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Soziotherapie

Kalenderblatt mit Termineintrag "Therapie 16 Uhr"

Soziotherapie - ein Hilfsangebot für psychisch schwer Kranke

Die Patienten sollen durch Soziotherapie in die Lage versetzt werden, ambulante ärztliche oder psychotherapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Ziel ist es, die Eigenverantwortung des Patienten so zu stärken, dass er langfristig ohne soziotherapeutische Betreuung auskommt. Die Maßnahmen werden im soziotherapeutischen Betreuungsplan festgehalten.

Auf dieser Seite

Soziotherapie-Richtlinie

Die Richtlinie regelt Voraussetzungen, Art und Umfang der Versorgung mit Soziotherapie. Sie beinhaltet neben der Indikation, der Voraussetzung der Therapiefähigkeit und dem Leistungsinhalt und -umfang auch die Vorbereitung, Planung und Erfolgskontrolle sowie die Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus und den soziotherapeutischen Leistungserbringern.

Die Soziotherapie-Richtlinie in der aktuellen Fassung finden Sie jederzeit auf der Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Soziotherapie wird auf dem Formular 26 verordnet. Anzugeben sind beispielsweise der Schweregrad der Erkrankung laut GAF-Skala sowie die Art und Ausprägung der Fähigkeitsstörung. Sowohl der verordnende Arzt bzw. Psychotherapeut als auch der Soziotherapeut erhält einen Durchschlag.

Das Original und der Betreuungsplan (Formular 27) werden bei der Krankenkasse zwecks Genehmigung eingereicht. Das Formular 28 dient für Überweisungen zur Indikationsstellung.

Vordruckerläuterungen

Hinweise zur Verordnung von Soziotherapie

Nur bestimmte Fachgruppen dürfen verordnen

Die Verordnung von Soziotherapie ist bestimmten Ärzten und Psychotherapeuten vorbehalten und an Bedingungen geknüpft. Damit ist sichergestellt, dass der Verordner befähigt ist, die Indikation für eine Soziotherapie zu stellen und den Ablauf und Erfolg zu kontrollieren.

Folgende Fachgruppen dürfen Soziotherapie verordnen:

  • Neurologie
  • Nervenheilkunde
  • Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • Psychiatrie und Psychotherapie
  • Kinder- und Jugendpsychiatrie (in therapeutisch begründeten Fällen in der Übergangsphase ab dem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres)
  • Fachärzte mit Zusatzweiterbildung Psychotherapie
  • Psychologische Psychotherapeuten
  • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (in therapeutisch begründeten Fällen in der Übergangsphase ab dem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres)
  • Psychiatrische Institutsambulanzen bzw. dort tätige Fachärzte

Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung

Ärzte bzw. Psychotherapeuten benötigen für die Verordnung von Soziotherapie eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung. Dafür stellen sie einen „Antrag auf Abrechnungsgenehmigung zur Verordnung von Soziotherapie“.

Darauf müssen sie unter anderem Einrichtungen angeben, mit denen sie kooperieren (gemeindepsychiatrischer Verbund oder vergleichbare Versorgungsstrukturen). Erst wenn die Genehmigung vorliegt, darf Soziotherapie verordnet und zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden.

Soziotherapeutischer Betreuungsplan

Im Rahmen der Verordnung von Soziotherapie durch den Arzt bzw. Psychotherapeut erstellt in der Regel der Soziotherapeut einen Betreuungsplan (Formular 27). Der Plan wird mit dem verordnenden Arzt bzw. Psychotherapeuten und dem Patienten abgestimmt – alle unterschreiben.

In regelmäßigen Abständen werden Therapieverlauf und -ziele von allen Beteiligten beraten und der Plan gegebenenfalls vom Soziotherapeuten angepasst. Der Betreuungsplan enthält neben therapeutischen Maßnahmen, zeitlicher Strukturierung und Prognose vor allem die erforderlichen Teilschritte und Therapieziele.

