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Stand 27.06.2024

Labordiagnostik

Isolierte PTT-Verlängerung - Empfehlungen zur Labordiagnostik

Die partielle Thromboplastinzeit (PTT) wird sowohl zur Gerinnungsdiagnostik als auch zur Therapieüberwachung bei Antikoagulantiengabe eingesetzt und ist ein globaler Suchtest für Störungen des Blutgerinnungssystems. Das Erkennen von Gerinnungsstörungen stellt mitunter eine Herausforderung dar. Sie können sich in milden Symptomen wie Nasenbluten oder verstärkter Menstruation äußern, allerdings auch ernsthafte bis lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Besteht der Verdacht auf eine Gerinnungsstörung, wird zur initialen Gerinnungsdiagnostik neben der PTT auch ein weiterer Globaltest – der Quick-Test (siehe Empfehlungen zur Labordiagnostik: Isolierte Quick-Wert-Verminderung) – durchgeführt.

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Beide Globaltests geben Aufschluss über die Funktion und Dauer des beeinträchtigten biochemischen Gerinnungsprozesses und erkennen dabei Störungen in unterschiedlichen Bereichen des Gerinnungssystems. Die PTT erfasst die Aktivitäten der Gerinnungsfaktoren VIII, IX, XI und XII sowie die von Präkallikrein (Pk) und High Molecular Weight Kininogen (HMWK) im intrinsischen System der plasmatischen Gerinnung. Zusätzlich werden die Aktivitäten der Faktoren I, II, V und X erfasst, die die gemeinsame Endstrecke der plasmatischen Gerinnung bilden. Dagegen ist der Quick-Test sensitiv für die Gerinnungsfaktoren II, VII und X des extrinsischen Systems sowie eingeschränkt sensitiv für die Faktoren I und V der gemeinsamen Endstrecke. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass auf physiologischer Ebene die Hämostase nicht, wie früher vermutet, in einem intrinsischen und einem extrinsischen Prozess getrennt abläuft, sondern aus einem Wechselspiel von vaskulären Gerinnungsfaktoren, Blutkörperchen, Gefäßen und Geweben besteht. Dennoch kann die Unterteilung des Aktivierungsweges in extrinsisch und intrinsisch zum Verständnis der In-vitro-Diagnostik weiterhin herangezogen werden.

Zeigt sich trotz eines unauffälligen Quick-Werts eine pathologische Verlängerung der PTT, wird von einer isolierten PTT-Verlängerung gesprochen. Je nach vorliegender Symptomatik können die Ursachen für eine isolierte PTT-Verlängerung sehr unterschiedlich sein. Tritt eine Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) auf, kann beispielsweise eine Hämophilie, ein Von-Willebrand-Syndrom (vWS) oder ein transienter Faktormangel ursächlich sein. Besteht dagegen eine Thrombophilie im Zusammenhang mit einer PTT-Verlängerung, so kann dies auf ein Antiphospholipid-Syndrom (APS) hinweisen. Einige seltene Erkrankungen wie das Hageman-Syndrom oder ein Pk-/HMWK-Mangel zeigen außer einer isoliert pathologischen PTT-Verlängerung keine weiteren auffälligen klinischen Symptome und sind nur durch differentialdiagnostische Laboruntersuchungen zu identifizieren. Eine Verlängerung der partiellen Thromboplastinzeit ist daher nicht in jedem Fall mit einer klinisch wirksamen Gerinnungshemmung gleichzusetzen. Gleichzeitig schließt eine unauffällige PTT eine Subhämophilie oder ein Von-Willebrand-Syndrom nicht aus. Eine umfassende Anamnese ist somit essenziell für die weiterführende Diagnostik sowie für die Befundinterpretation. Da die PTT-Messung von zahlreichen Faktoren und Einflussgrößen abhängt, ist hier die Einhaltung der empfohlenen präanalytischen Bedingungen maßgeblich für eine korrekte Diagnosestellung.
 

