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Stand 27.07.2023

Labordiagnostik

Thrombozytose - Empfehlungen zur Labordiagnostik

Thrombozyten sind zelluläre Blutbestandteile, die im Knochenmark durch Abschnürung der Megakaryozyten permanent neu gebildet werden und eine wichtige Rolle bei der primären Hämostase (Blutstillung) spielen. Ihre Lebensdauer beträgt zwischen 5 und 12 Tagen, wobei ihr Abbau hauptsächlich in der Milz, aber auch in Leber und Lunge erfolgt.

Im Blut zirkulierende Thrombozyten befinden sich in der Regel in einem inaktiven bzw. Ruhezustand. Nach Gefäßverletzung oder im Entzündungsprozess kommt es vor Ort zur Thrombozytenaktivierung, die die Blutung stillt und die Blutgerinnung einleitet. 

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Die Thrombozytenzahl im Blut liegt normalerweise zwischen 150 und 400 x 109 Thrombozyten/l. Bei erniedrigten Werten (<150 x 109/l) wird von einer Thrombozytopenie gesprochen; bei Werten über 450 x 109/l besteht eine Thrombozytose. Eine Klassifizierung der Thrombozytose in Abhängigkeit von der Thrombozytenzahl ist willkürlich in Mild bei 450 bis 700 x 109/l, Moderat bei 700 bis 900 x 109/l und Schwer bei über 900 x 10Thrombozyten/l möglich.

Die Thrombozytose ist ein sehr häufiges Laborergebnis, die oft als Zufallsbefund entdeckt wird, aber für sich genommen keine Diagnose darstellt. Es wird dabei zwischen primären und sekundären bzw. reaktiven Thrombozytosen unterschieden. Primäre Thrombozytosen treten meist im Verlauf von hämatologischen Systemerkrankungen (z. B. myeloproliferative Erkrankungen) auf oder können auch genetisch bedingt sein.

Reaktive Thrombozytosen, auch als sekundäre Thrombozythämien bezeichnet, entwickeln sich häufig sekundär zu bereits, auch außerhalb des hämatopoetischen Systems, bestehenden Erkrankungen. Ebenfalls können Eisenmangelzustände oder ein zurückliegender Vitamin B12-Mangel, beispielsweise über eine ungerichtete Aktivierung der Hämatopoese, zur Thrombozytose führen.

Auch durch Stress und körperliche Anstrengung kann es zu einer, dann häufig vorübergehenden, Thrombozytose kommen. Daher steht bei den sekundären Thrombozytosen die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund, die in der Regel zu einer Normalisierung der Thrombozytenzahlen führt.

Mit ihrem sehr breiten Ursachenspektrum ist die Thrombozytose eine relevante Blutbildveränderung, die immer einer Abklärung bedarf, da Sekundärfolgestörungen, wie schwere thromboembolische Ereignisse (z. B. Schlaganfall, Herzinfarkt, venöse Thromboembolien, aber auch Blutungen), vermehrt auftreten können. Aufgrund der differentialtherapeutischen Konsequenzen ist daher die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Formen der Thrombozytosen von großer Bedeutung.

Grundsätzlich sollte eine erstmalig gemessene Erhöhung der Thrombozytenzahl in einer weiteren Blutentnahme verifiziert werden, da auch eine situativ bedingte Erhöhung der Thrombozytenzahlen vorkommen kann.
 

Klinische Fragestellung

  • Zufallsbefund: Thrombozytenzahl über 450 x 109/l, auch in Kombination mit anderen Auffälligkeiten im Blutbild (Leukozytose, Polyglobulie)
  • Differentialdiagnostik nach thromboembolischen Ereignissen, besonders bei zusätzlich vorliegenden Grunderkrankungen (Verletzung, Blutung, Infektion, Malignom etc.)
  • Mikrozirkulationsstörungen 
  • Autoimmunerkrankungen
  • vorausgegangener Vitamin B12-Mangel
  • Eisenmangelzustände

Laborparameter

Großes Blutbild: Das große Blutbild mit den Parametern Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Hämoglobin, Hämatokrit, MCV, MCH, MCHC und Differentialblutbild dient der Einstiegsdiagnostik zur Differenzierung einer primären von einer sekundären Thrombozytose.