Stundenkontingent

Der Arzt bzw. Psychotherapeut darf pro Patient insgesamt 120 Stunden Soziotherapie innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren verordnen. Nach Ablauf von drei Jahren kann er erneut Soziotherapie verordnen – auch bei gleicher Krankheitsursache.

Das Gesamtkontingent von 120 Stunden wird in einzelnen Schritten bis maximal 30 Therapieeinheiten abgerufen. Der Arzt bzw. Psychotherapeut darf dabei immer nur so viele Einheiten verordnen, wie nötig sind, um festzustellen, dass die im Betreuungsplan festgehaltenen Therapieziele erreicht wurden oder eben nicht.

Soziotherapeutische Therapieeinheit
Eine Soziotherapieeinheit umfasst 60 Minuten. Sie kann je nach erforderlicher Maßnahme in kleinere Zeiteinheiten aufgeteilt werden. Bei gruppentherapeutischen Maßnahmen umfasst die Einheit 90 Minuten (Gesamtkontingent bleibt bei 120 Stunden).

Probestunden
Zur Abklärung der Therapiefähigkeit des Patienten können zunächst Probestunden verordnet werden – bis zu fünf. Sie dienen auch dazu, den Betreuungsplan zu erstellen. Probestunden sind pro Patient maximal zweimal pro Jahr möglich und müssen nicht vorab von der Krankenkasse genehmigt werden. Folgt auf die Probestunden eine Soziotherapie, werden die Stunden auf das Gesamtkontingent angerechnet.

Genehmigung durch die Krankenkasse

Bei der Soziotherapie handelt es sich um eine Leistung, die vorab von der Krankenkasse des Patienten genehmigt werden muss.

Das Original der Verordnung wird zusammen mit dem Original des Betreuungsplans – unterschrieben vom Arzt bzw. Psychotherapeuten, Soziotherapeuten und Patienten – bei der Krankenkasse eingereicht. Für diese Aufgabe benötigt der Patient gegebenenfalls Unterstützung. Wurden vorab Probestunden verordnet, so ist auch das Original dieser Verordnung beizufügen.

Die Krankenkasse prüft den Antrag, gegebenenfalls unter Einbeziehung des Medizinischen Dienstes. Sie informiert den Arzt bzw. Psychotherapeuten und Patienten umgehend über das Ergebnis. Bis zur Entscheidung übernimmt die Kasse die Kosten für die Soziotherapie. Dafür muss die Verordnung der Krankenkasse spätestens am dritten Arbeitstag nach der Ausstellung vorliegen.

Abrechnung und Vergütung

Die Verordnung von Soziotherapie wird extrabudgetär und somit zu festen Preisen vergütet. Diese Regelung gilt vorerst bis Ende März 2021.

Erstverordnung / GOP 30810

Für die Verordnung der fünf Probestunden bzw. die Erstverordnung von bis zu 30 Therapieeinheiten rechnen Ärzte bzw. Psychotherapeuten die GOP 30810 ab. Sie ist mit 168 Punkten bewertet. Die Leistung umfasst nicht nur das Ausstellen der Verordnung, sondern beispielsweise auch die Unterstützung des Patienten bei der Auswahl des Soziotherapeuten und die Mitwirkung an der Erstellung des Betreuungsplans.

Folgeverordnung / GOP 30811

Für die Überprüfung der Indikation zur Folgeverordnung ist die GOP 30811 berechnungsfähig. Sie ist mit 168 Punkten bewertet und kann höchstens zweimal im Behandlungsfall berechnet werden. Aufgabe hierbei ist es unter anderem, den soziotherapeutischen Betreuungsplan zu überprüfen und anzupassen sowie den Therapieverlauf abzustimmen und zu beobachten. Bei Bedarf kann eine Folgeverordnung von bis zu 30 Therapieeinheiten erfolgen.