Klinische Fragestellung

  • Abklärung einer durch Zweitmessung bestätigten, isoliert pathologischen PTT-Verlängerung ohne klinische Symptomatik
  • Abklärung einer Blutungsneigung
  • Abklärung einer Thromboseneigung
  • Zufallsbefund klinischer Routineuntersuchungen (Anmerkungen siehe Abschnitt „Weitere Empfehlungen: Präoperative Gerinnungsdiagnostik“)
  • Zufallsbefund durch Suche im familiären Umfeld nach einer positiven Anamnese
  • Verdacht auf ein Antiphospholipid-Syndrom
  • Verdacht auf einen erworbenen oder angeborenen Faktormangel des intrinsischen Systems (Faktoren VIII, IX, XI, XII, Pk/HMWK)
  • Verdacht auf ein Von-Willebrand-Syndrom

Hinweis: Eine normale PTT schließt ein Von-Willebrand-Syndrom nicht aus! Bei Verdacht auf ein vWS ist zusätzlich zu PTT und Quick-Wert eine spezifische Diagnostik zwingend erforderlich, die u. a. die Von-Willebrand-Faktor-Aktivität und das Von-Willebrand-Antigen umfassen sollte.

Die differentialdiagnostische Abklärung einer bestätigten, isoliert pathologischen PTT-Verlängerung sollte stets im Zusammenhang mit einer umfassenden Anamnese erfolgen, da die Messwerte nur im Kontext der klinischen Information korrekt interpretiert werden können. Die sich anschließende Diagnostik ist abhängig von der Symptomatik der zu untersuchenden Person. Daher werden bei der Anamneseerhebung Fragen zu Beschwerden, Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, aber auch zu Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahmen gestellt. Bei Frauen im gebärfähigen Alter werden Informationen zur Häufigkeit, Dauer und Schwere der Regelblutung erfasst. Zur Beurteilung der Blutungsneigung kann unter ärztlicher Anleitung in Eigenanamnese der beiliegende Fragebogen „Blutungstendenz nach dem ISTH-Score“ verwendet werden, der auf den Empfehlungen der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) basiert und auch den nationalen Expertenempfehlungen der Fachgesellschaften entspricht.

Laborparameter

Partielle Thromboplastinzeit (PTT): Bei der Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit wird die Zeit von der Zugabe eines PTT-Reagenz, bestehend aus Kalziumionen, Phospholipiden und negativ geladenem Oberflächenaktivator, bis zum Eintreten der Blutgerinnung anhand einer Fibrinbildung in Sekunden gemessen. Der Test umfasst die Aktivität aller Gerinnungsfaktoren, ausgenommen die der Faktoren VII und XIII, und ist besonders sensitiv für die Faktoren VIII, IX, XI, XII sowie Präkallikrein und High Molecular Weight Kininogen. Ist einer dieser Faktoren in seiner Konzentration oder Aktivität verringert, verlängert sich die partielle Thromboplastinzeit. Bei einem gesunden Erwachsenen liegen die PTT-Normwerte meist zwischen 20 und 40 Sekunden. Je nach Labor und durchgeführter Methode können sich die Referenzbereiche unterscheiden. Neugeborene weisen in den ersten Wochen physiologisch höhere PTT-Werte auf. Eine isoliert verlängerte PTT kann auf eine klinisch wirksame Hemmung der Gerinnung deuten, jedoch schließt eine normale PTT eine Subhämophilie oder ein Von-Willebrand-Syndrom nicht aus. 

Faktor VIII: Der Faktor VIII, auch als antihämophiles Globulin A bezeichnet, liegt im Blut gebunden am Von-Willebrand-Faktor vor und wird so vor einem proteolytischen Abbau geschützt. Ein Überschuss des Faktors VIII begünstigt die Thrombenbildung, wodurch das Risiko für Venenthrombosen und Lungenembolien erhöht wird. Ein isolierter Faktor VIII-Mangel tritt bei der Hämophilie A auf. Sie ist mit einer Prävalenz von 1:5.000 die häufigste Form von hereditären Koagulopathien und betrifft durch die X-chromosomal rezessive Vererbung hauptsächlich Männer. Jedoch können auch Konduktorinnen, je nach Schweregrad des Gendefekts, einen milden Faktor VIII-Mangel und eine Blutungsneigung aufweisen. Darüber hinaus kann der Faktor VIII auch bei Vorliegen eines Von-Willebrand-Syndroms erniedrigt sein, da er durch den Mangel seines Transportproteins Von-Willebrand-Faktor vermehrt abgebaut werden kann.

