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KBV Sicherstellungskongress 2023: Zukunft der Akutversorgung

12.-13. Oktober 2023 im "dbb forum berlin"

Angebot und Nachfrage? Ambulant und/oder stationär? Analog und/oder digital? Die Zukunft der Akutversorgung stand im Fokus des achten Sicherstellungskongresses der KBV. Ein Schwerpunkt der zweitägigen Veranstaltung: Die Diskussion zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, und dem KBV-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Gassen. 

Pre-Conference: Intersektorale Aus- und Weiterbildung: best of both worlds?

12. Oktober

Die Pre-Conference, die im Rahmen des KBV-Sicherstellungskongresses am 12. Oktober 2023 stattfand, widmete sich unter dem Titel „Intersektionale Aus- und Weiterbildung: best of both worlds?“ den Optionen für den ärztlichen Berufseinstieg in Aus- und Weiterbildung mit einem Fokus auf intersektorale Entwicklungen. Neben Impulsen und Plenumsdiskussionen fanden drei parallel laufende Fachsessions statt, in denen verschiedene Schwerpunkte zum Thema Aus- und Weiterbildung diskutiert wurden.

 

Impuls/Fishbowl-Diskussion: Aus- und Weiterbildung intersektoral: mittendrin oder zwischen den Stühlen?

In der Eingangspodiumsdiskussion diskutierten Marlene Mörig (Bundesvertretung der Medizinstudieren in Deutschland, bvmd), Mira Faßbach (Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte), Henning Schettulat (KV Hessen) und Prof. Marco Roos (Universität Augsburg) über die aktuellen Entwicklungen in Aus- und Weiterbildung mit dem Fokus auf die Ambulantisierung und die Notwendigkeit intersektoraler Kooperation.

Zudem wurde sich darüber ausgetauscht, welche Entwicklungen auch in Zukunft erforderlich seien. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich vor allem in dem Punkt einig, dass die Weiterbildung verbessert werden müsse. Dafür seien vor allem gut funktionierende Weiterbildungsverbünde bzw. -netzwerke, flexible und individuellere Gestaltung der Weiterbildung, besser geschulte Weiterbildungsbefugte sowie finanzielle Anreize hilfreich.

Außerdem sollte die Weiterbildung mehr an den Bedarf angepasst werden. Es sei wichtig, bereits im Studium mehr über die zukünftigen Karrieremöglichkeiten zu erfahren und Einblicke in die verschiedenen Versorgungsbereiche zu erhalten. Die angehenden Ärztinnen und Ärzte benötigen Weiterbildungsbefugte, die im Sinne eines Rollenmodels als Vorbilder fungieren und neben der Wissensvermittlung auch vorleben, wie die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit möglich ist.

Fachsession 1: „Aus- und Weiterbildung: Was kann Praxis? Kann Praxis das? Belastung oder Perspektive?“

Die Fachsession 1 widmete sich vor allem der Rolle der Ärztinnen und Ärzte als Weiterbildende und Lehrende. Diese Rolle kann sowohl als Bereicherung und Chance wahrgenommen werden, aber auch herausfordernd und belastend sein. Gestaltet wurde die Session von Dr. Ulrike Sonntag vom Kompetenzzentrum Weiterbildung Berlin und von Dr. Antje Koch von der Ärztekammer Berlin.

Als inhaltlicher Input wurden Qualifizierungsmodellen vorgestellt, die im Sinne eines lebenslangen Lernens zu unterschiedlichen Zeiten der beruflichen Professionalisierung didaktische Kompetenzen in den Fokus rücken. Außerdem unterstützten unterschiedliche Formate, wie z. B. sogenannte Teaching EPAs (Entrustable Professional Activities / anvertraubare professionelle Tätigkeiten) sowie Fortbildungseinheiten zu Feedback und Supervision, die Fachsession.