Hier finden Sie den EBM

Wirtschaftlichkeitsgebot

Alle vom Arzt bzw. Psychotherapeuten ausgestellten Verordnungen unterliegen dem grundsätzlichen Wirtschaftlichkeitsgebot nach Paragraf 12 SGB V. Demnach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Vor diesem Hintergrund könnten Krankenkassen Einzelfallprüfanträge stellen. Da es sich allerdings um eine genehmigungspflichtige Leistung handelt, können Verordnungen nur dann einbezogen werden, wenn die Kasse begründete Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Verordnungsverhaltens eines Arztes oder Psychotherapeuten im Bereich Soziotherapie insgesamt hat.

Überweisung – Sonderregelung für andere Ärzte

Erachtet ein Arzt, der keine Soziotherapie verordnen darf, diese Leistung für seinen Patienten als erforderlich, überweist er ihn zu einem Arzt oder Psychotherapeuten mit der entsprechenden Genehmigung. Schafft der Patient es nicht, alleine den Kollegen aufzusuchen, greift eine Ausnahmeregelung:

Der überweisende Arzt darf einen Soziotherapeuten per Verordnung hinzuziehen, der den Patienten erst einmal motivieren soll, einen Facharzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen, der Soziotherapie für einen längeren Zeitraum verordnen kann. Diese Regelung gilt ausschließlich für Ärzte, da Psychotherapeuten nicht überweisen dürfen.

Formular und Abrechnung

Der Arzt nutzt dazu das Formular 28 (Verordnung bei Überweisung zur Indikationsstellung) und rechnet für die Verordnung die Gebührenordnungsposition 30800 ab. Sie ist mit 67 Punkten (7,14 Euro) bewertet.

Kontingente

Dem Soziotherapeuten stehen in solchen Fällen fünf Therapieeinheiten (à 60 Minuten) zur Verfügung, um den Patienten zu motivieren, einen Facharzt oder Psychotherapeuten aufzusuchen. Kommt es anschließend zur Verordnung von Soziotherapie durch einen berechtigten Arzt oder Psychotherapeuten, werden die Einheiten auf das Gesamtkontingent angerechnet.

Soziotherapie nach Klinikaufenthalt

Krankenhäuser dürfen im Rahmen des Entlassmanagements Soziotherapie für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnen, wenn der Patient unmittelbar nach der Entlassung die Unterstützung eines Soziotherapeuten benötigt oder damit eine frühzeitige Entlassung ermöglicht werden kann. Damit soll der Übergang vom stationären Bereich in die ambulante Betreuung gewährleistet werden.

Es gelten auch hier die Vorgaben der Soziotherapie-Richtlinie. Dabei kann die Soziotherapie bereits während des Klinikaufenthalts beginnen. Die Anzahl der Therapieeinheiten ist so zu bemessen, dass der Zeitraum von bis zu sieben Tagen nicht überschritten wird. Therapieeinheiten, die nicht innerhalb der sieben Tage in Anspruch genommen werden, verfallen.

Der ambulant weiterbehandelnde Vertragsarzt bzw. Psychotherapeut muss die im Krankenhaus verordnete Anzahl an Therapieeinheiten im Hinblick auf den Gesamtverordnungszeitraum berücksichtigen. Dazu muss ihn der Krankenhausarzt rechtzeitig über seine Verordnung informieren. Über die insgesamt in Anspruch genommenen Behandlungseinheiten gibt auch die Krankenkasse Auskunft, die alle Verordnungen zusammenführt. Die Regelungen zum Entlassmanagement gelten entsprechend für Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation.

Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege

Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege dürfen gleichzeitig verordnet werden – allerdings nur dann, wenn sich die Leistungen ergänzen und sich inhaltlich unterscheiden. Bei der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege kann es zum Beispiel auch darum gehen, die Medikamenteneinnahme des Patienten zu sichern oder Alltagsfertigkeiten zu trainieren.