Faktor IX: Der Vitamin-K-abhängige Faktor IX, auch als antihämophiles Globulin B oder Christmas-Faktor bezeichnet, kann in seiner Synthese durch einen Vitamin-K-Mangel vermindert sein. Bei einem angeborenen Mangel des Faktors IX handelt es sich um eine Hämophilie B. Die Prävalenz dieser Erkrankung liegt bei etwa 1:30.000 und betrifft aufgrund der X-chromosomal rezessiven Vererbung überwiegend Männer, aber auch einige Konduktorinnen der Hämophilie B. 

Faktor XI: Der Faktor XI wird auch als Rosenthal-Faktor bezeichnet und ist ein Kontaktfaktor. Ein bereits leichter Überschuss des Faktor XI erhöht das Risiko für venöse Thromboembolien um mehr als das Zweifache. Ein angeborener Faktor XI-Mangel wird als Hämophilie C bzw. Rosenthal-Syndrom bezeichnet und betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Mit einer Prävalenz von 1:1 Million tritt die Hämophilie C äußerst selten auf. Eine Ausnahme bildet die Bevölkerungsgruppe der aschkenasischen Juden mit einer Prävalenz von 8–9 %.

Faktor XII: Der Faktor XII, der auch als Hageman-Faktor bekannt ist, zählt zu den Kontaktfaktoren des Gerinnungssystems. Ein angeborener Faktor XII-Mangel (heterozygotes oder homozygotes Hageman-Syndrom) ist dennoch klinisch unauffällig und wird häufig zufällig im Rahmen klinischer Routineuntersuchungen anhand einer isolierten und deutlich verlängerten PTT entdeckt. Weder Blutungsneigung noch Thromboseneigung sind mit einem Faktor XII-Mangel assoziiert. Zudem ist das homozygote Hageman-Syndrom mit einer Häufigkeit von 1:1 Million eine sehr seltene Erkrankung.

Antiphospholipid-Antikörper (APL-AK): Die häufigsten erworbenen Inhibitoren des Gerinnungssystems sind die Antiphospholipid-Antikörper, zu denen u. a. die Lupus Antikoagulantien, Anticardiolipin-Antikörper und Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper zählen. Sie sind Autoantikörper, die gegen die Phospholipid-Protein-Komponente der Aktivator-Komplexe der Gerinnung gerichtet sind und somit den Ablauf der Gerinnung stören. Statt einer erhöhten Blutungsneigung steigt in diesem Fall das Risiko für venöse und/oder arterielle Thromboseereignisse. Ebenso können vermehrt Schwangerschaftskomplikationen und Aborte auftreten.

Lupus Antikoagulantien (LA): Lupus Antikoagulantien gehören zur heterogenen Gruppe der Antiphospholipid-Antikörper und können nach Medikamenteneinnahmen, Infektionen oder durch lymphoproliferative Erkrankungen bzw. Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus Erythematodes (SLE) auftreten und zu einer isolierten PTT-Verlängerung führen. 

Präkallikrein (Pk): Der Kontaktfaktor Präkallikrein wird auch als Fletcher-Faktor oder Kallikreinogen bezeichnet. Ein Pk-Mangel äußert sich ausschließlich in einer stark verlängerten PTT. Sowohl Blutungs- als auch Thromboseneigung bestehen dabei nicht. Ursachen für einen Pk-Mangel können eine erworbene gestörte Synthese, ausgelöst durch einen schweren Leberschaden, oder eine angeborene Synthesestörung sein, die jedoch äußerst selten auftritt.

High Molecular Weight Kininogen (HMWK): Das High Molecular Weight Kininogen zählt wie Faktor XI und XII sowie Präkallikrein zu den Kontaktfaktoren des Gerinnungssystems. Ein HMWK-Mangel ist jedoch klinisch bedeutungslos, da weder Blutungs- noch Thromboseneigung mit einem deutlich verminderten HMWK-Spiegel assoziiert sind. Meist wird ein angeborener oder durch einen Leberschaden verursachter HMWK-Mangel nur anhand einer erheblich verlängerten PTT identifiziert.

