Hilfsmittel

Versicherte haben Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln. Voraussetzung hierfür ist, dass die Produkte im Einzelfall medizinisch erforderlich sind, um den Erfolg der Behandlung zu sichern, eine Behinderung auszugleichen oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Außerdem soll einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung von Kindern entgegengewirkt, eine Schwächung der Gesundheit beseitigt, eine Krankheit verhütet oder Pflegebedürftigkeit vermieden werden. Das Anwendungsgebiet erstreckt sich auf den gesamten Körper und nahezu alle Lebenssituationen.
Die Voraussetzungen, Grundsätze und Inhalte der Hilfsmittelverordnung finden Ärztinnen und Ärzte in der Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Neben den Verordnungsgrundsätzen enthält sie Regelungen zu Seh- und Hörhilfen, Informationen zum Hilfsmittelverzeichnis sowie Hinweise zur Zusammenarbeit zwischen Hilfsmittelversorgern, Krankenkassen, Medizinischem Dienst sowie Ärztinnen und Ärzten.
Verordnung ausstellen
Hilfsmittel werden auf Muster 16 verordnet. Weitere Verordnungsvordrucke gibt es für Sehhilfen (Muster 8), vergrößernde Sehhilfen (Muster 8A) und Hörhilfen (Muster 15).
Alle Angaben, die für die individuelle Versorgung oder Therapie notwendig sind, sind auf der Verordnung anzugeben. Dazu gehören die Diagnose, das Verordnungsdatum und die Bezeichnung des Hilfsmittels gemäß Hilfsmittelverzeichnis, sofern es dort gelistet ist.
Im Idealfall geben Ärztinnen und Ärzte die 7-stellige Positionsnummer der Produktart oder die 10-stellige Positionsnummer des konkreten Einzelprodukts an. Alternativ ist die möglichst genaue Bezeichnung der Produktart oder des Einzelprodukts anzugeben.
Ausfüllhinweise
Hilfsmittelverzeichnis und Pflegehilfsmittelverzeichnis
Das Hilfsmittelverzeichnis enthält alle Hilfsmittel, die von den Krankenkassen übernommen werden. Der GKV-Spitzenverband aktualisiert und schreibt das Verzeichnis fortlaufend fort; es ist somit nicht abschließend. Ärztinnen und Ärzte dürfen demnach auch Produkte verordnen, die nicht im Heilmittelverzeichnis stehen, für die die Krankenkassen im Einzelfall aber gegebenenfalls die Kosten übernehmen.
Das Hilfsmittelverzeichnis ist nach Produktgruppe, Anwendungsort, Untergruppe, Produktart und Einzelprodukt gegliedert. Jede Produktart hat eine 7-stellige Nummer und jedes Einzelprodukt eine 10-stellige Positionsnummer.
Produktgruppe 1-33
Die Produktgruppen sind alphabetisch sortiert und fortlaufend besetzt von „01 Absauggeräte“ bis „33 Toilettenhilfen“. Hörhilfen stehen in Gruppe 13, Sehhilfen in Gruppe 25. Eine Sonderstellung nehmen zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel ein, zum Beispiel Krankenpflegeartikel wie saugende Bettschutzeinlagen und Urinauffangbeutel bei Inkontinenz oder Stoma-Artikel.
Produktgruppe 50-54
Die Produktgruppen umfassen Pflegehilfsmittel und dienen ausschließlich der Versorgung von Pflegebedürftigen. Die Kosten werden nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern von der Pflegeversicherung übernommen. Einige Hilfsmittel haben eine Doppelfunktion: Sie werden sowohl in der tagesstrukturierenden Pflegeeinrichtung als auch im häuslichen Umfeld genutzt.
Produktgruppe 98/99
Produktgruppe 98 enthält sonstige Pflegehilfsmittel und Produktgruppe 99 verschiedenes. Hier sind unter anderem Erektionshilfen eingruppiert, die bei der Behandlung von Impotenz unter bestimmten Voraussetzungen verordnet werden können.
Fragen und Antworten
Gibt es für Hilfsmittelverordnungen ein Budget?
Es gibt kein Verordnungsbudget für Hilfsmittelverordnungen. Hilfsmittelverordnungen unterliegen jedoch dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach Paragraf 12 SGB V. Demnach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Krankenkassen können stets arztbezogene Einzelfallprüfungen nach Paragraf 106 SGB V bei der regionalen Prüfungsstelle beantragen.