Sowohl im soziotherapeutischen Betreuungsplan als auch im Behandlungsplan der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege muss daher begründet werden, dass die zeitgleiche Verordnung der beiden Leistungen notwendig ist. Die Dauer muss festgelegt und die Abgrenzung der Leistungen muss beschrieben werden.

Zuzahlung des Patienten

In vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung müssen sich Patienten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr mit einem festgelegten Prozentsatz an den Gesamtkosten beteiligen.

Auch bei Soziotherapie ist das so. Hier gestaltet sich die gesetzliche Zuzahlungspflicht – sofern der Patient nicht davon befreit ist – wie folgt: Pro Kalendertag, an dem Soziotherapie stattfindet, zahlt der Patient einen Eigenanteil in Höhe von zehn Prozent der tatsächlichen Behandlungskosten, mindestens fünf Euro, höchstens zehn Euro.

Weitere Informationen zur Zuzahlung

Maßnahmen und Patientenkreis

Soziotherapeutische Maßnahmen

Soziotherapie findet im sozialen Umfeld des Patienten statt – Hausbesuche und Begleitung zu Terminen gehören dazu. Der Soziotherapeut analysiert die häusliche, berufliche und soziale Situation des Patienten und bespricht sie mit ihm. Mithilfe von praktischen Übungen werden Motivation, Belastbarkeit und Ausdauer verbessert. Weitere Übungen betreffen die Tagesstrukturierung, das planerische Denken sowie Strategien zur Konfliktlösung.

Der Patient soll motiviert werden, seinen Tag zu strukturieren, Vorhaben umzusetzen und seinen Alltag zu meistern. Soziotherapie erfolgt primär als Einzelmaßnahme, es sind aber auch gruppentherapeutische Maßnahmen mit maximal zwölf Teilnehmern möglich.

Enge Kooperation

Soziotherapeutische Intervention umfasst den gesamten Lebensbereich des Patienten und ist individuell und fallspezifisch gestaltet. In der Regel werden Freunde und Familie ebenso wie das psychiatrische Angebot vor Ort mit in die Therapie einbezogen (z.B. Tages- und Begegnungsstätten oder Ergotherapie).

Umgang mit der Krankheit trainieren

Ein wichtiger Punkt der Soziotherapie ist, die Krankheitswahrnehmung des Patienten zu stärken. Er soll die Frühwarnzeichen erkennen, die eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ankündigen. Der Patient lernt, wie er zusammen mit dem Soziotherapeuten und dem behandelnden Arzt bzw. Psychotherapeuten gegensteuern kann, um einen Krankheitsschub zu verhindern. Der Soziotherapeut steht dem Patienten auch in akuten Krisensituationen zur Seite – in Absprache mit dem behandelnden Arzt bzw. Psychotherapeuten.

Diese Patienten kommen für Soziotherapie infrage

Soziotherapie wird vor allem bei Patienten verordnet, deren Krankheitsverlauf schwer und chronifiziert ist. Die Fähigkeit, zum Arzt bzw. Psychotherapeuten zu gehen, sich behandeln zu lassen und verordnete Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, ist bei diesen Patienten erheblich beeinträchtigt.

Die psychosoziale Kompetenz ist eingeschränkt. Hier vor allem:

  • Antrieb, Ausdauer und Belastbarkeit des Patienten sind gestört. Er ist unfähig, sein Tun zu strukturieren. Sein planerisches Denken und Handeln sowie sein Bezug zur Realität sind eingeschränkt.
  • Die Kontakt- und Kritikfähigkeit des Patienten ist eingeschränkt. Ihm fehlt die Fähigkeit, Konflikte zu lösen.
  • Kognitive Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit sind ebenso gestört wie die Lernleistung sowie das problemlösende Denken des Patienten.
  • Krankheitsbedingt fehlt dem Patienten der Zugang zur eigenen Krankheitssymptomatik. Er kann Konfliktsituationen und Krisen nicht erkennen.