Isolierte asymptomatische PTT-Verlängerung

Die isolierte, asymptomatische PTT-Verlängerung kann als Zufallsbefund bei einer klinischen Routineuntersuchung bzw. im Rahmen präoperativer Diagnostik bei Patienten oder Patientinnen ohne klinischen Verdacht auftreten.

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Auch durch eine Suche im familiären Umfeld nach einer positiven Anamnese kann eine asymptomatische Verlängerung auffallen, die es differentialdiagnostisch abzuklären gilt. Als mögliche Ursache für eine asymptomatische PTT-Verlängerung kommt beispielsweise das APS oder eine milde Form der Hämophilie in Frage.

Im ersten Schritt der Differentialdiagnostik sollte die PTT erneut bestimmt werden. Bei Gerinnungsuntersuchungen gilt grundsätzlich, dass pathologische Befunde durch eine Wiederholung der Messung bestätigt werden sollten, insbesondere wenn ein unklares klinisches Bild vorliegt. Die Einhaltung der erforderlichen Präanalytik, die Durchführung der PTT-Analytik innerhalb von vier Stunden nach Blutentnahme sowie der Ausschluss möglicher Störfaktoren sind dabei unerlässlich, um eine falsch-verlängerte PTT zu vermeiden (siehe Abschnitt „Weitere Empfehlungen: Präanalytische Bedingungen und Störfaktoren“). Bei einer erneuten Durchführung des Tests sollte daher beachtet werden, dass die Einnahme von Heparin oder direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) zeitlich weit von der PTT-Messung entfernt liegt oder die Medikamenteneinnahme nach ärztlicher Absprache im Rahmen der Messung ausgesetzt wird.

Liegt nach der erneuten Analyse der PTT-Wert wieder im Referenzbereich, sollte vor weitergehenden spezifischen Gerinnungsuntersuchungen und dem Ausschluss einer Gerinnungsstörung die präanalytische Vorgehensweise noch einmal geprüft und die Messung im Zweifelsfall ein weiteres Mal wiederholt werden.

Basisdiagnostik

Bei einer persistierenden pathologischen PTT-Verlängerung ohne klinische Symptomatik werden zunächst die Gerinnungsfaktoren VIII, IX, XI und XII sowie Lupus Antikoagulantien (LA) bestimmt. Für den Nachweis von LA werden zwei Screeningtests mit unterschiedlichen Testprinzipien parallel verwendet, da nicht alle LA mithilfe eines einzelnen Tests erfasst werden können: der dRVVT (dilute Russel’s viper venom time) -Test sowie ein PTT-Test mit lupussensitivem PTT-Reagenz. Beide Screeningtests weisen einen verminderten Gehalt an Phospholipiden auf, wodurch bei Anwesenheit von LA die Gerinnungszeit verlängert wird.

Weiterführende Diagnostik

Bei Feststellung eines isolierten Faktor VIII-Mangels sollte dieser Befund zunächst erneut kontrolliert werden. Bleibt der Nachweis eines Faktor VIII-Mangels bestehen, wird unter fachärztlicher Rücksprache die Durchführung einer umfassenden Von-Willebrand-Diagnostik in einem hämostaseologischen Speziallabor empfohlen. Es gilt unter anderem die Frage zu klären, ob der Faktor VIII-Mangel durch eine milde Form der Hämophilie A oder indirekt durch das vWS (vermehrter Abbau des Faktors VIII durch Verminderung seines Transportproteins Von-Willebrand-Faktor) verursacht wird.

Neben einem hereditären Ursprung kann der Faktor VIII-Mangel auch transient auftreten. Beispielsweise kann er durch eine Verbrauchskoagulopathie (disseminated intravascular coagulation, DIC) infolge von Grunderkrankungen wie malignen Tumoren, Schwangerschaftskomplikationen oder Leberzirrhose entstehen. Auch nach einem größeren Blutverlust oder nach Massivtransfusionen können sich Mängelzustände entwickeln. Ein derartiger transienter Faktormangel ist jedoch selten so stark ausgeprägt, dass er therapiebedürftig ist. Ebenso können Alloantikörper, die z. B. nach Faktor VIII-Substitutionstherapien bei Hämophilie A-Patienten auftreten können, oder Autoantikörper, die gegen den körpereigenen Faktor VIII gerichtet sind und z. B. durch Neoplasien, Autoimmunerkrankungen oder medikamenteninduziert entstehen, Grund für einen erworbenen Faktor VIII-Mangel sein.