Die Teilnehmenden erarbeiteten, welche Herausforderungen und Vorteile die Weiterbildung mit sich bringt. Als Herausforderung wurden unter anderem genannt: die komplexen Anforderungen (berufs-, sozial-, vertragsarztrechtliche und finanzielle Anforderungen), die wenige Zeit neben der Patientenversorgung, die Frage nach der Qualität und Qualitätsstandards sowie die Akquise von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (ÄiW).

Andererseits wurden verschiedene Vorteile benannt: zum Beispiel die Möglichkeit, eine potenzielle Nachfolgerin bzw. einen potenziellen Nachfolger zu finden oder eine Arbeitskraft zu gewinnen und damit verbunden auch eine Versorgungssicherung zu gewährleisten. Oder durch Interaktion mit den jüngeren Kolleginnen und Kollegen an einem Wissenstransfer von der Universität in die Praxis teilzuhaben und dadurch insgesamt mehr up-to-date zu sein.

Fazit ist, dass die ärztliche Rolle der Lehrenden nicht nur Bestandteil des ärztlichen Selbstverständnisses, sondern auch Voraussetzung für den Weiterbestand ärztlicher Versorgung ist.

 

Fachsession 2: „How to? Gebrauchsanleitung Weiterbildungs-Netzwerke: interdisziplinär, - sektoral, -professionell“

Die Fachsession 2 beschäftigte sich mit dem Thema, wie Weiterbildung in einem Netzwerk oder Verbund in Zukunft aussehen kann, insbesondere auch mit Blick auf intersektorale und interprofessionelle Weiterbildung. Impulse von Henning Schettulat und Mara Klahr (KV Hessen), Dr. Wolfgang Blank (Praxis Bayerwald), Manuela Amm (Leipziger Weiterbildungsverbund, Leipziger Gesundheitsnetz e. V.) und Dr. Markus Schubert (St. Josefs-Hospital Rheingau GmbH) zeigten den Teilnehmenden verschiedene Möglichkeiten, Vorteile aber auch Herausforderungen einer Weiterbildung im Verbund bzw. in einem Netzwerk auf.

In der anschließenden Gruppenarbeit erarbeiteten die Teilnehmenden, welche Voraussetzungen und Werkzeuge benötigt werden, um Weiterbildungsverbünde bzw. -netzwerke zu gründen und am Laufen zu halten.
Gruppenübergreifend waren sich die Teilnehmenden einig, dass es nicht die eine Lösung für alle Regionen geben kann, sondern dass jede Region individuell eruieren muss, welche Gegebenheiten vorliegen und was die verschiedenen Partnerinnen und Partner benötigen, um gut und nachhaltig miteinander arbeiten zu können.

Als zentrale Punkte wurden eine Koordination durch eine engagierte Person und eine nachhaltige Finanzierung genannt. Weitere Vorschläge waren unter anderem die Einbindung der Kommune, verbindliche Kommunikation und regelmäßiger Austausch zwischen den Beteiligten, Angebote für die ÄiW schaffen (Mobilität, Familie, etc.), Vorteile für Teilnehmende (ÄiW und Weiterbildenden) aufzeigen sowie digitale Angebote entwickeln.

 

Fachsession 3: „Attraktivität und Bedarf: Nachwuchssicherung – Was will Zukunft?“

In der Fachsession 3 haben die Teilnehmenden zusammen mit den Impulsgebern Dr. Anke Schliwen (KBV), Dr. Fabian Dupont (Junge Allgemeinmedizin Deutschland ,JADE), Hanna Kurz (bvmd) und Prof. Marco Roos (Universität Augsburg) über die Herausforderungen zukünftiger ambulanter ärztlicher Versorgung und den Vorstellungen der nächsten Generation diskutiert.

In kurzen Einführungsimpulsen wurden die unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt: Situation aus Sicht der Bedarfsplanung, Vorstellungen, Erwartungen und Problemdarstellung der Medizinstudierenden und jungen Ärztinnen und Ärzten sowie Einschätzung aus universitärer Sicht zur Aus- und Weiterbildung. Anschließend wurden in vier Arbeitsgruppen Fragestellungen präzisiert und zum Abschluss gemeinsam im Plenum mögliche Lösungsansätze diskutiert.

