Weniger Bürokratie, mehr Zeit für Patientenversorgung
Viele Informationen, die von Ärzten und Psychotherapeuten übermittelt werden, sind für ein funktionierendes Gesundheitswesen unverzichtbar. Hierbei muss aber ständig abgewogen werden, was wirklich wichtig ist und was nicht. Noch eine Dokumentation, noch eine Anfrage, noch ein Formular – sie kosten Zeit, die den Ärzten und Psychotherapeuten für die Patientenversorgung fehlt.
Die KBV macht konkrete Vorschläge gemacht, wie der bürokratische Aufwand in den Arztpraxen reduziert werden kann:
-
-
Bei der Beantragung einer ambulanten Psychotherapie prüft die Krankenkasse, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein Vorteil des Antragsverfahrens und der mit der Genehmigung des Antrags durch die Krankenkassen einhergehenden vorgezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung ist die Schaffung eines sicheren Rahmens für die psychotherapeutische Behandlung. Die Genehmigung des Therapiekontingents ermöglicht eine Behandlungsplanung, die ein strukturiertes Vorgehen des Therapeuten fördert und bei den Patienten ein Verständnis für die vorgesehene Behandlung schafft.
Die Einführung eines elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahrens würde diesen Prozess erheblich entbürokratisieren und beschleunigen.
-
-
Wenn Patienten eine ärztliche Überweisung für eine psychotherapeutische Behandlung erhalten haben, sollte auf einen Konsiliarbericht verzichtet werden. Mit dem Konsiliarbericht bestätigt ein Arzt, dass keine Kontraindikationen gegen die Aufnahme einer Psychotherapie bestehen. In der Regel enthält er jene Informationen, die auch auf der Überweisung stehen.
56 Prozent der Patientinnen und Patienten, die im Jahr 2022 eine Therapie bei einem psychologischen Psychotherapeuten begonnen haben, konnten eine hausärztliche Überweisung vorweisen. Ohne den Konsiliarbericht hätten etwa 140.000 Stunden beziehungsweise 8,7 Millionen Euro eingespart werden können.
-
-
Meldet sich ein Arbeitnehmer für drei bis fünf Tage krank, sollte er kein ärztliches Attest vorlegen müssen. Der Praxisbesuch allein zum Bescheinigen der Arbeitsunfähigkeit würde dadurch entfallen. Es stünde selbstverständlich weiterhin jedem Patienten frei, schon am ersten Tag einen Arzt aufsuchen, vor allem wenn er schwerer erkrankt ist.
Eine Flexibilisierung sollte auch erwogen werden, wenn das Kind erkrankt. Aktuell müssen erwerbstätige Eltern schon ab dem ersten Krankheitstag die ärztliche Bescheinigung bei Erkrankung ihres Kindes vorlegen. Durch den Verzicht auf die Bescheinigung bei kurzer Krankheitsdauer könnten vor allem in Zeiten mit hohem Infektionsgeschehen sowohl die Kinderarztpraxen als auch die Eltern entlastet werden.
Allein der Wegfall von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei Erkrankungen von weniger als vier Tagen – das sind etwa 35 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle – würde die Praxen jährlich um etwa 1,4 Millionen Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 102 Millionen Euro sinken.
-
-
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sollte komplett digitalisiert werden. Ärzte müssen ihren Patienten momentan noch einen Papierausdruck aushändigen, obwohl die Daten elektronisch an die Krankenkassen und von dort an den Arbeitgeber übermittelt werden.
Aus Sicht der KBV könnte der Versichertendurchschlag in der elektronischen Patientenakte (ePA) abgelegt werden. Diese würde so nicht nur für jüngere Versicherte attraktiv werden, auch Arztpraxen würden ohne den Papierausdruck entlastet werden.
Das Ausstellen einer papiergebundenen Patientenbescheinigung dauert etwa zehn Sekunden. Sollten 80 Prozent der Versicherten eine ePA haben, würde das die Praxen jährlich um etwa 322.000 Stunden entlasten. Die Bürokratiekosten würden um etwa 24 Millionen Euro pro Jahr sinken.