Ergibt die Basisdiagnostik einen Mangel des Gerinnungsfaktors IX, XI oder XII, sollte dies durch eine erneute Untersuchung bestätigt werden. Besteht ein angeborener Mangel des Faktors IX bzw. XI, handelt es sich um eine Hämophilie B bzw. C. Die Blutungsneigung, die üblicherweise mit diesen Erkrankungen einhergeht, kann bei milden Verlaufsformen nur schwach ausgeprägt und daher augenscheinlich symptomlos sein. Ein transienter Mangel des Faktors IX oder XI kann durch Inhibitoren (Alloantikörper, Autoantikörper), DIC, Blutverlust oder Synthesestörungen bedingt sein.

Ein angeborener Faktor XII-Mangel, der auch als Hageman-Syndrom bezeichnet wird, ist stets klinisch unauffällig. Weder Blutungsneigung noch Thromboseneigung sind mit dem Hageman-Syndrom assoziiert. Im Zusammenhang mit Synthese- bzw. Umsatzstörungen (z. B. bei einer Amyloidose oder dem nephrotischen Syndrom) kann auch ein erworbener Faktor XII-Mangel nachweisbar sein.

Die Faktoren VIII, IX, XI und XII können bei Vorliegen von LA falsch zu niedrig gemessen werden. Die Einzelfaktorenanalyse sollte in diesem Fall nach Vorverdünnen des Patientenplasmas wiederholt werden, um ein Herausverdünnen der LA zu erreichen. Typischerweise kommt es nach dem Verdünnen in solchen Fällen zu einem Anstieg der Gerinnungsfaktoren, der beweist, dass kein echter Faktormangel vorliegt.

Konnten LA im Blut nachgewiesen werden, muss für eine sichere Diagnosestellung nach mindestens 12 Wochen erneut auf LA getestet werden. Dafür werden ein Mischtest, bei dem das Patientenplasma 1:1 mit Normalplasma verdünnt wird, sowie ein weiterer Bestätigungstest durchgeführt. Bei beiden Tests werden hohe Phospholipid-Konzentrationen verwendet, die den LA entgegenwirken und zu einer Verkürzung der Gerinnungszeiten führen. Dies dient dem Nachweis des Inhibitoreffekts sowie der Phospholipid-Abhängigkeit der LA.

Die Diagnose des APS gilt als gesichert, wenn nicht nur wiederholt Antiphospholipid-Antikörper (in diesem Fall LA) im Abstand von mindestens 12 Wochen nachgewiesen werden, sondern auch klinische Symptome wie venöse und/oder arterielle Thrombosen bzw. Schwangerschaftskomplikationen bestehen. Werden keine LA in der ersten Untersuchung oder in der Bestätigungsuntersuchung nachgewiesen oder treten weiterhin keine klinischen Symptome der Thrombophilie auf, kann das APS als Erkrankung ausgeschlossen werden.

Waren die bisherigen Untersuchungen dagegen unauffällig, können im Einzelfall und nach Absprache mit einem Gerinnungsspezialisten die Kontaktfaktoren Pk und HMWK bestimmt werden. Ein Pk-/HMWK-Mangel ist jedoch ein sehr seltenes Ereignis, das sich nur durch eine persistierende PTT-Verlängerung ohne klinische Symptomatik äußert. Die Bestimmung von Pk und HMWK sollte daher in einer Stufendiagnostik zuletzt durchgeführt werden, wenn alle anderen möglichen Diagnosen (angeborener/erworbener Einzelfaktormangel, vWS, APS) ausgeschlossen worden sind.

Isolierte PTT-Verlängerung mit Thromboseneigung

Treten im Zusammenhang mit einer isoliert verlängerten PTT auch eine venöse und/oder arterielle Thromboseneigung bzw. Schwangerschaftskomplikationen auf, besteht der Verdacht eines APS.