Können Jugendliche auf Wunsch farbige Kontaktlinsen verordnet bekommen?
Nein, Kontaktlinsen in farbiger Ausführung zur Veränderung oder Verstärkung der körpereigenen Farbe der Iris sind in der Regel nicht verordnungsfähig. Die Hilfsmittel-Richtlinie lässt wenige Ausnahmen zu. Zum Beispiel dürfen Irisschalen mit geschwärzter Pupille bei entstellenden Veränderungen der Hornhaut des blinden Auges verordnet werden. Die Kontaktlinse ist dann keine Sehhilfe, sondern ein Körperersatzstück.
Werden UV-Kantenfilter bei Aniridie von der Krankenkasse bezahlt?
Ein Brillenglas mit UV-Kantenfiltertönung (400 Nanometer Wellenlänge) ist zum Beispiel bei Aphakie oder Iriskolobomen verordnungsfähig. Das regelt Paragraf 17 Absatz 1 Nummer 2 der Hilfsmittel-Richtlinie. Eine Aniridie wird dort nicht ausdrücklich genannt. Da hier aber die Iris vollständig fehlt, entspricht sie aus medizinischer Sicht dem Indikationskriterium „Iriskolobom“ und die Verordnungsfähigkeit zulasten der Krankenkassen ist somit gegeben.
Sind Kniebandagen Hilfsmittel oder Verbandstoffe?
Es handelt sich hier nicht um Verbandstoffe nach Paragraf 31 Absatz 1 SGB V, sondern um Hilfsmittel. Bei entsprechender Indikation – zum Beispiel bei chronischen oder postoperativen Weichteil-Reizzuständen des Kniegelenks – sind die im Hilfsmittelverzeichnis gelisteten Bandagen als Hilfsmittel verordnungsfähig.
Können gleich zwei Paar Kompressionsstrümpfe auf einmal verordnet werden?
Der Arzt darf funktionsgleiche Mittel mehrfach verordnen, „wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig ist“ (Paragraf 6 Absatz 8 Hilfsmittel-Richtlinie). Bei Kompressionsstrümpfen sollte der Arzt zunächst ein Paar verordnen, um sich von der Zweckmäßigkeit, Passgenauigkeit und Handhabbarkeit durch den Patienten zu überzeugen.
Wann darf dem Patienten ein Blutdruckmessgerät verordnet werden?
Wenn der Patient einen medikamentös schwer einzustellenden Bluthochdruck vorweist, der täglich mehrfach gemessen werden muss. Hier ist eine Schulung und Einweisung des Patienten in die Technik der Blutdruckmessung durch den Arzt erforderlich. Die entsprechenden Indikationen finden Ärzte im Hilfsmittelverzeichnis (Produktgruppe 21 Messgeräte für Körperzustände und -funktionen, Untergruppe 01).
Wann sind Vorlagen, Netzhosen oder Windelhosen verordnungsfähig?
Wenn beim Patienten eine mindestens mittelgradige Inkontinenz vorliegt. Das heißt, die Ausscheidungsmenge beträgt mindestens 100 Milliliter in vier Stunden. Die Indikationen für die Verordnung von Inkontinenzhilfen stehen im Hilfsmittelverzeichnis (Produktgruppe 15).
Gehört der Blindenführhund zu den Hilfsmitteln?
Blindenführhunde sind tatsächlich Hilfsmittel im Sinne des Paragrafen 33 SGB V. Da der Hund aber ein Lebewesen ist, führt das Hilfsmittelverzeichnis unter Produktnummer „99.99.01.0001 – Blindenführhund“ nur die Kriterien, die das Tier, der Ausbilder/die Blindenführhundeschule und der Patient erfüllen müssen. So haben Hund und Halter beispielsweise eine Gespannprüfung zu bestehen. Die Krankenkasse übernimmt die Anschaffungskosten für den Hund und zahlt eine monatliche Pauschale für Futter und Impfungen.