Der Arzt bzw. der Psychotherapeut muss die Schwere der Beeinträchtigung feststellen und bei der Verordnung von Soziotherapie angeben. Anhand der sogenannten GAF-Skala lässt sich die Beeinträchtigung quantifizieren.

Weitere Voraussetzung für Soziotherapie

Der Patient soll ein Mindestmaß an Belastbarkeit, Motivation und Kommunikationsfähigkeit mitbringen und einfache Absprachen einhalten können. Diese Feststellung trifft der verordnende Arzt bzw. der Psychotherapeut. Er bezieht ggf. den Soziotherapeuten ein.

Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Soziotherapie ist grundsätzlich eine Leistung für erwachsene Patienten. In Ausnahmefällen kann eine Verordnung auch bei Personen unter 18 Jahren erfolgen. Dies ist möglich, wenn eine Begleitung des Patienten durch Sorgeberechtigte oder andere Personen (z.B. Jugendhilfe) zum Arzt oder Psychotherapeuten nicht gewährleistet werden kann.

Insbesondere für Fälle einer Transition, also einer Überführung aus der Versorgung speziell für Kinder und Jugendliche in die Versorgung für Erwachsene, gilt: Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Fachärzte für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dürfen Soziotherapie bei Patienten ab dem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres verordnen.

Voraussetzungen für Soziotherapie

Soziotherapie ist im Rahmen der Regelversorgung oder in begründeten Einzelfällen bei Patienten ab 18 Jahren verordnungsfähig. Die jeweiligen Voraussetzungen sind in Paragraf 2 der Soziotherapie-Richtlinie geregelt.

Soziotherapie als Regelversorgung

Die Regelversorgung mit Soziotherapie richtet sich an Patienten mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen aus:

  • dem schizophrenen Formenkreis (ICD-10-Abschnitt F20-20.6, F21, F22, F24, F25) oder
  • der Gruppe der affektiven Störungen mit psychotischen Symptomen (ICD-10-Abschnitt F31.5, F32.3, F33.3).

Bei Diagnosen der Regelversorgung ist eine Soziotherapie bei einer ernsthaften Beeinträchtigung des Patienten indiziert:

  • Der Orientierungswert auf der GAF-Skala liegt bei 40 und darf nicht über 50 gehen.

Soziotherapie in begründeten Einzelfällen

Mit der Neufassung der Soziotherapie-Richtlinie im Jahr 2015 wurde eine Öffnungsklausel für begründete Einzelfälle außerhalb der Regelversorgung aufgenommen. Demnach kann unter bestimmten Voraussetzungen Soziotherapie auch verordnet werden bei Patienten mit Diagnosen aus:

  • dem gesamten ICD-10-Kapitel für Psychische und Verhaltensstörungen (F00 bis F99).

Bei diesen Diagnosen muss eine starke Beeinträchtigung des Patienten vorliegen:

  • Der GAF-Wert liegt bei kleiner/gleich 40.

Weitere Voraussetzungen: Der Arzt bzw. Psychotherapeut bewertet die Gesamtsituation des Patienten und kann anschließend zu der Einschätzung gelangen, dass Soziotherapie indiziert ist. In der Richtlinie werden insbesondere folgende Fallkonstellationen genannt, von denen mindestens eine neben der Diagnose und dem GAF-Wert zutreffen muss, damit Soziotherapie im begründeten Einzelfall verordnet werden darf:

  • Patient hat relevante Co-Morbiditäten: psychiatrische Erkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen, somatische Beschwerden wie Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzerkrankungen
  • Stark eingeschränkte Fähigkeit des Patienten zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben
  • Eingeschränkte Fähigkeit des Patienten zur selbstständigen Inanspruchnahme und Koordination ärztlicher / psychotherapeutischer und verordneter Leistungen
  • Stark eingeschränkte Wegefähigkeit (Mobilität) des Patienten

GAF-Skala erklärt

Mit Hilfe der GAF-Skala (GAF = Global Assessment of Functioning) kann das allgemeine Funktionsniveau von psychiatrisch erkrankten Patienten erfasst werden. Auf der Skala werden nur die psychischen sozialen oder beruflichen Funktionsbereiche beurteilt, nicht jedoch Beeinträchtigungen aufgrund von körperlichen Einschränkungen. Bei der Verordnung von Soziotherapie spielt die GAF-Skala eine wichtige Rolle. Bestimmte Werte dürfen dann nicht überschritten werden, sonst ist eine Verordnung von Soziotherapie unmöglich.