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Für eine gesicherte Diagnose muss neben der klinischen Symptomatik auch ein labordiagnostischer Nachweis von einem oder mehreren Antiphospholipid-Antikörpern (APL-AK) erfolgen. Zu diesen APL-AK zählen u. a. Anticardiolipin-Antikörper, Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper sowie LA. Die APL-AK müssen bei zwei oder mehr Untersuchungen im Abstand von mindestens 12 Wochen nachgewiesen werden. Dies ist erforderlich, da APL-AK auch vorübergehend aufgrund von Infekten oder nach Medikamenteneinnahme auftreten können. Insbesondere unter DOAK-Einnahme können falsch-positive LA-Nachweise auftreten, weshalb eine umfassende Medikamentenanamnese unerlässlich ist.

Begonnen wird die Labordiagnostik mit der Wiederholung der PTT-Bestimmung mit einem lupussensitiven PTT-Reagenz. Sollte das Ergebnis im Referenzbereich liegen, besteht auch hier der Verdacht einer fehlerhaften Präanalytik der ersten Untersuchung, bei dem sich eine Wiederholung der Messung empfiehlt.

Basisdiagnostik

Bei einer verlängerten, lupussensitiven PTT sollte anschließend ein Test auf APL-AK, insbesondere auf Anticardiolipin-Antikörper, Anti-β2-Antikörper und LA durchgeführt werden. Die LA werden durch zwei parallel durchgeführte Tests mit unterschiedlichen Testprinzipien nachgewiesen: ein dRVVT-Test sowie ein lupussensitiver PTT-Mischtest, bei dem eine 1:1 Verdünnung des Patientenplasmas mit Normalplasma erfolgt. Durch die Mischung mit Normalplasma wird ausgeschlossen, dass die PTT-Verlängerung durch einen Gerinnungsfaktormangel verursacht wird.

Weiterführende Diagnostik

Wurde mindestens eine Subgruppe der APL-AK identifiziert, muss zur Diagnosesicherung nach frühestens 12 Wochen eine Bestätigungsuntersuchung durchgeführt werden. Die Diagnose des APS gilt erst dann als gesichert, wenn neben der vorliegenden Symptomatik erneut APL-AK nachgewiesen werden konnten.

Bei einem negativen Ergebnis der ersten Untersuchung oder der Bestätigungsuntersuchung kann das APS als Diagnose sicher ausgeschlossen werden.

Isolierte PTT-Verlängerung mit Blutungsneigung

Bei einer wiederholt isolierten PTT-Verlängerung und gleichzeitiger hämorrhagischer Diathese, die nach einer umfassenden Anamnese (auch durch Zuhilfenahme des beigelegten modifizierten ISTH-Fragebogens) festgestellt wird, besteht der Verdacht auf ein vWS oder eine Hämophilie.

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Häufig ist jedoch eine Antikoagulation (z. B. mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin oder mit DOAK) die Ursache der PTT-Verlängerung. In jedem Fall sollte zu Beginn der Diagnostik unter Beachtung der präanalytischen Bedingungen die PTT erneut bestimmt werden.

Basisdiagnostik

Bei einer persistierenden PTT-Verlängerung mit gleichzeitiger Blutungsneigung werden für die Basisdiagnostik die Gerinnungsfaktoren VIII, IX und XI untersucht.

Befindet sich trotz vorliegender Blutungsneigung und nach Ausschluss möglicher Störfaktoren die PTT (und auch der Quick-Wert) wieder im Referenzbereich, bleibt dennoch der Verdacht auf ein vWS bestehen. Eine normale PTT schließt eine Subhämophilie oder ein vWS (häufigste angeborene Gerinnungsstörung) nicht aus, da durch PTT und Quick-Test nur schwere Störungen im Gerinnungssystem identifiziert werden können. In jedem Fall sollte eine fachärztliche Konsultation erfolgen, um gegebenenfalls eine umfassende Von-Willebrand-Diagnostik in einem hämostaseologischen Speziallabor durchzuführen.

