Entbürokratisierung entlastet Praxen und Kostenträger – Formfreie Anfragen: heute Zettelwust, morgen digital
Jedes Jahr verursachen Anfragen von Institutionen des Gesundheitswesens in Arztpraxen deutschlandweit mehr als zwei Millionen Arbeitsstunden. Diesen bürokratischen Aufwand zu verringern und alle Beteiligten zu entlasten, ist Anliegen einer gemeinsamen Initiative von BARMER, Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Kassenärztlicher Vereinigung (KVWL) und Medizinischem Dienst (MD) in Westfalen-Lippe.
Berlin, 31. März 2025 – Die Zusammenarbeit fußt auf dem Formularlabor Westfalen-Lippe, das sich bereits seit dem Jahr 2011 für die Entbürokratisierung einsetzt. Im Fokus der Arbeit des Formularlabors stand seit Ende 2023, die sogenannten „formfreien Anfragen“ möglichst zu vereinheitlichen. Solche Rückfragen richten neben Krankenkassen auch die Rentenversicherung, Versorgungsämter oder Sozialgerichte vor allem an Hausarztpraxen. Sie sollen fehlende Informationen zu Behandlungen, Verordnungen von Hilfsmitteln oder Krankmeldungen liefern. Die Anfragen verursachen enormen Aufwand, weil sie manuell und ohne Praxisverwaltungssystem (PVS) beantwortet werden müssen. Die Arbeitsgruppe schlägt daher eine Vereinheitlichung der Bögen und ihre Integration in die PVS vor. In ihrem jetzt vorliegenden Abschlussbericht unterbreiten die Experten Vorschläge, die formfreien Anfragen zu vereinheitlichen.
Erst entbürokratisieren, dann digitalisieren
Laut Bericht können die Vorschläge der Arbeitsgruppe viele der aktuellen Probleme mit „formfreien Anfragen“ beheben. So fehle ihnen häufig der Bezug zur aktuellen Verordnung, was durch eine entsprechende Klarstellung vermeidbar sei. Viele Anfragen könnten zudem von vornherein vermieden werden, wenn die Voraussetzungen für die Verordnung den Praxen transparenter wären. Hilfreich sei dies vor allem bei Hilfsmittelverordnungen, etwa für Rollstühle. Wichtig sei außerdem, die Anfragen richtig zu adressieren. Viel zu oft müssten sich die verordnenden Ärzte zu nichtmedizinischen Fragestellungen äußern. Deshalb sollten bei der Verteilung Kompetenzen besser berücksichtigt werden. Technische Fragen zur Auswahl eines Hilfsmittels gehörten zum Beispiel in ein Sanitätshaus, Fragen zur pflegerischen Versorgung sowie zu Alltagskompetenzen der Patienten zu Pflegediensten und Therapeuten. Würden die Empfehlungen der Arbeitsgruppe umgesetzt, schaffe dies Voraussetzungen, im nächsten Schritt die optimierte Informationsübermittlung zu digitalisieren. Außerdem werde empfohlen, dass Krankenkassen durch den Gesetzgeber ermächtigt werden, bereits bei ihnen vorhandene Informationen bei erneuten Verordnungen wieder zu nutzen. Bisher sei ihnen dies nicht erlaubt.
Statements der Beteiligten
Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER: „Mehr Entbürokratisierung hilft allen Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitssystem. Standardisierte Fragebögen für formfreie Anfragen sind zudem auch ein wichtiger Schritt, um die Digitalisierung voran zu bringen.“
Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Formfreie Anfragen stellen eine höchst ineffiziente Form der Informationserhebung dar – nicht nur für Arztpraxen, sondern auch für Krankenkassen und den Medizinischen Dienst. Wir begrüßen daher das gemeinsame Vorgehen und die konstruktive Zusammenarbeit an dieser Stelle. Neben den Handlungsansätzen, die sich für die Selbstverwaltung ergeben, muss auch der Gesetzgeber sich einbringen und Voraussetzungen für einen effizienteren Informationsaustausch schaffen. Auch in vielen anderen Themenbereichen haben wir bereits konkrete Vorschläge gemacht, wie der bürokratische Aufwand in den Arztpraxen reduziert werden kann. Diese liegen beim BMG auf dem Tisch. Es wird Zeit, dass sie nun auch umgesetzt werden.“
Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe: „Die Entbürokratisierung ist erst dann am Ziel, wenn sie sich selbst überflüssig gemacht hat. Der Erfüllungsaufwand bei Gesetzen und Vorschriften muss unbedingt vom Ende her gedacht werden. Es ist den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen schlicht nicht zuzumuten, Redundanzen abzuarbeiten oder kostenlos formfreie Anfragen im Umfang eines Gutachtens zu beantworten. Zwei Monate im Jahr ist eine Praxis ausschließlich mit Bürokratie beschäftigt. Die Zeit fehlt dann am Ende für die Behandlung der Patientinnen und Patienten. Die Bürokratielast muss deutlich sinken, um die ambulante Versorgung nachhaltig zu stärken.“
Dr. Martin Rieger, Vorstandsvorsitzender Medizinischer Dienst Westfalen-Lippe: „Ziel unserer Bemühungen ist es, einen kurzen Draht und optimalen Informationsaustausch zwischen behandelnden Ärzten und dem Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe zu etablieren. Denn wir wollen Versicherten helfen, ihnen die benötigte Versorgung zügig zu ermöglichen. Digitalisierung wird uns dabei helfen. Wir als Medizinischer Dienst Westfalen-Lippe begreifen sie deshalb als Chance, unsere Arbeit weiter zu verbessern. Das ist der Grund, warum wir seit Jahren viel in die Digitalisierung unserer Prozesse investieren.“