CRP: Das C-reaktive Protein ist ein Plasmaprotein, das in der Leber gebildet wird und zu den sogenannten Akute-Phase-Proteinen und den Entzündungsparametern zählt.

Basisdiagnostik und weiterführende Diagnostik

Zur Differentialdiagnostik zwischen primärer oder sekundärer Thrombozytose ist labordiagnostisch initial ein Differentialblutbild sowie die Bestimmung von Entzündungsparametern, speziell CRP, zu veranlassen. Zusätzlich ist eine sorgfältige Anamneseerhebung in Richtung einer primären (z. B. thromboembolische Ereignisse, Blutung) oder sekundären (z. B. Infekt, Eisenmangel, kardiopulmonale und gastrointestinale Komorbidität, Malignom, zurückliegende Operation) Thrombozytose essentiell.

In über 80 % der Fälle handelt es sich bei Thrombozytosen um sekundäre Formen. Die Kombination von Labordiagnostik, Anamnese und klinischer Untersuchung kann dabei in der Regel den entscheidenden Hinweis auf die dafür ursächliche Grunderkrankung geben.

In der Labordiagnostik zeigen sich dabei meist Thrombozytenzahlen von unter 1.000 x 109/l. Entzündungsparameter wie CRP und das Differentialblutbild geben Hinweise auf entsprechende Grunderkrankungen wie (chronische) Entzündungen sowie Infektionen und Neoplasien. Weitere Ursachen können Gewebeschäden durch Operationen, Splenektomie, Unfälle/Verletzungen oder auch Z. n. Blutungen oder ein Eisenmangel sein. Mit der erfolgreichen Behandlung der Grunderkrankung stellt sich in der Regel wieder eine normale Thrombozytenzahl ein.

Gibt es keine Anhaltspunkte für eine zugrundeliegende Erkrankung oder liegt eine persistierende Thrombozytose trotz erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung vor, ist dies ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer primären Thrombozytose und damit auf eine hämatologische Systemerkrankung, zumeist in Form einer myeloproliferativen Neoplasie. In diese Gruppe gehören die essentielle Thrombozythämie, die Polycythaemia vera, die primäre Myelofibrose und die chronische myeloische Leukämie. 

Die weiterführende Diagnostik und Therapie erfolgen in der fachärztlichen Praxis für Hämatologie und Onkologie. Deren Aufgabe ist die Indizierung und Koordinierung der erforderlichen weiteren diagnostischen Maßnahmen, wie zusätzliche Laboruntersuchungen, Knochenmarkzytologie und -histologie, molekulargenetische und zytogenetische Untersuchungen.

Weitere Empfehlungen

Verlaufsdiagnostik/Therapiekontrolle:

Um den Therapieerfolg zu überprüfen, sind nach Behandlungsbeginn und abhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung weitere Blutbildkontrollen in mehrmonatigen Abständen indiziert.

Literaturverzeichnis

  • Diagnostic pathway for the investigation of thrombocytosis; Harrison et al., Br J Haematol. 2013 May;161(4):604-6
  • Investigating thrombocytosis; Mathur et al., BMJ. 2019 Jul 4;366:l4183; Erratum in: BMJ. 2019 Dec 4;367:l4569
  • Klinikhandbuch Labordiagnostische Pfade, W. Hofmann, J. Aufenanger, G. Hoffmann (Hrsg.), De Gruyter Verlag, 2. Auflage, 2014
  • Labor und Diagnose, Thomas L., Internetausgabe https://www.labor-und-diagnose.de/, Release 5, 2023
  • Labor und Diagnose, Thomas L., TH-Books, 8. Auflage, 2012
  • Myeloproliferative Neoplasien (MPN) (früher: Chronische Myeloproliferative Erkrankungen (CMPE)); Onkopedialeitlinie, Stand September 2021, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO)
  • Thrombozytose; Diagnostische Pfade in der Laboratoriumsmedizin, Stand April 2019, Nordlicht aktuell
  • Thrombozytose; Diagnostischer Pfad, Stand Januar 2022, Labor 28

Hinweis: Die Laborpfade sind lediglich eine Empfehlung und nicht verbindlich.