Weiterführende Diagnostik

Bei einem isolierten Faktor VIII-Mangel wird ebenfalls eine umfassende Von-Willebrand-Diagnostik nach fachärztlicher Rücksprache empfohlen. Als hereditäre Ursache kommt eine Hämophilie A (angeborener Faktor VIII-Mangel) bzw. ein vWS (Faktor VIII-Mangel z. B. als Folge einer starken Von-Willebrand-Faktor-Verminderung) in Frage. Der Faktor VIII-Mangel kann auch durch Inhibitoren (Auto- oder Alloantikörper) oder DIC erworben sein oder nach Massivtransfusionen auftreten.

Auch die Gerinnungsfaktoren IX oder XI können in ihrer Konzentration bzw. Aktivität erniedrigt sein. Durch eine Bestätigungsuntersuchung wird dieser Befund gesichert. Bei einem hereditären Faktor IX-Mangel liegt eine Hämophilie B vor. In sehr seltenen Fällen ist der Faktor XI betroffen, der bei einer Hämophilie C aufgrund von Genmutationen deutlich verringert ist. Auch kann der Mangel an Faktor IX bzw. XI durch DIC, Inhibitoren oder Lebersynthesestörungen erworben sein.

Sind trotz persistierender PTT-Verlängerung alle untersuchten Gerinnungsfaktoren unauffällig, so besteht der Verdacht auf eine Störung der Fibrinpolymerisation in Form einer Hyperfibrinolyse. Jedoch ist die Hyperfibrinolyse eine sehr seltene Erkrankung, weshalb weiterführende Laboruntersuchungen nur im Einzelfall und nach Absprache mit einer Gerinnungsspezialistin oder einem Gerinnungsspezialisten durchgeführt werden sollten.

Weitere Empfehlungen

Präanalytische Bedingungen und Störfaktoren

Die partielle Thromboplastinzeit kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, weshalb die Bestimmung der PTT mit großer Sorgfalt unter Einhaltung der empfohlenen, präanalytischen Bedingungen erfolgen sollte. In jedem Fall ist das Präanalytikhandbuch des jeweiligen Einsendelabors zu beachten, das wichtige Informationen zur Probengewinnung, der Lagerung sowie den Transportbedingungen enthält. Auch sollten auf den Anforderungsscheinen die eingenommenen Medikamente, insbesondere die eingesetzten Antikoagulantien notiert werden, um die gemessenen Laborwerte korrekt interpretieren zu können.

Im Allgemeinen gilt es, folgende Störfaktoren und daraus resultierende Fehler zu vermeiden:

  • Medikamenteneinnahme (unfraktioniertes oder niedermolekulares Heparin, DOAK; insbesondere bei Kindern Penicillin, Valproinsäure): falscher Verdacht auf Koagulopathie durch verlängerte Gerinnungszeit
  • Entnahme aus einem Gefäßzugang: falscher Verdacht auf Koagulopathie durch verlängerte Gerinnungszeit aufgrund einer möglichen Kontamination mit Heparin am Zugang
  • Stauung der Vene zu lang oder zu intensiv: lokale Aktivierung der Fibrinolyse, Erhöhung der Aktivität und Konzentration der Gerinnungsfaktoren
  • Lagerung und/oder Transport länger als 4 h: Vortäuschen eines Faktormangels durch In-vitro-Abfall des labilen Faktors VIII
  • Blutprobe zuvor eingefroren: Vortäuschen eines Faktormangels durch Kryopräzipitation des Faktor VIII/vWF-Komplexes; Beeinflussung des LA-Nachweises durch Freisetzung des Plättchenfaktors 4
  • Blutentnahmeröhrchen nicht vollständig gefüllt: verlängerte Gerinnungszeit durch falsches Mischverhältnis von Citrat zu Plasma
  • Venenpunktion nicht sachgemäß, Citratblut als erste Fraktion abgenommen: Verunreinigung mit Gewebeflüssigkeit; Gerinnungsaktivierung durch freigesetztes Gewebsthromboplastin 

Ideal ist die Entnahme der Blutprobe als zweite oder weitere Fraktion im ungestauten Zustand. Verwendet werden sollte dafür ein Citrat-Blutentnahmeröhrchen. Nach Füllung bis zur Markierung wird das Citrat-Röhrchen vorsichtig „über Kopf“ geschwenkt, aber nicht geschüttelt. Das Mischungsverhältnis von Citrat zu Blut beträgt bei korrekter Befüllung 1:10. Bei zeitnaher Analyse wird das Citratblut bis zum Probentransport bei Raumtemperatur aufbewahrt.