Hilfsmittel zur häuslichen Pflege
Pflegefachkräfte dürfen Pflegebedürftigen bestimmte Hilfs- und Pflegehilfsmittel empfehlen, die diese bei ihrer Krankenkasse beantragen. Eine ärztliche Verordnung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass die Pflegefachkräfte die Betroffenen selbst betreuen und die Hilfsmittel im häuslichen Umfeld benötigt werden. Die empfohlenen Hilfs- und Pflegehilfsmittel müssen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden beitragen oder dem Pflegebedürftigen eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen.
Liste mit Hilfs- und Pflegehilfsmitteln
Da nicht alle im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte der Pflege dienen, listet der GKV-Spitzenverband in seinen Richtlinien die Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel auf, die Pflegefachkräfte empfehlen können. Dazu zählen Produkte wie Duschhilfen, Toilettenstühle, Pflegebetten oder Lagerungsrollen. Des Weiteren werden die fachlichen Anforderungen an Pflegefachkräfte festgelegt.
Pflegekräfte nutzen zur Empfehlung der Leistung ein eigens dafür vorgesehenes Formular. Dieses leiten Versicherte im Anschluss an einen Hilfsmittelversorger weiter, der auf dieser Grundlage einen Leistungsantrag bei der Krankenkasse oder Pflegekasse stellt.
Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen
Versicherte mit schweren Behinderungen und körperlichen Beeinträchtigungen, insbesondere Kinder, benötigen oft zeitnah individuell angepasste Hilfsmittel wie Roll- und Therapiestühle, Orthesen, Stehtrainer oder Sitzschalen. Sofern mehrere Teilhabebereiche tangiert sind und weitere Leistungen erforderlich werden, können sich Versicherte zur Erstellung eines Teilhabeplans an ihre Krankenkasse wenden.
Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Krankenkassen und Medizinischem Dienst
Die Krankenkasse kann in geeigneten Fällen den Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob das beantragte Hilfsmittel medizinisch erforderlich ist, bevor sie die Kosten übernimmt. Die Gutachter beraten bei Bedarf und gehen dabei auf die individuelle Versorgungssituation ein. Sie sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen und dürfen nicht in die ärztliche Behandlung oder pflegerische Versorgung eingreifen.
Weicht das Ergebnis seiner Begutachtung von der ärztlichen Verordnung ab, hat der Medizinische Dienst dies der Ärztin oder dem Arzt mitzuteilen. Bestehen dabei Meinungsverschiedenheiten, kann die behandelnde Ärztin oder der Arzt unter Darlegung der Gründe ein Zweitgutachten bei der Krankenkasse beantragen. Kann diese die Meinungsverschiedenheiten nicht ausräumen, soll der Medizinische Dienst einen Arzt des Gebietes mit dem Zweitgutachten beauftragen, in das die verordnete Leistung fällt.
Leichterer Zugang für Menschen mit Behinderungen
Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, gültig seit März 2025, erleichtert die Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderungen:
Die Prüfung und Genehmigung durch die Krankenkasse entfällt, wenn ein Hilfsmittel von einer Ärztin oder einem Arzt eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) beziehungsweise eines Medizinischen Zentrums für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) empfohlen wird. Zu beachten ist, dass die Empfehlung nicht älter als drei Wochen sein sollte.
Festbetrag und Zuzahlung
Krankenkassen übernehmen die Kosten für verordnungsfähige Hilfsmittel nur bis zu einer bestimmten Höhe. Festbeträge gelten derzeit für Einlagen, Hörhilfen, ableitende Inkontinenzhilfen und Hilfsmittel zur Kompressionstherapie. Auch Versicherte müssen sich an den Kosten beteiligen:
Für allgemeine Hilfsmittel wie Gehstützen oder Einlagen beträgt die gesetzliche Zuzahlung 10 Prozent des Abgabepreises, mindestens 5 Euro und höchstes 10 Euro. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind von der Zuzahlung befreit. Für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel wie Inkontinenzvorlagen oder Windeln zahlen Versicherte 10 Prozent des Abgabepreises je Verbrauchseinheit, maximal 10 Euro pro Monat.
Bei Sehhilfen, für die die Krankenkassen die Kosten übernehmen, zahlen Versicherte 10 Prozent des Gesamtpreises für beide Gläser oder Linsen, mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro. Bei Beträgen unter 5 Euro zahlen sie den jeweiligen Preis.
Bei Hörhilfen zahlen Versicherte 10 Prozent des Gesamtabgabepreises für das Hörgerät und die Otoplastik je Ohr, mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro.