenn man sich den Inhalt genauer anschaut, kommen allerdings erhebliche Zweifel.



Was sind Ihre Kritikpunkte am Gesetzesentwurf?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Hier wird über die im Wesentlichen geeinte Evidenz und die Strukturen, die dafür da sind, sicherzustellen, dass Versorgung nur dann stattfindet, wenn sie tatsächlich auch Evidenz hat, in Zukunft durch Verordnung aus dem Ministerium, also von der Politik, entschieden wird, ausdrücklich auch ohne Evidenz oder Wirtschaftlichkeit.



Vorgaben aus der Politik statt evidenzbasierter Medizin. Ist das ein Eingriff in die Kompetenzen der Selbstverwaltung?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Ja, das ist ein völliges Übersteuern der Selbstverwaltung, denn der GBA, auch wenn er oft beschimpft wird, dient ja genau dazu, dass er sorgfältig abgewogen wird. Was für Therapien, was für Methoden, Untersuchungsmethoden, welche Medikamente in die Versorgung der breiten Bevölkerung kommen. Und das ist in der Wissenschaft und der Medizin immer ein Ringen um Notwendigkeit, um Wirtschaftlichkeit, um Angemessenheit, auch um Nebenwirkungen. Und nicht alles, was im ersten Moment sinnvoll und nützlich erscheint, ist bei genauerem Draufschauen so, das gilt auch für alle anderen Vorsorgen. Koloskopien, sie wissen Brustkrebsvorsorge ist eine Sache, die sehr genau beobachtet wurde. Wann hilft es, wann macht es zusätzliche Gefährdungen, wann macht es Menschen nur nervös? In alles einmal reingucken ist keine Vorsorge.



Ist der verstärkte Einsatz von Statinen der richtige Ansatz in der Präventionsarbeit?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Ja, das ist eigentlich geradezu absurd, dass wir unter den bisher vorgetragenen Begründungen des Ministers tatsächlich jetzt breiten Bevölkerungsschichten Statin anbieten sollen, vor allem auch schon Kindern. Das sind Medikamente mit erheblichen Nebenwirkungspotenzial. Und das hat eben keine Evidenz. Und das ist sicher der falsche Ansatz, Prävention durch Medikamente zu machen. In einem Bereich, wo die Prävention eher durch veränderte Lebensführung, durch Sport, durch Bewegung, durch andere Ernährung ohne Weiteres zu machen, wäre wesentlich gesünder und für die Bevölkerung besser. Und im Grunde ist es eine Bankrotterklärung zu sagen, wir geben jetzt den Leuten lieber Statine. Noch mal Evidenz dafür gibt es auch nicht und die Kasuistiken, die hierzu zitiert werden, machen es nicht besser. Das ist eminenzbasierte Medizin und keine evidenzbasierte Medizin.



Gibt es auch positive Aspekte?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Ja, es ist schwierig, in diesem Gesetz positive Aspekte zu sehen. Sie gibt es im Teilbereich der Disease-Management-Programme. Dort gibt es einige Veränderungen, von denen wir glauben, dass sie gut und notwendig sind, neben Kleinigkeiten, die wir auch dort noch verbesserungsfähig sehen.



Wie bewerten Sie die angekündigten Beratungsangebote in Apotheken?

Dr. Stephan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV

Ja, hier gibt es eine Grenzverletzung. Also, dass in Apotheken auch mal Cholesterin gemessen wird oder Zuckermessungen stattfinden oder Blutdruckmessung im Rahmen einer erweiterten Selbstmessung. Dagegen ist kaum was zu sagen. Wenn es aber dann darum geht, medizinische Beratung anzubieten, dann ist das Heilkunde und die Heilkunde ist Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Das ist auch eindeutig geregelt. Und da sehen wir auch nicht die Aufgabe der Apotheken drin. Die Apothekerin und Apotheker haben andere Aufgaben, die sie gut erledigen können und müssen. Und die Heilkunde ist Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte. Ein weiterer Aspekt, der in dem Zusammenhang wichtig ist, es darf in Apotheken geworben werden für solche Präventionsprogramme. Das dürfen Ärztinnen, Ärzte nicht. Auch das ist eine Unwucht, die wir so auf keinen Fall akzeptieren können.

Das BMG möchte mit dem „Gesundes-Herz-Gesetz“ die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstärken. Der Gesetzesentwurf stößt allerdings auf massive Kritik.
Das Ziel des Gesetzes, die hohe Zahl an kardiovaskulären Erkrankungen in Deutschland zu senken, wird durchweg positiv bewertet. Der geplante Weg dorthin ist mehr als umstritten. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, kritisiert vor allem die fehlende Evidenz der geplanten Maßnahmen.