Präoperative Gerinnungsdiagnostik

Häufig werden PTT und Quick-Test zur präoperativen Gerinnungsdiagnostik bei Risikopatientinnen und -patienten eingesetzt, was u. a. zu einem Zufallsbefund der isolierten PTT-Verlängerung führen kann. Das perioperative Blutungsrisiko ist jedoch nicht allein anhand der PTT und des Quick-Wertes vorhersagbar. So gehen milde Faktormängel oft mit normalen Globaltests der Gerinnungsaktivität einher und können dennoch perioperative Blutungen verursachen. Darüber hinaus sind bei einem Von-Willebrand-Syndrom, der häufigsten angeborenen Blutungsneigung, Quick-Wert und PTT sehr oft im Referenzbereich. Der wichtigste diagnostische Ansatz bei der präoperativen Gerinnungsdiagnostik ist daher die ausführliche Gerinnungsanamnese.

Allgemeine Hinweise zu Faktor VIII

Da der Faktor VIII ein Akute-Phase-Protein ist, steigt seine Konzentration bei akuten und chronischen Erkrankungen, bei einem Leberschaden, nach Operationen, bei physischem und psychischem Stress sowie medikamenteninduziert (z. B. Adrenalin, Immunsuppressiva) deutlich an und kann unter Umständen einen bestehenden Mangel kaschieren. Der Faktor VIII-Spiegel ist zudem altersabhängig und steigt bei Frauen im zunehmenden Alter mehr an als bei Männern. Auch im Verlauf einer Schwangerschaft erhöht sich die Konzentration des Faktors VIII. Dies sollte u. a. bei der diagnostischen Untersuchung von möglichen Konduktorinnen beachtet werden.

Therapieüberwachung und Verlaufskontrolle

Die PTT-Messung wird neben der Gerinnungsdiagnostik auch zur Therapieüberwachung von bestimmten Antikoagulantien, insbesondere unfraktioniertem Heparin und Argatroban, eingesetzt. Möglich ist dies durch eine Korrelation zwischen PTT und Antikoagulans im Plasma. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass die verschiedenen PTT-Reagenzien unterschiedlich empfindlich auf die Hemmwirkung von Heparin reagieren, was einen direkten Vergleich der Messergebnisse (inkl. Ratio) ausschließt.

Die PTT kann auch zur Verlaufskontrolle einer DIC oder bei Hämophilie-Patienten unter Substitutionstherapie mit Faktor VIII- bzw. Faktor IX-Konzentraten verwendet werden. Sie ist jedoch nicht zum Therapiemonitoring von niedermolekularem Heparin (NMH) geeignet. Unter subkutaner Gabe von NMH kann es dosisabhängig zu einer isolierten PTT-Verlängerung kommen. Dieser Effekt ist jedoch sehr gering und bei verschiedenen NMH unterschiedlich ausgeprägt (u. a. abhängig vom Molekulargewicht der NMH).

Auch unter Einnahme von DOAK und besonders unter Dabigatran (oraler direkter Thrombininhibitor) kann es zu einer isolierten PTT-Verlängerung je nach Sensitivität der verschiedenen PTT-Reagenzien bezüglich der DOAK kommen. Dies hängt aber auch von dem Zeitpunkt der Blutentnahme im Verhältnis zum Zeitpunkt der letzten DOAK-Einnahme ab.
 

Literaturverzeichnis

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  • Klinikhandbuch Labordiagnostische Pfade, W. Hofmann, J. Aufenanger, G. Hoffmann (Hrsg.), De Gruyter Verlag, 2. Auflage, 2014
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  • Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

    Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

  • Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung, asymptomatisch (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

    Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung, asymptomatisch (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

  • Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung, Thromboseneigung (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

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  • Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung, Blutungsneigung (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

    Ablaufschema: Labordiagnostik der isolierten PTT-Verlängerung, Blutungsneigung (Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.)

Hinweis: Die Laborpfade sind lediglich eine Empfehlung und nicht verbindlich.