-
-
Die Verfahrensdauer der Zulassungsverfahren gilt als bürokratische Hürde, denn obwohl Vertragsarztsitze seit Jahren frei sind, sind oft mehrere Sitzungen des Zulassungsausschusses erforderlich. Um das Verfahren zu beschleunigen, sollte sich der Zulassungsausschuss auf die wesentlichen Punkte beschränken. Hierfür ist es erforderlich, dass der Ausschussvorsitzende formale Entscheidungen allein treffen darf – beispielsweise, dass die Anhörung eines antragstellenden Arztes nicht unbedingt mündlich erfolgen muss.
Der Zulassungsantrag selbst sollte vereinfacht werden, indem Unterlagen nicht mehrmals eingereicht werden müssen. Beispielsweise könnten Unterlagen, die für den Eintrag ins Arztregister vorgelegt wurden, auch für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung genutzt werden.
Im Referentenentwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ist vorgesehen, dass die zuständige Landesbehörde alle Entscheidungen des Zulassungsausschusses bestätigt. Das lehnt die KBV ab, da dies dem Ziel der Entbürokratisierung widerspricht.
-
-
Um die Zahl der Anfragen zu reduzieren und die Praxen zu entlasten, sollten keine Informationen abgefragt werden dürfen, die den Anfragenden bereits vorliegen (zum Beispiel Daten, die auf der Verordnung angegeben wurden).
Einzelne Krankenkassen stellen Anfragen auch zu Verordnungen, die keine hohen Kosten verursachen. Eine Geringfügigkeitsgrenze für solche Anfragen würde sicherstellen, dass der Aufwand für die Beantwortung im Verhältnis zum Nutzen der Anfrage für die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung stehen.
Für Sachverhalte, zu denen Praxen sowohl von Krankenkassen als auch Medizinischem Dienst befragt werden, sollte es einheitliche Formulare geben. Das und eine digitale Übermittlung der Informationen würde den Praxen viel Zeit bei der Beantwortung ersparen, da der Aufwand für das händische Übertragen der Informationen sowie das Ausdrucken und Einscannen von Dokumenten entfallen würde.
-
-
Software, die Praxen zur verpflichtenden Teilnahme an der datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nutzen, muss zertifiziert sein. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die technischen Anforderungen nicht richtig oder unvollständig von den Softwareherstellern umgesetzt werden. Dokumentationen können deshalb nur fehlerhaft oder gar nicht übermittelt werden.
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen sollte deshalb gesetzlich mit der Zertifizierung beauftragt werden. Vertragsärztinnen und Vertragsärzten dürfen hierdurch keine Kosten entstehen.
-
-
Bei der Digitalisierung von Formularen sollten Leistungsbereiche Vorrang haben, bei denen bereits jetzt ein hoher Nutzen erzielt werden kann. Ein Beispiel dafür sind die Krankenhausentlassbriefe. Auch die digitale Übermittlung von Konsiliarberichten oder Anzeigen zur Akutbehandlung wäre sinnvoll, zumal damit die Psychologischen Psychotherapeuten, für die es bislang kaum Anwendungen gibt, von der Digitalisierung profitieren könnten.
Die Digitalisierung der Verordnungen von häuslicher Krankenpflege, außerklinischer Intensivpflege und Soziotherapie sollte hingegen zeitlich zurückgestellt werden. Diese Leistungen werden vor allem Patienten verordnet, die wenig technikaffin sind. Zudem ist vorgesehen, dass der Versicherte diese Verordnungen unterschreibt. Dafür gibt es bislang noch keine digitale Lösung.
-
-
Krankenkassen sollten eine Gebühr zahlen, wenn ihre Anträge auf Abrechnungsprüfung unbegründet und deshalb abgelehnt werden. Eine solche Regelung gibt es bereits im Krankenhausbereich. Mit der Gebühr ließen sich unnötige Prüfungen vermeiden. Zusätzlich sollte die Geringfügigkeitsgrenze erhöht werden.