Code

Bedeutung

100-91

Hervorragende Leistungsfähigkeit in einem breiten Spektrum von Aktivitäten; Schwierigkeiten im Leben scheinen nie außer Kontrolle zu geraten; keine Symptome.

90-81

Keine oder nur minimale Symptome (z.B. leicht Angst vor einer Prüfung), gute Leistungsfähigkeit in allen Gebieten, interessiert und eingebunden in ein breites Spektrum von Aktivitäten, sozial effektiv im Verhalten, im allgemein zufrieden mit dem Leben, übliche Alltagsprobleme oder -sorgen (z.B. nur gelegentlicher Streit mit einem Familienmitglied).

80-71

Wenn Symptome vorliegen, sind dies vorübergehende oder zu erwartende Reaktionen auf psychosoziale Belastungsfaktoren (z.B. Konzentrationsschwierigkeiten nach einem Familienstreit); höchstens leichte Beeinträchtigung der sozialen beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit (z.B. zeitweises Zurückbleiben in der Schule).

70-61

Einige leichte Symptome (z.B. depressive Stimmung oder leichte Schlaflosigkeit ODER einige leichte Schwierigkeiten hinsichtlich der sozialen, beruflichen oder schulischen Leistungsfähigkeit (z.B. gelegentliches Schuleschwänzen oder Diebstahl im Haushalt), aber im allgemeinen relativ gute Leistungsfähigkeit, hat einige wichtige zwischenmenschliche Beziehungen.

60-51

Mäßig ausgeprägte Symptome (z.B. Affektverflachung, weitschweifige Sprache, gelegentliche Panikattacken) ODER mäßig ausgeprägte Schwierigkeiten bezüglich der sozialen, beruflichen oder schulischen Leistungsfähigkeit (z.B wenige Freunde, Konflikte mit Arbeitskollegen, Schulkameraden oder Bezugspersonen).

50-41

Ernste Symptome (z.B Suizidgedanken, schwere Zwangsrituale, häufige Ladendiebstähle) ODER eine Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit (z.B. keine Freunde, Unfähigkeit, eine Arbeitsstelle zu behalten).

40-31

Einige Beeinträchtigungen in der Realitätskontrolle oder der Kommunikation (z.B. Sprache zeitweise unlogisch, unverständlich oder belanglos) ODER starke Beeinträchtigung in mehreren Bereichen, z.B. Arbeit oder Schule, familiäre Beziehungen, Urteilsvermögen, Denken oder Stimmung (z.B. ein Mann mit einer Depression vermeidet Freunde, vernachlässigt seine Familie und ist unfähig zu arbeiten; eine Kind schlägt häufig jüngere Kinder, ist zu Hause trotzig und versagt in der Schule).

30-21

Das Verhalten ist ernsthaft durch Wahnphänomene oder Halluzinationen beeinflusst ODER ernsthafte Beeinträchtigung der Kommunikation und des Urteilsvermögens (z.B. manchmal inkohärent, handelt grob inadäquat, starkes Eingenommensein von Selbstmordgedanken ODER Leistungsunfähigkeit in fast alles Bereichen (z.B. bleibt den ganzen Tag im Bett, hat keine Arbeit, kein Zuhause und keine Freunde).

20-11

Selbst- und Fremdgefährdung (z.B. Selbstmordversuche ohne eindeutige Todesabsicht, häufig gewalttätig, manische Erregung) ODER ist gelegentlich nicht in der Lage, die geringste Hygiene aufrechtzuerhalten (z.B. schmiert mit Kot) ODER grobe Beeinträchtigung der Kommunikation (größtenteils inkohärent oder stumm).

