Wie ist der aktuelle Stand beim EHDS?
Dr. Stephan Hofmeister
Ja, der Trilog hat eine erfreuliche Wendung dahingehend genommen, dass es im jetzt vorliegenden Entwurf, der noch allerdings ins Parlament und in die Kommission muss, tatsächlich Opt-out-Lösungen gibt und auch deutliche Einschränkungen bei der Sekundärverwendung der Daten durch Industrie und Forschung. Das zum einen und noch weitergehend, soll es eine Art Öffnungsklausel geben, die den Ländern ermöglicht, noch weitergehende Rechte bis zum kompletten Opt-out aus dieser elektronischen Akte für die Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Das heißt, offenbar hat unsere Arbeit Erfolg gehabt. Wir haben Gehör gefunden. Wir hoffen, dass das jetzt auch so ins Gesetz kommt. Und damit wären die schlimmsten Befürchtungen zu EHDS weitgehend ausgeräumt.
Was heißt das?
Dr. Stephan Hofmeister
Das heißt, es gibt möglicherweise tatsächlich einen technischen Einstieg in eine Europäische Gesundheitsakte, also eine gewisse Datenmobilität, auch grenzübergreifend, das ist etwas, was man befürworten kann. Ich glaube nicht, dass es dafür eine ganz große Notwendigkeit gibt. Aber das kann man befürworten. Entscheidend ist aber, dass Bürgerinnen und Bürger das Recht behalten, diese Daten für sich zu behalten, eben nicht teilzunehmen an einem solchen Datenpool. Und das ist für uns ganz entscheidend.
Gibt es andere positive Entwicklungen?
Dr. Stephan Hofmeister
Na also, zu dem Thema jetzt speziell nicht, Ansonsten ist das EU-Parlament kurz vor der Wahl. Das heißt, wir erwarten nach dem sehr rasanten Tempo des letzten Jahres keine weiteren großen gesetzgeberischen Aktivitäten mehr.
Was würde der EHDS für das deutsche Gesundheitswesen und die Praxen bedeuten?
Dr. Stephan Hofmeister
Das kann man so noch nicht sagen. Es bedeutet jetzt erst mal für die nationalen Gesetzgeber, dass eben Möglichkeiten bestehen werden, so wie es jetzt aussieht, eben Opt-out-Lösungen anzubieten.
Das wäre also mit der deutschen ePA kompatibel. Und insofern ist das eine Forderung, die wir gestellt haben, die erfüllt würde. Für uns ist jetzt die Frage, wie viel Informations- und Aufklärungsaufwand bleibt in den Praxen hängen? Eigentlich sollte das keiner sein, denn über die ePA haben die Kassen aufzuklären. Sie sind die Eigentümer und Träger dieser Akten und insofern bleibt abzuwarten, wie viel Aufwand, wie viel bürokratischer oder administrativer oder auch kommunikativer Aufwand in den Praxen hängen bleibt.
An welchen Stellschrauben muss aus Ihrer Sicht gedreht werden?
Dr. Stephan Hofmeister
Ja, zum einen natürlich wirklich die Information, also der Bürgerinnen und Bürger und die Patientinnen und Patienten müssen informiert werden. Was ist die Akte? Wozu dient sie? Wie wird sie bedient? Das können die Praxen nicht leisten. Die Praxen sollen die Patienten diagnostizieren und behandeln und ihnen nicht ihre Technik erklären müssen. Das ist sicher eine ganz wichtige Voraussetzung. Und die zweite Voraussetzung ist, dass es technisch tatsächlich auch ohne Kinken und anders als bisher funktioniert, und zwar intuitiv und intelligent, dass es keine PDF-Sammlung wird, die von Kollegen Gassen viel zitierte digitale ALDI-Tüte, sondern ein wirklich kluges und intelligent nutzbares Instrument. Dann ist möglicherweise irgendwann auch ein Mehrwert für alle Beteiligten an diesem Produkt zu sehen.
Mit dem europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) will die EU-Kommission die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für die medizinische Versorgung, Forschung und Innovation sowie für gesundheitspolitische Entscheidungen ermöglichen. Aber auch Bürgerinnen und Bürger sollen davon profitieren, indem sie wichtige Daten grenzüberschreitend medizinischen Institutionen zur Verfügung stellen können. In den Mitgliedsstaaten der EU wird das Vorhaben unterschiedlich bewertet. Nun kam es zu einem Kompromiss zwischen EU-Parlament und EU-Ministerrat. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, erläutert, was das für das deutsche Gesundheitswesen bedeutet.