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Europäischer Gesundheitsdatenraum

Europäischer Gesundheitsdatenraum (EHDS): EU-weiter Austausch von Patientendaten und Nutzung von Gesundheitsdaten

Mit dem europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) will die EU-Kommission die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für die medizinische Versorgung, Forschung und Innovation sowie für gesundheitspolitische Entscheidungen ermöglichen.

Im Mai 2022 legte sie dazu einen Verordnungsentwurf vor, der seitdem im Gesetzgebungsverfahren kritisch diskutiert wird. Jeder EU-Bürger soll demnach eine europäische elektronische Patientenakte (ePA) erhalten, die europaweit genutzt werden kann.

Worum geht es für Patienten, Ärzte und medizinische Fachkräfte?

  • EU-Bürgerinnen und Bürger sollen jederzeit, egal von wo aus in der EU, einfach und kostenfrei Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben.
  • Jeder soll dazu eine europäische elektronische Patientenakte erhalten, die Verschreibungen, Bilddaten und Bildberichte, Laborergebnisse und Entlassungsberichte in einem gemeinsamen europäischen Format enthält, das interoperabel ist.
  • Dafür sollen die Daten in einer zentralen Speicherstruktur – EHDS – abgelegt werden.
  • Die Bürgerinnen und Bürger sollen eigene Daten in ihre persönliche elektronische Patientenakte innerhalb des EHDS geben können, die sie selbst über Wellness-Apps oder ähnliches erhoben haben.
  • Sie sollen diese Daten mit Angehörigen der Gesundheitsberufe auch grenzüberschreitend austauschen können.
  • Sie sollen den Zugang für andere beschränken können und Informationen darüber erhalten, wie und zu welchem Zweck ihre Daten verwendet werden.
  • Die EU-Kommission sieht für den EHDS hohe Datenschutzstandards vor.
  • Der Datenraum soll die Sekundärnutzung elektronischer Gesundheitsdaten, zum Beispiel für Forschungszwecke oder regulatorische Tätigkeiten, erleichtern. Der Zugriff soll dabei streng reglementiert und die Identität der betroffenen Personen geschützt werden

EHDS: Was fordert die KBV?

Vertrauen und ärztliche Schweigepflicht erhalten

Ein Europäischer Gesundheitsdatenraum kann aus Sicht der KBV nur dann erfolgreich sein, wenn er sowohl auf dem Vertrauen der Patienten als auch der Gesundheitsberufe aufbaut. Der geschützte Raum, zu dem nur Arzt und Patient Zugang haben, muss auch im Rahmen des EHDS gewährleistet sein.

Elementare Voraussetzung ist deshalb die Garantie der ärztlichen Schweigepflicht, sie darf durch die Gestaltung und technische Umsetzung des EHDS nicht gefährdet werden.

Ärzte und Psychotherapeuten sind zuallererst dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet und insofern auch Treuhänder ihrer Gesundheitsdaten. Ein wie auch immer geartetes Nutzungsversprechen Dritter darf diese Vertrauensbasis nicht in Frage stellen.

Aufwand und Kosten gering halten

Es muss sichergestellt werden, dass die Auswirkungen der EHDS-Verordnung bei der Primärnutzung von elektronischen Gesundheitsdaten zu keiner Beeinträchtigung der Versorgungsprozesse führen; dies vor allem im Hinblick darauf, dass Ärzte verpflichtet werden sollen, Behandlungsdaten systematisch in einem elektronischen Format in einer elektronischen Patientenakte (EHR – Electronic Health Record) zu registrieren.

Dies ist mit zusätzlichem Kosten- und Verwaltungsaufwand für die Ärzte und Psychotherapeuten verbunden. Dieser Aufwand muss so gering wie möglich gehalten werden. Automatisierte sichere Abläufe müssen genauso gewährleistet sein wie finanzielle Regelungen, welche die entstehenden Kosten ausgleichen.

Beide Voraussetzungen sind gegenwärtig nicht gegeben. Die Regierungen sind deshalb angehalten, die umfangreichen finanziellen Investitionen, die die Digitalisierung des Gesundheitswesens erfordert, in ihren Haushalten einzuplanen.