10-1

Ständige Gefahr, sich oder andere schwer zu verletzen (z.B. wiederholte Gewaltanwendung) ODER anhaltende Unfähigkeit, die minimale persönliche Hygiene aufrechtzuerhalten ODER ernsthafter Selbstmordversuch mit eindeutiger Todesabsicht.

0

Unzureichende Informationen

Soziotherapie richtig begleiten

Soziotherapie ist nicht mit einer Verordnung abgeschlossen. Arzt bzw. Psychotherapeut und Soziotherapeut arbeiten während der gesamten Therapie eng zusammen. Folgende Vorgaben zur Erfolgskontrolle und zur Zusammenarbeit gibt es:

Regelmäßige Abstimmung

Der Arzt bzw. Psychotherapeut koordiniert die Zusammenarbeit mit dem Soziotherapeuten und dem Patienten. Mindestens jeden zweiten Monat stimmen sich alle Beteiligten miteinander ab. Verpflichtend ist dies vor und nach den fünf Probestunden sowie vor jeder Folgeverordnung vorgesehen.

Dabei besprechen Arzt bzw. Psychotherapeut, Soziotherapeut und Patient den Therapieverlauf und passen gegebenenfalls Therapieziele und soziotherapeutische Leistungen an.

Basis ist die Dokumentation des Soziotherapeuten zu den durchgeführten Maßnahmen, dem Behandlungsverlauf und den bereits erreichten bzw. noch verbleibenden Therapiezielen. Der Soziotherapeut berichtet dem Facharzt bzw. Psychotherapeuten über die Entwicklung des Patienten und informiert ihn umgehend, falls er gravierende Veränderungen feststellt.

Erfolgskontrolle

Arzt bzw. Psychotherapeut und Soziotherapeut überprüfen die im Betreuungsplan festgehaltenen Nah- und Fernziele: Zeigen die verordneten Maßnahmen Erfolg? Ist der Patient tatsächlich für eine Soziotherapie geeignet und kann er die Therapieziele erreichen?

Ist dies nicht der Fall, muss die Soziotherapie abgebrochen werden. Auch wenn die Therapieziele vorzeitig erreicht werden, ist die Soziotherapie zu beenden und die Krankenkasse zu informieren.

Stationäre Behandlung

Es kann vorkommen, dass der Patient während einer laufenden Soziotherapie in stationäre Behandlung muss. Der Betreuungsplan kann dann nicht mehr eingehalten werden.

In diesem Fall bleibt der Soziotherapeut in Kontakt zu dem Patienten und versucht, eine frühestmögliche Entlassung zu erreichen. Gemeinsam mit dem ambulant behandelnden Arzt bzw. Psychotherapeuten kümmert er sich um die Wiederaufnahme und Weiterführung der Soziotherapie.

Wo finde ich einen Soziotherapeut?

Die Krankenkasse des Patienten kann Auskunft über soziotherapeutische Leistungserbringer in der Region geben. Einige Kassenärztliche Vereinigungen haben ebenfalls eine Übersicht. Ansprechpartner sind auch die Fachärzte, die Soziotherapie verordnen dürfen, und Psychotherapeuten – sie kooperieren mit gemeindepsychiatrischen Verbünden und kennen die regionalen Strukturen.

Wer kann Soziotherapeut werden?

Soziotherapeuten sind Diplom-Sozialarbeiter, Diplom-Sozialpädagogen oder auch Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, die selbstständig oder angestellt in einer Einrichtung arbeiten. Sie werden von den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen für die ambulante Soziotherapie zugelassen und schließen mit diesen einen Vertrag. Dafür müssen sie bestimmte Anforderungen nachweisen, zum Beispiel Berufserfahrung im ambulanten und stationären Bereich.