Als zentrale Ergebnisse wurden folgende Punkte erarbeitet: Stärkung der Kompetenzorientierung in Studium und Weiterbildung mit Praxisbezug von Anfang an, Vorleben durch Role Modelling und Begeisterung von und für Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Steuerung durch Anreize und frühzeitige Information.

 

Abschlusspodium: Ärztliche Aus- und Weiterbildung am Arbeitsort Praxis

Auf dem Abschlusspodium diskutierten Dr. Antje Gottberg vom GKV-SV, Dr. Doris Reinhardt von der KV Baden-Württemberg und Prof. Henrik Herrmann von der BÄK-Weiterbildungskommission über notwendige Strategien, um die intersektorale Aus- und Weiterbildung weiterzuentwickeln und um eine zukunftsfähige qualitativ hochwertige ambulante Versorgung sicherzustellen, die für kommende Herausforderungen gut gewappnet ist. In die Diskussion wurden außerdem die Erkenntnisse aus den verschiedenen Fachsessions eingebunden. 

Demnach muss der ärztlichen Weiterbildung grundsätzlich ein höherer Stellenwert zukommen. Allein mit Blick auf den Bedarf zur Sicherstellung der Versorgung sollten die gegenwärtigen Strukturen weiterentwickelt werden, um eine intensivere Kooperation – intersektoral wie interprofessionell – zu ermöglichen.

Neben der sozialgesetzlichen Weiterbildungsförderung fehlt es an einer Finanzierungssystematik, die den gegenwärtigen und künftigen Anforderungen – auch diesseits von Sicherstellung – Rechnung trägt und der fortschreitenden Ambulantisierung der Gesundheitsversorgung entspricht. 

Zukunft der Akutversorgung

13. Oktober

„Abgrenzung und Kooperationen sind Themen, die bei der akuten Notfallversorgung immer aufpoppen“, sagte Gassen eingangs. Und nach der Beanstandung der Ersteinschätzungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sei der Diskussionsbedarf höher denn je. Man erlebe – nicht nur in der Notfallversorgung – eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen.

Diese seien, so der KBV-Chef, aber nicht einer besonderen Krankheitslast geschuldet, sondern einerseits fehlender Gesundheitskompetenz, andererseits einer „Amazon-Mentalität“, wonach jede Leistung zu jedem Zeitpunkt beliebig oft für alle verfügbar sein soll. Gassen: „Das passt nicht so ganz zum Fachkräftemangel und der Notwendigkeit, die vorhandenen Kapazitäten effizient und effektiv zu nutzen.“

Passgenaue Zusammenarbeit der Akutversorgung

Gassen betonte, dass die nicht lebensbedrohlichen und akut behandlungsbedürftigen Fälle eine Domäne der vertragsärztlichen Versorgung seien. 800 Bereitschaftsdienstpraxen, die Etablierung der 116 117-Leitstellen in allen Bundesländern sowie die standardisierte Ersteinschätzung als Instrument zur Feststellung der Dringlichkeit als auch zur Definition der daraus folgenden Versorgungsebene wurden dafür bereits geschaffen. „Aber Patientensteuerung scheint zunehmend Abwehrreflexe auszulösen“, konstatierte Gassen.

Allerdings müssten diejenigen Hilfe bekommen, die sie brauchen, und nicht die Strukturen durch diejenigen belastet werden, die mangels Gesundheitskompetenz oder aus Desinteresse diese Strukturen beliebig in Anspruch nehmen würden. Um die exzellente Versorgung aufrechterhalten zu können, braucht es laut Gassen eine „passgenaue Zusammenarbeit der Akutversorgung“ – einmal durch die Vertragsärzte in den Praxen und im ärztlichen Bereitschaftsdienst sowie die Notaufnahmen der Krankenhäuser. 