Folgen für Ärzte, MFA, Patienten und Versorgung bewerten

Die EU-Kommission räumt sich in fast einem Drittel der vorgeschlagenen Regelungen in dem Verordnungsentwurf eine weitgehende Kompetenz ein, delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zu erlassen. Die Anzahl der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte macht es schwierig, die vollen Auswirkungen des Vorschlags vorherzusagen.

Eine bessere Bewertung der rechtlichen, sozialen, technischen und finanziellen Folgen für Ärzte, andere Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten und die Gesundheitsversorgung insgesamt ist erforderlich, insbesondere um abzuschätzen, ob die Umsetzungskosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen werden.

Dies gilt vor allem in den Mitgliedstaaten, die bereits erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen in digitale Gesundheitssysteme, einschließlich elektronischer Patientenakten, investiert haben.

Regelungen mit ePA und TI synchronisieren

In Deutschland wäre für die Akzeptanz des EHDS durch die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten entscheidend, dass die vorgesehenen Regelungen mit den national bestehenden bzw. geplanten technischen Ausbaustufen der elektronischen Patientenakte und der Telematikinfrastruktur kompatibel sind.

Eine aufwändige Umstellung wäre mit weiterem erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten verbunden. Elementar wäre deshalb eine finanzielle Unterstützung von Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern, die sämtlich verpflichtet werden, sich an das nationale elektronische Gesundheitssystem und an den EHDS anzuschließen. So werden insbesondere Module für die Praxisverwaltungssysteme angepasst und finanziert werden müssen.

Aus der EHDS-Verordnung und der mit ihr verbundenen Dienste sind – insbesondere mit Blick auf die nationalen Arbeiten am Aufbau einer elektronischen Infrastruktur und der von ihr unterstützten Anwendungen – keine unmittelbaren Mehrwerte für die Versorgung erkennbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Regelungen der EHDS-Verordnung mit den nationalen Bemühungen synchronisiert sind. Diese Synchronisation ist aber zwingend erforderlich.

ePA: Opt-in-Option statt Opt-out

Für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ist derzeit ein sogenannter Opt-out vorgesehen. Das bedeutet, dass Patientinnen und Patienten aktiv der Datenerfassung über die ePA widersprechen müssen. Die KBV fordert, dass ein Opt-out sehr niedrigschwellig möglich sein muss und keine Benachteiligungen in der medizinischen Versorgung für Patienten entstehen, die sich zum Opt-out entschieden haben.

Die Opt-in-Option ist für Ärzte aus KBV-Sicht die bessere, korrektere Lösung - ähnlich wie bei der Organspende. Dies dürfe die Praxen jedoch zusätzlich belasten, in dem die Kolleginnen und Kollegen die Pflicht hätten,  Patientinnen und Patienten über Risiken aufzuklären. Für Praxen dürfe keine bürokratische Mehrarbeit entstehen.

EHDS: wichtiger Kompromiss auf europäischer Ebene

Wie ist der aktuelle Stand beim EHDS?

Dr. Stephan Hofmeister

Ja, der Trilog hat eine erfreuliche Wendung dahingehend genommen, dass es im jetzt vorliegenden Entwurf, der noch allerdings ins Parlament und in die Kommission muss, tatsächlich Opt-out-Lösungen gibt und auch deutliche Einschränkungen bei der Sekundärverwendung der Daten durch Industrie und Forschung. Das zum einen und noch weitergehend, soll es eine Art Öffnungsklausel geben, die den Ländern ermöglicht, noch weitergehende Rechte bis zum kompletten Opt-out aus dieser elektronischen Akte für die Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Das heißt, offenbar hat unsere Arbeit Erfolg gehabt. Wir haben Gehör gefunden. Wir hoffen, dass das jetzt auch so ins Gesetz kommt. Und damit wären die schlimmsten Befürchtungen zu EHDS weitgehend ausgeräumt.


Was heißt das?