Wenn die Hälfte der Abrechnungsprüfungen entfallen könnte, würde dies den Bürokratieaufwand um etwa 647.000 Stunden und die Bürokratiekosten um etwa 47 Millionen Euro pro Jahr reduzieren.
-
-
Aus Sicht der KBV kann die Angabe der Berufsbezeichnung auf eRezepten entfallen, sofern die Verschreibung unter Nutzung der Telematikinfrastruktur ausgestellt wird. Die Tatsache, dass die Verordnung durch einen approbierten Arzt und somit zur Verordnung Befugter ausgestellt worden ist, ergibt sich beim eRezept eindeutig aus den Inhalten der qualifizierten elektronischen Signatur. Somit ist die Qualifikation der verschreibenden Person sichergestellt.
Hintergrund ist, dass eRezepte häufig von Apotheken zurückgewiesen werden mit der Begründung, Krankenkassen würden das Rezept wegen einer fehlerhaften Angabe der Berufsbezeichnung retaxieren. Dies führt zu großer Verunsicherung bei allen Beteiligten und stellt eine Hürde für den reibungslosen flächendeckenden Einführung des eRezepts dar.
-
-
Derzeit erfolgt die Ausstellung von eRezepten für Bewohner von Pflegeheimen sowie für Patienten, die von ambulanten Pflegediensten betreut werden, hauptsächlich über den Ausdruck des eRezept-Tokens.
Die KBV schlägt auch für Pflegedienste einen Zugang zum eRezept-Fachdienst vor. Diese könnten dadurch nicht nur medienbruchfrei auf die Verordnungen der von ihr betreuten Patienten zugreifen, sondern auch die Einnahmeempfehlungen abrufen und in der Pflegedokumentation hinterlegen.
Auch für weitere digitale Verordnungsprozesse wird eine zentrale Infrastruktur benötigt, auf die weitere Beteiligte zugreifen können müssen. So muss bis zum 1. Juli 2026 gesetzlich sowohl die Digitalisierung der Verordnung der häuslichen Krankenpflege als auch der außerklinischen Intensivpflege umgesetzt sein. Bei der Verordnung häuslicher Krankenpflege muss die Pflege selbst im Rahmen der Blankoverordnung Angaben im Verordnungsdatensatz machen können.
-
-
Die elektronische Verordnung von Betäubungsmitteln (eBtM-Verordnung) bedarf einer rechtssicheren Möglichkeit der Direktzuweisung. Der behandelnde Arzt muss die eBtM-Verordnung direkt an eine kooperierende Apotheke versenden können, die die Substitutionsmittel an die Arztpraxis abgibt.
Die Notwendigkeit der Direktzuweisung ergibt sich vor allem durch eine mangelnde Absprachefähigkeit der Patienten. Zudem sind diese insbesondere zu Beginn der Therapie häufig wohnungslos und besitzen keine elektronische Gesundheitskarte, mit der sie die Verordnung in der Apotheke einlösen könnten.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass häufig nur ausgewählte Apotheken in der Lage sind, Substitutionsmittel-Rezepturen anzufertigen.
-
-
Aus Sicht der KBV sollten die überbordenden Meldevorgaben gemäß Infektionsschutzgesetz für COVID-19-Impfungen (zum Beispiel die Chargennummer des Impfstoffes, die impfstoffspezifische Dokumentationsnummer) gestrichen und an die Meldeinhalte bei anderen Impfungen angepasst werden.
Die Corona-Pandemie ist vorbei und die meisten Sonderregelungen wurden beendet. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, dass die im Infektionsschutzgesetz geforderten zusätzlichen Meldedaten bei der COVID-19-Impfung im Vergleich zu anderen Impfungen weiter bestehen bleiben.
Diese zusätzlichen Meldevorgaben wurden unter anderem damit begründet, dass hierdurch ergänzende Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe generiert und entsprechende Auswertungen zu neuen Erkenntnissen führen könnten. Das Sicherheitsprofil der COVID-19-Impfstoffe ist aufgrund der umfangreichen weltweiten Anwendung allerdings mittlerweile gut bekannt. Zudem existiert ein etabliertes Meldesystem zu Impfnebenwirkungen.