Situation der Knappheit 

DKG-Chef Gaß wies mit Blick auf die Zukunft darauf hin, dass man in eine „Situation der Knappheit“ komme, in der zu überlegen sei, „wie wir uns effizienter versorgen“. Das gelte nicht nur für die Krankenhäuser, sondern auch für den niedergelassenen Bereich. „Im Ergebnis werden wir – nicht nur in der Notfallversorgung, sondern in der Akutversorgung insgesamt – viel enger zusammenarbeiten müssen.“ Mit dem Denkansatz von heute würde man nach Gaß´ Einschätzung nicht mehr zurechtkommen. Da stünden große Veränderungen an – „auch im Denken der Politik“.

Für die Reform der Notfallversorgung forderte Gassen, dass die Politik „endlich mal klare Leitplanken“ setzt. Dann könnten Krankenhäuser und Niedergelassene planen. „Das fehlt aber“, so der KBV-Chef. Gassen kritisierte einen „völlig ungesteuerten Zugriff auf alle Strukturen“. DKG-Vorstandsvorsitzender Gaß sah die Vorschläge der Regierungskommission positiver.

Er präferierte eine „Vorfilterung“ durch eine qualifizierte Ersteinschätzung in einem Leitstellensystem. Nach der Ersteinschätzung in den integrierten Leitstellen (ILS) möchte er die ambulanten Erstversorgungs- oder Notfallstellen an den Krankenhäusern „andocken“.

Für die integrierten Notfallzentren (INZ) verwies er auf die Idee der Portalpraxis, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen von 7 bis 19 Uhr betrieben werden sollten. An einem gemeinsamen Tresen müsste gemäß Gaß dann entschieden werden, wo der Patient oder die Patientin dann versorgt werde.

″Wir brauchen eine vernünftige Steuerung in die richtige Versorgungsebene″ Dr. Andreas Gassen (KBV)

Keine dritte Versorgungsebene

KBV-Chef Gassen widersprach: „Wer soll denn in den ganzen INZ arbeiten, die da entstehen sollen?“ Er erinnerte an den Entwurf der Regierungskommission, der vorsah, dass Hausärzte zu Sprechzeiten diese Portalpraxen besetzen sollten.

Gassen: „Die ambulante Versorgungsebene zu Sprechzeiten sind die Praxen. Das sind keine INZ, das sind keine Notaufnahmen.“ Wolle man die Vorschläge der Regierungskommission umsetzen, müssten etwa ein Drittel aller Hausärzte in die INZ – mit der Folge, dass die Praxen dieser Ärzte geschlossen wären.

Gassen war sich mit Gaß einig: „Wir brauchen eine vernünftige Steuerung in die richtige Versorgungsebene.“ Man müsse aber von der Illusion wegkommen, noch eine dritte Versorgungsebene zu schaffen.

  • Foto: Andrea Katheder

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Eingebettet in den Sicherstellungskongress 2023 war die sechste Kooperationstagung „116 117 und 112“. Diese richtete die KBV zusammen mit dem Deutschen Feuerwehrverband und dem Fachverband Leitstellen aus. Expertinnen und Experten sprachen darüber, wie in einer sinnvollen Arbeitsteilung von ambulanter und stationärer Versorgung sowie Rettungsdienst weiterhin eine hochwertige Akut- und Notfallversorgung trotz steigender Nachfrage und Fachkräftemangel sichergestellt werden kann.  

Vorab ging es in einer Debatte und verschiedenen Fachsessions um Optionen für den ärztlichen Berufseinstieg in Aus- und Weiterbildung mit einem Fokus auf intersektoralen Entwicklungen. Unter anderem diskutierten dort Dr. Doris Reinhardt, KV Baden-Württemberg, Prof. Dr. Henrik Herrmann, BÄK-Weiterbildungskommission, und Dr. Antje Gottberg, GKV-Spitzenverband die Möglichkeiten der ärztlichen Aus- und Weiterbildung am Arbeitsort Praxis.