Dr. Stephan Hofmeister
Das heißt, es gibt möglicherweise tatsächlich einen technischen Einstieg in eine Europäische Gesundheitsakte, also eine gewisse Datenmobilität, auch grenzübergreifend, das ist etwas, was man befürworten kann. Ich glaube nicht, dass es dafür eine ganz große Notwendigkeit gibt. Aber das kann man befürworten. Entscheidend ist aber, dass Bürgerinnen und Bürger das Recht behalten, diese Daten für sich zu behalten, eben nicht teilzunehmen an einem solchen Datenpool. Und das ist für uns ganz entscheidend.



Gibt es andere positive Entwicklungen?

Dr. Stephan Hofmeister
Na also, zu dem Thema jetzt speziell nicht, Ansonsten ist das EU-Parlament kurz vor der Wahl. Das heißt, wir erwarten nach dem sehr rasanten Tempo des letzten Jahres keine weiteren großen gesetzgeberischen Aktivitäten mehr.


Was würde der EHDS für das deutsche Gesundheitswesen und die Praxen bedeuten?

Dr. Stephan Hofmeister
Das kann man so noch nicht sagen. Es bedeutet jetzt erst mal für die nationalen Gesetzgeber, dass eben Möglichkeiten bestehen werden, so wie es jetzt aussieht, eben Opt-out-Lösungen anzubieten.
Das wäre also mit der deutschen ePA kompatibel. Und insofern ist das eine Forderung, die wir gestellt haben, die erfüllt würde. Für uns ist jetzt die Frage, wie viel Informations- und Aufklärungsaufwand bleibt in den Praxen hängen? Eigentlich sollte das keiner sein, denn über die ePA haben die Kassen aufzuklären. Sie sind die Eigentümer und Träger dieser Akten und insofern bleibt abzuwarten, wie viel Aufwand, wie viel bürokratischer oder administrativer oder auch kommunikativer Aufwand in den Praxen hängen bleibt.


An welchen Stellschrauben muss aus Ihrer Sicht gedreht werden?

Dr. Stephan Hofmeister

Ja, zum einen natürlich wirklich die Information, also der Bürgerinnen und Bürger und die Patientinnen und Patienten müssen informiert werden. Was ist die Akte? Wozu dient sie? Wie wird sie bedient? Das können die Praxen nicht leisten. Die Praxen sollen die Patienten diagnostizieren und behandeln und ihnen nicht ihre Technik erklären müssen. Das ist sicher eine ganz wichtige Voraussetzung. Und die zweite Voraussetzung ist, dass es technisch tatsächlich auch ohne Kinken und anders als bisher funktioniert, und zwar intuitiv und intelligent, dass es keine PDF-Sammlung wird, die von Kollegen Gassen viel zitierte digitale ALDI-Tüte, sondern ein wirklich kluges und intelligent nutzbares Instrument. Dann ist möglicherweise irgendwann auch ein Mehrwert für alle Beteiligten an diesem Produkt zu sehen.

Mit dem europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) will die EU-Kommission die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für die medizinische Versorgung, Forschung und Innovation sowie für gesundheitspolitische Entscheidungen ermöglichen. Aber auch Bürgerinnen und Bürger sollen davon profitieren, indem sie wichtige Daten grenzüberschreitend medizinischen Institutionen zur Verfügung stellen können. In den Mitgliedsstaaten der EU wird das Vorhaben unterschiedlich bewertet. Nun kam es zu einem Kompromiss zwischen EU-Parlament und EU-Ministerrat. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, erläutert, was das für das deutsche Gesundheitswesen bedeutet.

Gemeinsames Verbändeschreiben an den Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach

26. April 2023

Die Organisationen unter dem Dach des Bundesverbandes der Freien Berufe e.V. wenden sich an den Bundesgesundheitsminister und fordern bei der Schaffung eines EHDS besonderes Augenmerk auf die Garantie der heilberuflichen Schweigepflicht, den Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten der Patientinnen und Patienten zu legen.

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„Gesundheitsdaten müssen im Sinne des Gemeinwohls behandelt werden“

Dr. Jessica Heesen im Interview mit dem Magazin KBV-Klartext

Privatdozentin Dr. Jessica Heesen beschäftigt sich mit ethischen und philosophischen Debatten im Bereich Medien und Digitalisierung. Für sie haben Daten im Gesundheitsbereich einen sehr hohen Nutzen. mehr im KBV-Klartext