-
-
Die KBV fordert eine gesetzliche Klarstellung, dass die sogenannte Differenzkostenberechnung unter anderem auch bei leitliniengerechten Arzneiverordnungen im Off-Label-Use anzuwenden ist.
Laut Gesetz sind bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen Nachforderungen der Krankenkassen auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung zu begrenzen. Dies gilt dem Bundessozialgericht zufolge aber nur für Verordnungen, die unter quantitativen Gesichtspunkten als unwirtschaftlich gelten – beispielsweise, wenn der Arzt eine zu große Arzneimittelpackung verordnet hat.
Damit die Differenzkostenberechnung auch bei Arzneiverordnungen im Off-Label-Use zulässig ist, bedarf es einer gesetzlichen Neuregelung.
-
-
Die KBV fordert ein Verbot von Regressen aufgrund einer durch Lieferengpässe bedingten Verordnung von Impfstoff-Einzeldosen.
Insbesondere aufgrund von Lieferengpässen stehen häufig keine kostengünstigen Bündelpackungen zur Verfügung. Vertragsärzte verordnen deshalb patientenbezogen Einzeldosisspritzen zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse statt, wie üblich, Bündelpackungen als Sprechstundenbedarf.
Die Krankenkassen reagieren mit Regressforderungen, die auch einen hohen Dokumentations- und Rechtfertigungsaufwand verursachen.
-
-
Das Prinzip „Beratung vor Regress“ bei erstmaliger Auffälligkeit sollte auch für Einzelfallprüfungen gelten. Diese stellen mittlerweile den größten Teil der Wirtschaftlichkeitsprüfungen dar.
Angesichts der äußerst komplexen Vorgaben zur wirtschaftlichen Verordnungsweise hält die KBV es auch bei Einzelfallprüfungen für angemessen, Vertragsärzte vor einem Regress zu beraten und so den administrativen Aufwand bei allen Beteiligten deutlich zu senken.
Die Neuregelung wäre auch deshalb sachgerecht und zielführend, da die Sorge vor einem vorzeitigen Regress und dem damit verbundenen hohen bürokratischen Anforderungen bei jungen Medizinern nach wie vor ein großes Hemmnis vor einer Niederlassung darstellt.
-
-
Die KBV unterstützt eine Abschaffung der Präqualifizierungspflicht für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte.
Durch den Wegfall der beim Präqualifizierungsverfahren vorgesehenen Prüfung von bestimmten Anforderungen beispielsweise an die räumliche, sachliche oder personelle Ausstattung – die bereits durch andere Vorschriften sichergestellt sind – würden Doppelprüfungen entfallen, die anderenfalls zeitliche und personelle Ressourcen binden.
Insgesamt sind etwa 4.250 Praxen von der Präqualifizierungspflicht betroffen. Der Folgenachweis muss alle fünf Jahre erbracht werden. Eine Abschaffung würde den Bürokratieaufwand um etwa 600 Stunden und die Bürokratiekosten um 20.000 Euro pro Jahr senken.
-
-
Die Versorgung mit Hilfsmitteln ist mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Je nach Produktgruppe werden von den Vertragsärzten bei der Verordnung als auch im Rahmen nachgelagerter Anfragen unterschiedliche Angaben eingefordert, die oftmals keine medizinischen Aspekte tangieren und viel besser durch andere am Versorgungsprozess Beteiligte eingebracht werden könnten.
Aus Sicht der KBV sollte sich die Aufgabenverteilung für die Hilfsmittelversorgung klarer und verbindlicher an den jeweiligen Kompetenzen der am Versorgungprozess Beteiligten orientieren.
Hierzu bedarf es einer Konkretisierung der Aufgaben und Pflichten. Ärzte sollen nur noch für medizinische Informationen verantwortlich sein. Alle nicht-medizinischen Informationen sollen in Abstimmung mit den Patienten durch die Hilfsmittel-Leistungserbringer übernommen und verantwortet werden.